Rückfällen rechtzeitig vorbeugen - Ein neuer Marker soll die Früherkennung von Leukämie-Rückfällen verbessern

Die akute lymphoblastische Leukämie ist die häufigste Krebserkrankung bei Kindern. Auch wenn eine Therapie zunächst Erfolg versprechend verläuft, kommt es doch bei manchen Patienten zu Rückfällen. Hierfür sind Krebszellen verantwortlich, die der Behandlung widerstehen. In einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes NGFN-Plus geförderten Studie wurde nun ein neuer Marker auf diesen hartnäckigen Zellen entdeckt, der zukünftig eine genauere Krankheitsprognose erlauben könnte, um so den betroffenen Patienten in Zukunft eine besser zugeschnittene Behandlung zu ermöglichen.

In Deutschland erkranken im Durchschnitt drei von 100.000 Kindern unter 15 Jahren an einer bestimmten Blutkrebsvariante, der akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL). Die Heilungsrate konnte in den vergangenen 30 Jahren deutlich verbessert werden und beträgt heute durch optimierte chemotherapeutische Behandlungsstrategien bis zu 80 Prozent. Das bedeutet aber auch, dass das Risiko eines Krankheitsrückfalls immer noch bei fast 20 Prozent liegt. Ein Patient, bei dem die Krankheit erneut ausbricht, hat zudem langfristig eine deutlich geringere Überlebenschance im Vergleich zu einem erstmals erkrankten Patienten. Die Rückfallgefahr frühzeitig zu erkennen und einen Rückfall gezielt zu verhindern, ist also eine vielversprechende Strategie.

Einige Zellen widerstehen der Behandlung

„Bei der ALL müssen die Krebszellen mithilfe der Chemotherapie rasch und vollständig eliminiert werden, um die Gefahr von Krankheitsrückfällen zu minimieren“, betont Dr. Leonid Karawajew von der Charité - Universitätsmedizin Berlin.
Vorzeichen von Rückfällen sind Leukämiezellen, die die Therapie unbeschadet überstanden haben. Ihr Auftreten wird als minimale Resterkrankung (MRD für engl. minimal residual disease) bezeichnet. Diese MRD-Zellen frühzeitig im Blut oder Knochenmark zu erkennen, ist das Ziel von Dr. Karawajew: „Ein rechtzeitiger MRD-Nachweis erlaubt eine bessere und auf den individuellen Patienten angepasste Therapie.“

Marker verrät gefährliche Zellen

Die zellbiologischen Eigenschaften von therapieresistenten MRD-Zellen sind bislang weitgehend unbekannt. Ihre Untersuchung wird dadurch erschwert, dass sie neben den normalen Blutzellen oftmals nur in sehr geringer Zahl vorkommen. Aus diesem Grund wurde vom Charité-Wissenschaftler Peter Rhein ein experimentelles Verfahren etabliert, das eine molekularbiologische Untersuchung der MRD-Zellen ermöglicht. Aus Patientenproben isolierte Rhein zu verschiedenen Therapiezeitpunkten die Leukämiezellen anhand ihrer charakteristischen Oberflächeneigenschaften und ermittelte anschließend ihre Genaktivität. „Dabei konnten wir Gene identifizieren, die für das Verhalten der Leukämiezellen während der Therapie eine Rolle spielen“, erklärt Rhein. Den Berliner Forschern gelang es, das Adhäsionsmolekül CD11b auf den therapieresistenten Leukämiezellen nachzuweisen. „CD11b hat gutes Potenzial als Prognosemarker. Ist CD11b auf den Leukämiezellen vorhanden, spricht der Patient schlechter auf die Behandlung an. Das MRD-Risiko ist bei diesen Patienten fünfmal höher“, führt Dr. Karawajew aus. Da im Verlauf einer Therapie die CD11b-Menge auf den MRD-Zellen sogar noch zunimmt, können die widerstandsstarken Zellen über den neuen Marker leichter entdeckt werden. „Gemeinsam mit anderen molekularen Parametern könnte ein CD11b-Nachweis helfen, das Rückfallrisiko für den Patienten besser vorherzusagen. Die Therapie könnte dann rechtzeitig intensiviert und damit verbessert werden“, betont Prof. Dr. Christian Hagemeier, Koordinator des NGFN-Plus-Verbundes Leukämie und Co-Autor der Studie. Die Entdeckung hat noch einen weiteren Vorteil. Dr. Karawajew: „Da sich CD11b direkt auf der Zelloberfläche der Krebszellen befindet, handelt es sich zudem um einen Marker, der sich leicht nachweisen und in bereits vorhandene Nachweismethoden – wie die antikörperbasierte Durchflusszytometrie – einbauen lässt.“

Vielleicht schlummert in der Entdeckung der Wissenschaftler sogar zusätzliches Potenzial. Da Adhäsionsmoleküle wie CD11b Wechselwirkungen zwischen Leukämie- und Knochenmarkzellen vermitteln, könnte genau dieses Zusammenspiel auch eine direkte Rolle bei der Entstehung von Leukämie-Rückfällen spielen. Diese Zusammenhänge sollen im Rahmen von NGFN-Plus im Programm der Medizinischen Genomforschung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) näher untersucht werden.

Die akute lymphoblastische Leukämie – ALL

Die akute lymphoblastische Leukämie (ALL) ist eine Blutkrebsvariante, an der in Deutschland im Durchschnitt drei von 100.000 Kindern unter 15 Jahren erkranken. Ursache der häufigsten Form der ALL ist die übermäßige Vermehrung einer bestimmten Art von weißen Blutkörperchen, der B-Vorläuferzellen. Durch die starke Überproduktion dieser Zellen wird die Bildung anderer lebenswichtiger Zellen im Knochenmark unterdrückt. So kommt es unter anderem zu Symptomen wie Blutungen nach minimaler Verletzung, da durch einen Mangel an Blutplättchen die Blutgerinnung beeinträchtigt ist. Auch können die Patienten aufgrund einer verminderten Anzahl Sauerstoff transportierender roter Blutkörperchen unter Erschöpfungszuständen leiden.

Ansprechpartner:
Dr. Leonid Karawajew
Experimental and Clinical Research Center
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Lindenberger Weg 80
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Tel.: 030 450540-381
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E-Mail: leonid.karawajew@charite.de