Aromaforschung: Was ist drin in Muttermilch - Von Mythos und Realität

„Kann ich das essen – oder schmeckt dann meinem Baby die Milch nicht mehr?“ Welche stillende Mutter treibt nicht diese Frage um? Eine Nachwuchsforschungsgruppe um Professorin Dr. Andrea Büttner will sie nun beantworten. Mithilfe der Aromaforschung will sie Geschmacks- und Geruchsstoffe aufspüren und nachweisen, welche davon wirklich mit der Muttermilch aufgesogen werden. (Newsletter 64 / Oktober 2013)

Bildquelle: ThinkstockBrust oder Flasche – verändert sich dadurch der Geschmackssinn des Babys?Frau Schmidt*) schüttelt den Kopf. Schon wieder rührt ihre Tochter Marie den Fisch, der lecker zubereitet auf dem Teller liegt, nicht an. Ihr Sohn Markus hingegen freut sich über die zusätzliche Portion, die er essen darf. „Ich habe beide Kinder gestillt. Und während der Stillzeit habe ich mich ausgewogen ernährt, damit auch meine Kinder schon früh möglichst viele unterschiedliche Aromen kennenlernen und eben später lieber gesunde Sachen essen“, erzählt Frau Schmidt. Wie sie denken viele Frauen. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass alles das, was die Mutter isst, auch durch die Muttermilch auf das Kind übertragen wird.

Trinken Babys à la carte?

Aber trifft das zu? Kann die stillende Mutter durch ihre Ernährung bestimmen, was in der Muttermilch enthalten sein soll? Trinken Babys sozusagen à la carte? „Wir sind selbst erstaunt, wie wenig bisher darüber bekannt ist, welche Geruchs- und Geschmacksstoffe tatsächlich in die Muttermilch übergehen“, sagt Professorin Dr. Andrea Büttner. Ihre Nachwuchsforschungsgruppe an der Universität Erlangen wurde in den letzten fünf Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Mit ihren Kollegen und Kolleginnen erforscht sie, welchen Einfluss die mütterliche Ernährung auf die Zusammensetzung der Muttermilch haben kann. Erste Ergebnisse zeigen, dass nicht alles so ist wie vermutet. So gehen bestimmte typische Geruchsstoffe nicht automatisch in die Muttermilch über. Ein Beispiel: In einer Studie von Büttner haben stillende Frauen Fischölkapseln ergänzend zu ihrer normalen Ernährung zu sich genommen. Diese Fischölkapseln enthalten viele Omega-3-Fettsäuren und gelten deshalb als gesundes Nahrungsergänzungsmittel. Anschließend untersuchte die Erlanger Forscherin, ab welchem Zeitpunkt die typischen Aromastoffe in den Proben der Muttermilch messbar sind. Das Ergebnis überraschte alle: Die Milch blieb unverändert, egal ob die Frauen Fischölkapseln zu sich nahmen oder nicht. „Die für den fischigen Geruch und Geschmack verantwortlichen Stoffe reichen anscheinend nicht aus bzw. werden durch die Mutter so weit abgebaut, dass sie nicht in relevanten Mengen in die Milch gelangen“, erklärt Büttner.

Bei der Untersuchung der Proben haben sich die Forscher und Forscherinnen nicht nur auf Messapparaturen verlassen, die geringste Mengen einer Substanz chemisch nachweisen können, sondern auch auf trainierte Nasen von Aromaexperten. Denn oftmals kann ein Cocktail von Stoffen, die einzeln nicht geruchsaktiv sind, zusammen zu unerwarteten Geruchserlebnissen führen.

Was passiert mit der Milch beim Lagern?

Bildquelle: BananaStock, ThinkstockViele Mütter pumpen ihre Milch ab und lagern sie. Für das Kind ist das nicht schädlich.Fast zufällig hat die Nachwuchswissenschaftlerin gelagerte Proben von Muttermilch untersucht. Sie bemerkte einen typischen „metallisch-fischigen“ Geruch. Muttermilch, die länger als drei Tage im Kühlschrank oder zwei Monate im Gefrierfach aufbewahrt wird, weist diesen besonderen Geruch mit einer „schweißigen“ und „ranzigen“ Note auf, so die professionelle Beschreibung des Bouquets. „Erwachsene würden sich wahrscheinlich übergeben, wenn sie das trinken müssten“, sagt Büttner, die auch ab und zu an den Proben schnüffelt. Ursache für diesen Geruch ist ein ganz gewöhnlicher Abbauprozess, den Fachleute als Oxidation umschreiben: Die Fette in der Muttermilch werden trotz der Kühlung langsam abgebaut. Eine bestimmte Gruppe dieser abgebauten Substanzen verursacht dann den für uns unangenehmen Geruch. Die Wissenschaftlerin gibt aber auch gleich Entwarnung: „Die gelagerte Milch ist vermutlich nicht schädlich für das Kind.“ Viele berufstätige Mütter pumpen ihre Milch ab, lagern sie kühl oder frieren sie ein und füttern das Baby später damit. Auch Mütter von „Frühchen“ müssen ihre abgepumpte Milch oft zwischenlagern, bevor sie ihr Kind damit füttern können. Und generell lassen sich die Babys die so gelagerte Milch auch ungerührt schmecken. Ein Hinweis dafür, dass bestimmte Vorlieben oder Abneigungen bei Babys nicht, wie bisher angenommen, angeboren sind, sondern erst im Laufe der ersten Wochen und Monate ausgebildet werden.

Einfluss auf spätere Ernährung?

Ist das einer der Gründe, warum Markus den Fisch mag und Marie nicht? Vielleicht. Frau Schmidt war berufstätig, als sie Markus noch stillte. Sie hat die Milch abgepumpt und gelagert. Daran gerochen hat sie nie. „Es kann sein, dass sich der Geruchs- und Geschmackssinn bei Markus durch den Verzehr gelagerter Milch anders entwickelt hat als bei seiner Schwester. Vielleicht mag er deshalb Fisch und sie nicht“, erklärt Büttner.

Nach dem Fischöl untersuchen die Wissenschaftler jetzt weitere Aromen aus Lebensmitteln und inwiefern sie sich in der Muttermilch wiederfinden. Eukalyptusaromastoffe, wie sie gerne in der Erkältungszeit eingenommen werden, können beispielsweise, je nach Dosierung, in die Muttermilch übergehen. „Es gibt noch viele Substanzen, die wir untersuchen wollen, besonders auch im Hinblick auf die Prägung des Geschmackssinns und eine spätere gesunde Ernährung“, plant Büttner. „Dank der BMBF-Förderung konnten wir in den vergangenen fünf Jahren eine solide Grundlage schaffen für unsere zukünftige Forschung.“

Für ihre Forschungsarbeiten zur langfristigen kindlichen Prägung durch das Stillen wurden Büttner und ihr Team kürzlich mit dem Nutricia-Wissenschaftspreis 2013 ausgezeichnet.

 


Nachwuchsförderung in der Ernährungsforschung
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im bundesweiten Wettbewerb „Molekulare Grundlagen der humanen Ernährung“ selbstständige Nachwuchsgruppen gefördert. Qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler hatten mit dem Fördergeld die Möglichkeit, sich mit einer eigenen Arbeitsgruppe in der internationalen Wissenschaft zu etablieren. Gefordert war, bisher ungeklärte Forschungsfragen mit neuartigen Ansätzen zu beantworten.
Die Arbeitsgruppe um Andrea Büttner war eine von sieben Nachwuchsgruppen und erforscht unter anderem die geruchs- und geschmacksaktiven Stoffe in der Muttermilch. Sie wurde hierfür ab 2007 für fünf Jahre mit insgesamt 1,5 Millionen Euro vom BMBF unterstützt. Seit Juni 2013 ist Andrea Büttner Professorin für Lebensmittelchemie am Lehrstuhl für Lebensmittelchemie der Universität Erlangen-Nürnberg.

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Andrea Büttner
Lehrstuhl für Lebensmittelchemie
Emil Fischer Center
Schuhstraße 19
91052 Erlangen
Tel.: 09131 85-22739
Fax: 09131 85-22587
E-Mail: andrea.buettner@fau.de

*) Namen von der Redaktion geändert