Richtlinie zur Förderung von Produkten zur Prävention, Diagnose und Behandlung von vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten

vom 30.10.2015 Abgabetermin: 29.02.2016

1 Förderzweck

Schlechte Lebensbedingungen, mangelnder Zugang zu gesunder und ausreichender Nahrung, sauberem Trinkwasser, medizinischer Versorgung oder Bildung: Diese Umstände fördern die Ausbreitung von Infektionen, die als „armutsassoziierte Krankheiten“ (engl. poverty related diseases, PRDs) bezeichnet werden. Zu ihnen gehören sowohl Infektionen, die in den Industrieländern heilbar oder zumindest beherrschbar sind, wie beispielsweise die sogenannten "großen Drei" – HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria – aber auch die „vernachlässigten Tropenkrankheiten“ (engl. neglected tropical diseases, NTDs), die vor allem in den armen Ländern tropischer Gebiete ein großes Problem darstellen. PRDs fordern in den Armutsgebieten nach wie vor die meisten Opfer, weit vor z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Krebs.

Für einige dieser Krankheiten gibt es keine Therapie bzw. ausreichenden Impfschutz. Vorhandene Medikamente haben zum Teilstarke Nebenwirkungen oder können unter den besonderen Bedingungen in den meist infrastrukturschwachen, tropischen Regionen nicht oder nur unzureichend eingesetzt werden. Da es kaum wirtschaftliche Anreize gibt, unternehmen Pharmafirmen nur wenige Anstrengungen, neue Produkte gegen diese Krankheiten zu erforschen und zu entwickeln. Die für eine Verbesserung der globalen Gesundheit dringend nötigen Neu- und Weiterentwicklungen von Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika müssen daher mit öffentlichen Mitteln und durch gemeinsames Handeln der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden. Hierzu haben sich 2015 auch die Staats- und Regierungschefs der G7 im Juni unter deutscher Präsidentschaft in ihrer Abschlusserklärung bekannt.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert deshalb bereits seit 2011 sogenannte Produktentwicklungspartnerschaften, kurz PDPs, und beabsichtigt diese Förderung auf der Basis der vorliegenden Bekanntmachung fortzusetzen. PDPs sind Non-Profit-Organisationen, die Medikamente, Impfstoffe und Diagnostika gegen PRDs entwickeln und kostengünstig auf den Markt bringen. Sie koordinieren die Zusammenarbeit von Partnern aus akademischen Instituten, öffentlichen Forschungseinrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und forschenden Pharma-Unternehmen. PDPs werden hauptsächlich durch öffentliche und private wohltätige Geldgeber finanziert. Das BMBF ergänzt mit der PDF Förderung sinnvoll seine bereits existierenden Fördermaßnahmen im Bereich der Bekämpfung vernachlässigter und armutsassoziierter Krankheiten.

Mit dieser Fördermaßnahme beabsichtigt das BMBF, einen Beitrag zur Ausgestaltung des Aktionsfeldes 6 „Gesundheitsforschung in internationaler Kooperation“ im Rahmenprogramm Gesundheitsforschung der Bundesregierung zu leisten.

2 Gegenstand der Förderung

Gefördert wird die Entwicklung von Methoden und Produkten zur Prävention, Diagnose oder Behandlung für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten1. Grundbedingung der Förderung ist, dass es um Indikationen geht, gegen die es bislang keine geeigneten Präventions-, Diagnose oder Behandlungsmöglichkeiten gibt. Präventionsmethoden können Impfstoffe, Insektizide oder andere Hilfsmittel sein, für deren Entwicklung wissenschaftliche Forschung nötig ist.

3 Antragsteller

Antragsberechtigt sind Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs), die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Präventionsmethoden, Medikamente oder Diagnostika gegen vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten zu entwickeln und kostengünstig auf den Markt zu bringen. Dafür sollten die PDPs in einer Netzwerkstruktur aufgebaut sein und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure wie z. B. akademische Institute, öffentliche Forschungseinrichtungen, Pharmafirmen, Biotechnologie-Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen ("Not for Profit"-Organisation) fördern. Um einen Antrag stellen zu können, muss eine PDP folgende Minimalkriterien erfüllen, wobei die Punkte a.-d. vollinhaltlich zutreffen müssen:

a. Der Fokus der Geschäftstätigkeit der PDP liegt auf einer oder mehreren "vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten"1.
b. Die Produkte sind speziell auf die Bedürfnisse von Menschen in Entwicklungsländern zugeschnitten.
c. Vorrangiges Ziel der PDP ist die Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und nicht Gewinnschöpfung ("Not for Profit"-Organisation).
d. Die PDP verwendet Managementstrategien aus dem Privatsektor (Pharmaindustrie) wie Portfolio-Management und industrielles Projekt- und Prozessmanagement.

Darüber hinaus fließt folgendes Kriterium in die Bewertung mit ein:
e. Die PDP betreibt Lobbying in eigener Sache und kämpft um mehr Aufmerksamkeit für die jeweilige Ziel-Krankheit.
f. Die PDP betreibt Kapazitätsauf- und ausbau in den Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen, in denen die klinische Produktentwicklung hauptsächlich erfolgt.

4 Voraussetzungen für Förderungen mit Mitteln des BMBF

Neben den Punkten a-d aus 3. gelten folgende Voraussetzungen:

Förderungsfähige PDPs müssen als zivilvertragsfähige juristische Person, als Personengesellschaft oder als Verbund organisiert sein. Im Falle eines Verbundes muss ein zivilvertragsfähiger Partner der PDP als Verbundkoordinator benannt werden.

Antragstellende PDPs müssen bereits seit mindestens zwei Jahren vor Antragstellung in ihrer jetzigen Gesellschaftsform aktiv sein und erste operative Erfolge aufweisen können.

Die antragstellende PDP muss gewährleisten können, dass sich die Verwendung der beantragten Mittel auf Arbeiten zu den in Punkt 2 "Gegenstand der Förderung" beschriebenen Krankheiten und Produkte beschränkt.

Mindestens 50% der für die Produktentwicklung nötigen Gelder müssen aus anderen Quellen stammen (auch Eigenmittel, Nachweis im Antrag erforderlich).

Falls eine PDP als Verbund organisiert ist, so müssen die Beziehungen der Verbundpartner untereinander in einem schriftlichen Kooperationsvertrag geklärt sein.

Die PDP muss sich eine Leitlinie geben, die u. a. den Umgang mit Partnern in Forschung und Entwicklung und speziell die Eigentums- und Verwertungsrechte sowie das Management von Patentrechten regelt. Das Ziel ist ein möglichst niedriger Produktpreis in den Zielländern. Wo immer möglich, soll die Patent-Politik der PDP marktwirtschaftlichen Wettbewerb durch Generika-Produktion vorsehen, da dies erfahrungsgemäß zu niedrigen Marktpreisen führt. Die Antragsteller sollen daher im Antrag bereits innovative Vorschläge unterbreiten, wie sie Patentrechtsfragen zu regeln bzw. zu handhaben gedenken.

Die PDP verfügt über erprobte Mechanismen zur Identifizierung und zur Lösung von Interessenskonflikten.

Technologie- und Wissenstransfer muss in angemessener Weise stattfinden. Soweit möglich, sollten lokale Produzenten bevorzugt berücksichtigt werden. Dem Aufbau einer langfristigen Zusammenarbeit mit Forschern und der Industrie in den Zielländern soll gegenüber der kurzzeitigen Akquisition von Auftragnehmern der Vorzug gegeben werden. Dies erfolgt auch mit dem Ziel der Stärkung der lokalen Institutionen.

Die Langzeit-Beobachtung von neu eingeführten Medikamenten und Impfstoffen muss - ggf. durch Investitionen in Laborkapazitäten und Schulungsmaßnahmen für eine gestärkte Qualitätsinfrastruktur vor Ort - sichergestellt werden (Pharmakovigilanz).

Abgesehen von der Sicherheit und Wirksamkeit der neuen Produkte müssen die lokalen Voraussetzungen und Auswirkungen in den Zielländern berücksichtigt werden - das Ziel der Markteinführung muss die Reduktion der Krankheitslast in den Zielländern sein.

Daten, die von PDPs in den Zielländern gesammelt werden, sollten unter Einbeziehung lokaler Expertise idealerweise dort analysiert werden bzw. sollten die Daten und Ergebnisse zumindest den Gesundheitssystemen vor Ort zur Verfügung gestellt werden.

5 Art, Umfang und Höhe der Zuwendung

Die beantragte Fördersumme kann pro PDP bis zu 2 Mio. €/ p.a. über die gesamte Laufzeit betragen. Bemessungsgrundlage sind die projektbezogenen Kosten oder Ausgaben der jeweiligen Produktentwicklung, die bis zu 50% anteilfinanziert werden können. Die weiteren Gelder müssen aus anderen Quellen stammen (Nachweis im Antrag). Es kann eine Förderung über maximal fünf Jahre beantragt werden. Die Förderung erfolgt im Rahmen von zivilrechtlichen Förderverträgen zwischen den jeweils ausgewählten PDPs und einer Mittlerorganisation.

6 Rechtsgrundlagen

Diese Förderrichtlinien gelten in Verbindung mit dem Rahmenprogramm Gesundheitsforschung. Vorhaben können nach Maßgabe dieser Richtlinien und unter sinngemäßer Anwendung des § 44 der Bundeshaushaltsordnung gefördert werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Förderung besteht nicht. Der Förderer entscheidet auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Zwischen der Mittlerorganisation und den zur Förderung ausgewählten PDPs wird jeweils ein darauf basierender zivilrechtlicher Fördervertrag abgeschlossen. Dieser regelt u.a. die Auszahlung und Abrechnung der Haushaltsmittel, den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Kündigung des Fördervertrages sowie die Rückforderung der gewährten Haushaltsmittel.

7 Förderverfahren

7.1 Einschaltung einer Mittlerorganisation

Mit der Abwicklung dieser Fördermaßnahme wird das BMBF eine Mittlerorganisation beauftragen. Die Antragstellerberatung erfolgt durch den DLR Projektträger.

Kontakt:
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)
Projektträger | Gesundheitsforschung
Dr. Isabella Napoli
Heinrich-Konen-Straße 1
53227 Bonn

Tel. +49 228 3821-1747
E-Mail: pdp@dlr.de

Im Leitfaden oder englische Version ist die Struktur des Antrages bereits vorgegeben. Die unter Punkt 7.2.4 beschriebenen Bewertungskriterien sollten bei der Antragsformulierung berücksichtigt werden.
Antragsteller können bis zum 05. Februar 2016 Fragen zum Antrag per E-Mail an pdp@dlr.de stellen. Die Antworten werden allen Antragstellern auf der Seite www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/5790.php bekannt gemacht.

7.2 Förderverfahren

7.2.1 Fristen

Anträge müssen bis 29. Februar 2016, 24:00 Uhr

beim DLR Projektträger
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)
Projektträger | Gesundheitsforschung
Stichwort: PDP
Heinrich-Konen-Straße 1
53227 Bonn

eingehen. Der Antrag muss von der beantragenden PDP rechtsverbindlich unterschrieben sein. Die Frist gilt nicht als Ausschlussfrist. Verspätet eingehende Anträge können aber möglicherweise nicht mehr berücksichtigt werden. Bei verspäteter Vorlage wird die vorherige Kontaktaufnahme mit dem DLR Projektträger empfohlen.

7.2.2. Antragsstellung

siehe Leitfaden für die Antragstellung (http://www.dlr.de/pt/Portaldata/45/Resources/Dokumente/Leitfaden/PDP_Leitfaden.pdf oder englische Version: http://www.dlr.de/pt/Portaldata/45/Resources/Dokumente/Leitfaden/PDP_Guidelines.pdf)

7.2.3. Einzureichende Unterlagen

Alle im Leitfaden für die Antragsstellung erwähnten Dokumente müssen im Original und zwei Kopien sowie in elektronischer Form (auf CD, Format: pdf) an das BMBF gesandt werden. Mit Blick auf die internationale Ausrichtung der Maßnahme und das internationale Begutachtungsverfahren wird empfohlen, alle einzureichenden Unterlagen in englischer Sprache vorzulegen.

7.2.4 Auswahlverfahren

Die eingegangenen Anträge werden unter Beteiligung von unabhängigen Experten u. a. vergleichend nach folgenden Kriterien bewertet2:

PDP: Organisation und Management (bis zu 30 Punkte)
- Effizienz und Effektivität der Organisationsstrukturen
- Leistungsaufzählung (Track Record) über die bisherige Performance der Organisation
- Qualität der Steuerungsmechanismen - Monitoring und Controlling
- Qualitätsmanagement und -politik (klinische Studien, Ethik, Publikation von Ergebnissen)
- Portfolio-Management
- Risikomanagement innerhalb der PDP
- Sicherung des Geistigen Eigentums (WTO/TRIPS)
- Qualifikation/Erfahrung der verantwortlichen Manager und wissenschaftliches Profil
- Qualifikation der wissenschaftlichen Berater
- Erfahrung der PDP in der Entwicklung von Produkten zur Prävention, Diagnose oder Behandlung von vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten
- Non-Profit Organisation, Image in der Öffentlichkeit (soziale Verantwortung)
- Unternehmensziel der PDP und erwarteter Output in den nächsten 5 Jahren
- Bisherige Erfolge der PDP
- Evaluierungsmethoden (intern und extern)

PDP: Zusammenarbeit mit Partnern (bis zu 20 Punkte)
- Zusammenarbeit mit Partnern in Industrieländern und Zusammenarbeit mit Partnern aus Entwicklungsländern unter Berücksichtigung einer gleichberechtigten Partnerschaft
- Vorhandene und im Rahmen des Projektes geplante Vernetzung mit internationalen Initiativen auf dem Gebiet der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten
- Bereitschaft und Fähigkeit zum Capacity Building
- Ausgewogene Verteilung von Risiken und Kosten zwischen der PDP und ihren Partnern
- Nachhaltigkeit der Projekte in Bezug auf den Transfer der Forschungsergebnisse in die Gesundheitssysteme der Entwicklungsländer (Technologie- und Wissenstransfer, Produktion vor Ort, Distributionssysteme etc.)- Mechanismen zur Identifizierung und zur Lösung von Interessenskonflikten
- Gemeinsame Nutzung von Forschungsinfrastruktur

Antrag: Formelle und fachliche Kriterien (bis zu 10 Punkte)
-Wissenschaftliche und methodische Qualität des Antrags und der Analyse der momentanen Situation in Bezug auf vorhandene Methoden zur Krankheitsbekämpfung
- Abgrenzung zu vergleichbaren Initiativen
- Logik und Konsistenz des Antrags in Bezug auf Ziele und Resultate sowie Strategien, Aktivitäten und Mittel zu deren Erreichung
- Grad, zu dem die im Antrag angegeben Ziele SMART (spezifisch, messbar, angemessen, realistisch und terminierbar) sind

Antrag: Von der Förderung profitierende(n) Produktentwicklung(en) (bis zu 40 Punkte)
- Vision, Strategie und zusätzlicher Nutzen der Produktentwicklung
- Auswirkung der BMBF-Förderung auf die PDP
- Bedarf für das entwickelte Produkt und zu erwartende Nachfrage und mögliche Wirkung auch im Vergleich zu anderen ähnlichen Initiativen
- Potentieller Nutzen und Auswirkungen auf Armut der Bevölkerung in Entwicklungsländern
- Existierendes Angebot/Forschungsbedarf in diesem Bereich
- Kosten-Nutzen-Verhältnis der BMBF-Investition
- Projektplan, Budgetplan
- Umsetzungsstrategie (Unterstützung bei der Registrierung und/oder der Präqualifizierung) für den Marktzugang

Die Prüfung der Anträge aus formeller und betriebswirtschaftlicher erfolgt durch das BMBF bzw. die Mittlerorganisation. Die fachliche Prüfung erfolgt durch einen unabhängigen, international besetzten Gutachterkreis. Das daraus resultierende Ergebnis wird in Form einer Förderempfehlung an das BMBF gegeben. Das BMBF trifft im Anschluss die finale Förderentscheidung.

8 Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Berlin, den 19. Oktober 2015

Bundesministerium für Bildung und Forschung
Im Auftrag:
Dr. Renate Loskill

1HIV, Tuberkulose, Malaria, die von der WHO priorisierten 17 vernachlässigten Tropenkrankheiten (http://www.who.int/neglected_diseases/diseases/en ) sowie neu bzw. wiederauftretende Infektionskrankheiten mit besonderer Bedeutung für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, wie z. B. Ebola.

2In jeder Bewertungskategorie müssen mindestens zwei Drittel der jeweils angegebenen Maximalpunktzahl erreicht werden.