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Coronavirus kann im Labor Herzzellen infizieren


DZHK-Forscherinnen und Forscher konnten in Labormodellen zeigen, dass SARS-CoV-2 Herzmuskelzellen befallen kann. Copyright: Julian Wagner


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Herzmuskelzellen können in Labormodellen durch das Coronavirus infiziert werden, fand ein Team aus mehreren Arbeitsgruppen des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) heraus. Das Virus verwendet aber einen etwas anderen Mechanismus als bei Lungenzellen. Sollte sich eine direkte Infektion des Herzens auch im menschlichen Körper nachweisen lassen, hätten die Forscher schon einen Wirkstoffkandidaten parat.

SARS-CoV-2 greift vor allem die Lunge an, ein Teil der Patienten bekommt aber auch Herzprobleme. Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung wollten wissen, ob die Herzprobleme als Reaktion auf die Entzündung der Lunge entstehen, oder ob Zellen des Herz-Kreislauf-Systems auch direkt infiziert werden können.

Virus-Isolat vom ersten deutschen Corona-Patienten verwendet

„Wir haben dafür alle verfügbaren Labormodelle von verschiedenen DZHK-Standorten genutzt“, sagt Stefanie Dimmeler von der Goethe-Universität Frankfurt, die die Versuche koordiniert hat.

Als erstes untersuchten sie Herzzellen aus pluripotenten Stammzellen. Das sind Zellen, die aus anderen Körperzellen zu Herzmuskelzellen umprogrammiert werden. Diese versetzten sie mit zwei Isolaten des ersten deutschen Corona-Patienten, der im März aus Wuhan nach Deutschland zurückgekehrt war.

Die Forscher konnten zeigen, dass die Zellen das Virus aufnehmen, dass die Virus-RNA sich vermehrt und dass das virustypische Spike-Protein gebildet wird. Die Flüssigkeit über den Zellen infizierte wiederum andere Zellen, die normalerweise für solche Versuche im Labor verwendet werden, was ebenfalls ein Beleg für die Infektion der Herzzellen ist.

Herzschlag der Miniherzen wird schneller

Sie beobachteten auch den „Herzschlag“, denn Herzzellen zucken im Reagenzglas wie Miniherzen. „Die Zellen bekommen richtig Stress, wenn sie dem Virus ausgesetzt werden. Die sogenannte 'beating rate' geht erst steil nach oben und fällt nach drei Tagen ab, weil die Zellen sterben“, erläutert Dimmeler.

Um das Herz als Organ nachzubilden, bauten die Forscher aus Herzmuskelzellen, Blutgefäßzellen und Bindegewebszellen kleine Zellklümpchen. Auch in diesen wiesen sie nach, dass das Spike-Protein gebildet wird. Schließlich untersuchten sie mit denselben Methoden echtes menschliches Herzgewebe, worin sich das Virus ebenfalls vermehrte.

Mögliches Medikament für Herzinfektion

Gaben die Wissenschaftler zu all den Versuchen Wirkstoffe wie Remdesivir, die das Virus daran hinderten die Herzzellen zu befallen, war kein Anstieg von Virus-RNA und Spikeprotein nachweisbar - das Virus konnte sich nicht vermehren.

Spannend ist: Herzmuskelzellen fehlt das Membranprotein TMPRSS2, welches das Coronavirus in Lungenzellen neben dem ACE2-Rezeptor benötigt, um in die Zellen einzudringen. In Herzmuskelzellen benutzt es dazu ein anderes Protein, das Cathepsin. Wirkstoffe, die dieses Protein hemmen, heißen Cathepsin-Inhibitoren und konnten in den Laborversuchen die Virusvermehrung in den Herzmuskelzellen stoppen.

Inwieweit sich das Ganze auf Patienten übertragen lässt, ist noch unklar. „Die Herzmuskelzellen sind normalerweise gut geschützt, da das Virus erst die Gefäßbarriere durchdringen muss. Um den Virusbefall des Herzens im menschlichen Körper in der Akutphase zu untersuchen, müssten wir bei Erkrankten regelmäßig Biopsien aus dem Herzen entnehmen, was fast unmöglich ist“, sagt Dimmeler. Sie kann sich aber vorstellen, dass man Patienten, die problematische Herzreaktionen zeigen, mit Cathepsin-Inhibitoren behandeln könnte.

Beteiligte DZHK-Standorte: Hamburg, Frankfurt, München, Berlin

Originalpublikation: SARS-CoV-2 infects and induces cytotoxic effects in human cardiomyocytes.  Bojkova et. al.,  Cardiovascular Research, cvaa267, https://doi.org/10.1093/cvr/cvaa267

Wissenschaftlicher Kontakt: Prof. Stefanie Dimmeler, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Kardiovaskuläre Regeneration – Zentrum für Molekulare Medizin, dimmeler(at)em.uni-frankfurt.de