Gefährliches Duo: Diabetes und Depression

Rund ein Viertel aller Diabetiker leidet an depressiven Verstimmungen. Ein riskantes Duo, denn depressive Verstimmungen mindern nicht nur die Lebensqualität. Sie erhöhen auch das Risiko für einen ungünstigen Verlauf des Diabetes. Eine Studie untersucht nun, wie älteren Diabetikern mit depressiven Verstimmungen am besten geholfen werden kann.

Wer an der Volkskrankheit Diabetes mellitus leidet, muss lernen, seinen Alltag der Krankheit anzupassen. Nicht selten leiden Diabetikerinnen und Diabetiker darunter, dass die Krankheit ihren Tagesablauf bestimmt. „Das ist einer der Gründe, warum Patienten mit Diabetes mellitus etwa doppelt so häufig Depressionen bekommen wie Menschen mit einem gesunden Stoffwechsel“, beschreibt Prof. Dr. Frank Petrak von der Ruhr-Universität Bochum. Nach aktuellen Schätzungen verspürt rund ein Viertel der Diabetes-Patienten depressive Verstimmungen, und etwa jeder zehnte Diabetiker leidet bereits an Depressionen. Dies kann schwerwiegende Folgen haben, denn Menschen mit Diabetes und Depressionen können den Anforderungen einer Diabetesbehandlung weniger gut gerecht werden. „Wer eine gedrückte Stimmung hat, sich antriebslos fühlt und unter Konzentrations- und Schlafstörungen leidet, kann oftmals die Diabetestherapie nicht bewältigen oder schafft es nicht, sich ausreichend zu bewegen“, sagt der Psychologe. Nicht zuletzt deshalb ist der Krankheitsverlauf des Diabetes bei depressiven Patienten deutlich schlechter. So treten zum Beispiel Spätfolgen wie Gefäß-, Augen- und Nierenschäden sowie Erkrankungen von Herz und Kreislauf bei depressiven Diabetikern vermehrt auf. „Depressive Diabetiker sind also deutlich größeren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und ihre Lebenserwartung ist geringer als die von psychisch gesunden Diabetes-Patienten.“

Eine Verhaltenstherapie speziell für Diabetiker

Damit depressive Diabetiker ihren Blutzucker auf Dauer in den Griff bekommen, sollten die Depressionen gezielt behandelt werden. Bisher gibt es allerdings kaum Psychotherapien, die an die Bedürfnisse von Diabetikern angepasst sind. Aus diesem Grund hat die Arbeitsgruppe um Professor Petrak eine Verhaltenstherapie speziell für depressive Diabetiker entwickelt.

„In der Gruppentherapie lernen die Patienten zum Beispiel, ihre Krankheit zu akzeptieren und in den Alltag zu integrieren.“ Wie gut diese Verhaltenstherapie wirkt, wird derzeit in zwei Studien vom Kompetenznetz Diabetes mellitus mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) untersucht.

In der ersten Studie, der Diabetes-Depressions-Studie, werden mehr als 250 Typ-1- oder Typ-2-Diabetiker mit Depressionen und einer schlechten Blutzuckereinstellung im Alter bis 65 Jahre entweder mit einem antidepressiven Medikament oder mit der diabetesspezifischen Verhaltenstherapie behandelt. Untersucht wird vor allem, welche Therapieform am ehesten die Depressionen lindert und den Patienten dabei hilft, ihren Blutzucker gut zu kontrollieren. Professor Petrak: „Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir zwar noch nicht, ob depressiven Diabetikern eher mit unserer Verhaltenstherapie oder mit der medikamentösen Behandlung geholfen werden kann. Wichtig ist aber, dass eine Depression erkannt und behandelt wird!“ Denn in etwa zwei Drittel der Fälle bleiben depressive Symptome bei Diabetikern unerkannt.

Teilnehmer gesucht!

„In unserer zweiten Studie, MIND-DIA, geht es uns speziell um Patienten im Alter von 65 bis 85 Jahren mit Diabetes mellitus Typ 2 und leichten depressiven Verstimmungen“, so der Experte. „Denn die Sterblichkeitsrate von älteren Diabetikern, die unter leichten Depressionen leiden, ist bis zu fünfmal höher als bei älteren Diabetikern ohne psychische Störung.“ In der Studie soll die Wirksamkeit der diabetesspezifischen Verhaltenstherapie im Vergleich zu einer angeleiteten Gesprächs- und Aktivitätsgruppe „Erfolgreich altern mit Diabetes“ und einer intensiven ärztlichen Standardbehandlung untersucht werden. „Bei dieser ärztlichen Standardbehandlung handelt es sich aber nicht zwangsläufig um die Verschreibung von antidepressiven Medikamenten. Der Arzt kann zum Beispiel auch eine Psychotherapie empfehlen oder stützende Gespräche mit dem Patienten führen“, erklärt Professor Petrak. In der Studie MIND-DIA soll in erster Linie überprüft werden, ob die verschiedenen Therapien die Lebensqualität der Patienten steigern können. „Wir wollen natürlich auch herausfinden, bei welcher Behandlung sich die depressiven Verstimmungen der Patienten am effektivsten verbessern.“ Professor Petrak: „Wer Interesse hat, an der Studie teilzunehmen, kann sich gerne bei uns melden.“

An der Studie können sich Patientinnen und Patienten beteiligen, die an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind, zwischen 65 und 85 Jahre alt sind, leichte depressive Verstimmungen haben und im Ruhrgebiet oder im Rhein-Main-Gebiet wohnen.

Interessierte können sich unter der folgenden Hotline-Nummer melden: 0234 5077-3223.

Kompetenznetz Diabetes mellitus

Das „Krankheitsbezogene Kompetenznetz Diabetes mellitus“ wird seit 2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ziel des Netzwerkes ist es, neue Erkenntnisse über die Entstehung, die Prävention und die Behandlung des Diabetes mellitus zu gewinnen und dadurch die Vorsorge und Therapie in der Bevölkerung zu verbessern. Ein Schwerpunkt des Kompetenznetzes ist der Wissenstransfer aus der Forschung in die Praxis. Hierfür haben sich sieben Forschungsverbünde aus Deutschland zu einem Expertennetzwerk zusammengeschlossen. Das Kompetenznetz Diabetes soll bis zum Jahr 2020 fortgeführt und ausgebaut werden. Für die erste Förderphase erhalten die Forscherinnen und Forscher insgesamt mehr als zehn Millionen Euro.

Diabetes mellitus – die Zuckerkrankheit

Diabetes ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen, bei denen die Aufnahme von Glukose (Traubenzucker) in die Zellen gestört ist. Ursache ist ein Botenstoff, das Insulin, das bei Diabetikern entweder nicht gebildet wird oder wirkungslos ist. Bei Gesunden wird dieses Hormon in den sogenannten Betazellen der Bauchspeicheldrüse produziert. Es öffnet die Membranen von Leber-, Fett- und Muskelzellen für Glukosemoleküle. Steigt der Glukosespiegel im Blut, gibt Insulin den Zellen das Signal, den Zucker aufzunehmen. So wird für ausreichend Energie gesorgt und der Blutzuckerspiegel konstant gehalten. Bei Diabetikern ist die Regulation des Blutzuckerspiegels auf unterschiedliche Weise gestört.

Der Typ-1-Diabetes manifestiert sich häufig bereits in der Kindheit: Das Immunsystem der betroffenen Patienten zerstört die Betazellen der Bauchspeicheldrüse. Schuld daran haben Variationen im Erbgut der Patienten, die die Oberfläche der Insulin produzierenden Zellen so verändern, dass das Immunsystem sie nicht mehr als körpereigene Zellen erkennt und sich gegen sie richtet. Als Folge gibt die Bauchspeicheldrüse kein oder zu wenig Insulin ins Blut ab, Glukose wird von den Körperzellen nicht mehr aufgenommen.

Die häufigste Form der Zuckerkrankheit ist der Typ-2-Diabetes. Zwar liegen ihm genetische Anlagen zugrunde, sein bedeutendster Auslöser ist aber ein ungesunder Lebensstil. Beim Typ-2-Diabetes sind die Empfängerzellen genetisch bedingt weniger empfindlich gegenüber Insulin. Aber erst ein ungesunder Lebensstil führt zu einer andauernden Insulinresistenz. Dann antworten die Zellen nicht mehr auf das Signal des Botenstoffs und bleiben für Glukose undurchlässig.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Frank Petrak
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum
Schulberg 7-9
65183 Wiesbaden
Tel.: 0611 17478-41
Fax: 0611 17478-42
E-Mail: mail@dr-frank-petrak.de