Atemwegsinfektionen bei Kindern - Frühwarnsystem ermöglicht schnelles Handeln

Akute Atemwegsinfektionen bei Kindern wie Bronchitis oder Lungenentzündung, auch bezeichnet als akute respiratorische Infektionen (ARI), sind für eine Vielzahl von Arztbesuchen und Krankenhauseinweisungen verantwortlich. Außerdem wird diskutiert, dass beispielsweise Asthma eine Spätfolge der Infektionen sein könnte. Das infektionsepidemiologische Forschungsnetzwerk PID-ARI.Net (pediatric infectious diseases - acute respiratory tract infections network) hat sich daher zum Ziel gesetzt, mit modernen Nachweisverfahren die Verbreitung und Häufigkeit von akuten Atemwegsinfektionen bei Kindern bis zum 16. Lebensjahr zu erforschen. Die erhobenen Daten sollen in zukünftige Forschungsprojekte einfließen und die Entwicklung neuer Präventionsstrategien sowie besserer Behandlungsmethoden ermöglichen. Das PID-ARI.Net wird seit 1999 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit den Ziel gefördert, die Leistungsfähigkeit der infektionsepidemiologischen Forschung in Deutschland zu stärken und eine Brücke zwischen Forschung und Gesundheitswesen zu bauen.

16 Erreger gleichzeitig
An den Universitätsstandorten Kiel, Mainz und Freiburg arbeiten Krankenhäuser, Kinderarztpraxen und der Öffentliche Gesundheitsdienst im Rahmen des PID-ARI.Net zusammen. Hier werden Kinder mit schweren Infektionen der tiefen Atemwege, zum Beispiel der Bronchien oder der Lunge, untersucht. Der Erregernachweis erfolgt dabei aus dem Nasen-Rachen-Sekret (Nasopha-yngealsekret, NPS). Es wird zur Diagnostik nach Kiel verschickt und dort im mikrobiologischen Labor der Klinik für Allgemeine Pädiatrie der Christian-Albrechts-Universität mit einem speziellen Verfahren untersucht, dem so genannten Multiplex-PCR (polymerase chain reaction)-Verfahren. Die Methode kann bis zu 16 verschiedene Erreger gleichzeitig nachweisen. Sie ist effektiv und kostengünstig. Alle 16 Erreger einzeln zu erfassen, würde im Gegensatz dazu den Kosten und Arbeitsrahmen sprengen. Ebenso ist es nicht sinnvoll, nur einen einzigen oder wenige Erreger herauszugreifen, denn die Symptome tiefer Atemwegsinfektionen sind insbesondere bei Kindern unspezifisch. Hinzu kommt, dass die Erregerzahl sehr groß ist und es wichtige Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Keimen gibt. Das PID-ARI.Net erhebt auch klinische Daten der Patienten. Diese können unmittelbar für weitergehende Untersuchungen verwendet werden, zum Beispiel für die Analyse von Risikofaktoren. Außerdem werden die Patienten in weiterführende Spezialprojekte eingebunden.

Web &Warn-System bietet umfangreiche Informationen
Die im PID-ARI.Net gewonnenen Daten werden in wissenschaftlichen Publikationen, einem Newsletter und unmittelbar in einem so genannten Web-basierten Frühwarnsystem (Web & Warn-System) veröffentlicht. In Deutschland gab es bisher kein entsprechendes Überwachungssystem, das Daten zu mehreren Erregern von akuten Atemwegsinfektionen bei Kindern liefert. Die Informationen sollen das Bewusstsein für die Verbreitung von akuten Atemwegsinfektionen im Kindesalter schärfen und die medizinische Versorgung weiter verbessern. Außerdem bietet das Web &Warn-Systems Ärzten die Möglichkeit, schnell auf bestimmte Infektionskrankheiten zu reagieren: So sollen sie zum Beispiel bei einer Epidemie mit RS-Viren in der Lage sein, Kinder mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf rechtzeitig durch eine passive Impfung zu schützen. Dabei bekommen Kleinkinder spezielle Antikörper, die eine Erkrankung verhindern. RS-(Respiratory syncytial)Viren sind vor dem zweiten Lebensjahr die häufigsten Erreger von akuten Atemwegsinfektionen und können eine Bronchitis oder eine Lungenentzündung verursachen.

Unter http://www.pid-ari.net/ gelangt der Besucher auf die Startseite des infektionsepidemiologischen Forschungsnetzwerkes. Von dort aus hat er Zugriff auf weitere Informationen zur Mikrobiologie, Epidemiologie und Immunologie von ARI bei Kindern. Unter der Rubrik "WebWarn" können Interessierte zwischen "Wochenübersicht", "Kommentare" und "Jahresübersicht" wählen. Seit Oktober 2002 werden hier mit wöchentlicher Aktualität die Daten zu den 16 untersuchten Erregern veröffentlicht. Die Kommentare liefern Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Erregern und ihrer Epidemiologie. Sie listen aktuelle Literaturangaben auf und informieren darüber, wie die einzelnen Krankheitskeime zur Zeit verbreitet sind. Außerdem geben sie eine Vorhersage dazu, wann mit einem erneuten Ausbruch des Erregers zu rechnen ist.

Eine Vielzahl von Ergebnissen
Das infektionsepidemiologische Forschungsnetzwerk kann schon viele Erfolge verzeichnen. Bisher wurden die Aktivitäten auf solche Erreger konzentriert, für die es bereits Impfungen gibt beziehungsweise demnächst geben wird. Hier seien auszugsweise einige Ergebnisse genannt:
Das Netzwerk hat umfangreiche Daten zu RS-Viren zusammengestellt. Sie beschreiben, wie häufig die Erkrankung in bestimmten Bevölkerungsgruppen vorkommt, wie sie von der Jahreszeit abhängt und welche Risikofaktoren eine Rolle spielen. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass es unmöglich ist, das RS-Virus anhand der klinischen Symptome zu identifizieren und dass somit der Labordiagnostik eine zentrale Rolle zukommt.
PID-ARI.Net konnte nachweisen, dass Infektionen mit Grippe-(Influenza-)Viren zwar seltener Beschwerden machen als solche mit RS-Viren, Influenza-infizierte Kinder das Virus aber häufig an Spielkameraden, Geschwister aber auch Eltern und andere Erwachsene weitergeben. Sie haben also großen Einfluss darauf, wie sich die Grippe in der Bevölkerung ausbreitet. Außerdem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Kinder mit Herzleiden und Asthma häufiger an einer schweren Grippe erkranken als andere Kinder. Bald werden Lebendimpfstoffe zur Verfügung stehen, die als Nasenspray verabreicht werden können und eine noch leichtere und umfangreichere Vorbeugung gegen Grippe erlauben als bisher. Im Gegensatz zur bisherigen Meinung, dass nur Schulkinder an einer Infektion mit Mykoplasmen erkranken, konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass 25 Prozent der Kinder, die aus diesem Grund ins Krankenhaus kommen, unter fünf Jahre alt sind. Mykoplasmen sind die kleinsten Bakterien. Sie haben keine Zellwand und verursachen Atemwegsinfektionen mit hartnäckigem, trockenem Reizhusten.
Erkrankungen mit Bordetella pertussis, dem Keuchhusten-Erreger, kommen weiterhin alle drei bis fünf Jahre gehäuft vor, obwohl seit 1991 eine besser verträgliche Impfung zur Verfügung steht und 90 Prozent der Kinder geimpft sind. Insgesamt ist die Zahl der Keuchhustenerkrankungen dadurch zwar drastisch zurückgegangen, junge Säuglinge vor dem Impfalter können aber immer noch lebensgefährlich erkranken. In den Untersuchungen zur Immunität gegenüber Keuchhusten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das Immunsystem von Erwachsenen ganz anders als das von Kindern auf die Erreger reagiert. Diese Erkenntnis ist wichtig, um die Effizienz der eingesetzten Impfstoffe zu verbessern.

Ansprechpartner:
Dr. med. Josef Weigl
Pädiatrische Infektiologie
Klinik für Allgemeine Pädiatrie
Schwanenweg 20
24105 Kiel
Tel.:0431/5 97-16 78
Fax:0431/5 97-16 80
E-Mail: weigl@pediatrics.uni-kiel.de
Internet: http://www.pid-ari.net/

BMBF-Förderung
Förderschwerpunkt: Infektionsepidemiologische Forschungsnetzwerke "Atemwegsinfektionen bei Kindern"
Laufzeit:1999 -2005
Fördersumme:ca.3,7 Mio. Euro
In PID-ARI.Net arbeiten an den Standorten Kiel, Freiburg und Mainz insgesamt drei Universitätskinderkliniken, drei städtische Kinderkliniken, acht kinderärztliche Praxen und der Kinder- und Jugendärztliche Dienst des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zusammen. Das Netzwerk besteht derzeit aus drei so genannten epidemiologischen Rekrutierungssystemen, einer zentralen Netzwerk-Ressource (Kiel) und sechs Spezialprojekten: Immunantwort bei ARI (Mainz), molekulare Epidemiologie (Freiburg), Kohorten-Studie zur Resistenzentwicklung bei kolonisierenden Bakterien (Freiburg), Kohorten-Studie Spätfolgen nach ARI (Freiburg), Web &Warnsystem (Kiel/Mainz), Newsletter (Mainz).