Der epigenetische Code legt fest, wann in unseren Körperzellen welche Teile des Erbguts aktiviert werden – und wann nicht. Welchen Einfluss hat die Ernährung auf die so kontrollierte Genaktivität und kann sie sie nachhaltig verändern?
Mit Hilfe großangelegter, oft automatisierter Versuchsreihen analysieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Epigenom von gesunden und erkrankten Menschen.
NGFN/BMBF
Nicht nur die Gene selbst, sondern auch der epigenetische Code kann unseren Lebenslauf bestimmen. Er entscheidet mit, welche Eigenschaften, die wir vom Vater und von der Mutter geerbt haben, ausgeprägt werden. Er kann erklären, warum manchmal bei einem von zwei genetisch identischen Zwillingen eine Erbkrankheit ausbricht, beim anderen aber nicht. Er beeinflusst auch, ob eine gesunde Zelle ohne Mutationen zur Krebszelle entarten kann.
Chemische Schlösser regulieren die Genaktivität
Epigenetische Mechanismen wirken wie chemische Schlösser, die den Zugang zu bestimmten DNA-Sequenzen versperren oder freigeben – und so deren Ablesung kontrollieren. Manche epigenetischen Markierungen ändern sich im Tag-Nacht-Rhythmus, andere bleiben ein Leben lang bestehen, wieder andere werden sogar an Kinder und Enkelkinder vererbt. Welcher epigenetische Code sich bei einem Menschen etabliert und ob er sich im Laufe des Lebens verändert, bestimmen neben körpereigenen Signalstoffen auch Ernährung und Lebensführung.
Schon gewusst?
Die Nahrung macht eine Bienenlarve entweder zur Königin oder zur Arbeiterin. Gewöhnlicher Honig-Pollen-Brei sorgt dafür, dass entscheidende Entwicklungsgene stummgeschaltet werden. Große Mengen einer Fettsäure im königlichen „Gelée royale“ heben diese epigenetische Markierung auf, sodass die Gene abgelesen werden und den „Königsweg“ einleiten.
IHEC – ein internationales Forschungskonsortium
Um diese komplexen Zusammenhänge besser zu verstehen, haben 21 Arbeitsgruppen gemeinsam das Deutsche Epigenom-Programm, kurz DEEP, begründet. Zusammen mit der Europäischen Union sowie Forschungsverbünden aus Italien, USA, Kanada, Japan und Südkorea bildet es das International Human Epigenome Consortium „IHEC“.
Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte deutsche Team konzentriert sich auf Zellen, die bei der Entstehung von Fettleibigkeit, entzündlichen Darmerkrankungen und Arthritis beteiligt sind. Erste Befunde zeigen schon, dass die Epigenome gesunder und kranker Zellen unterschiedlich sind. „Wenn ich Zellen aus einem bestimmten Gewebe von zwei gesunden Menschen gleichen Alters und Geschlechts betrachte, dann finde ich, dass sie epigenetisch sehr eng verwandt sind. Zwischen Zellen von gesunden und erkrankten Menschen gibt es aber deutliche epigenetische Unterschiede. Wir bestimmen diese sehr genau. So erhalten wir neue Erklärungen für umwelt- und ernährungsassoziierte Ursachen bestimmter Krankheiten und ihrer Folgen“, sagt DEEP-Koordinator Prof. Jörn Walter von der Universität des Saarlandes.
Auch die Ernährung beeinflusst den epigenetischen Code
Wer sich über einen langen Zeitraum ungesund ernährt, verändert damit möglicherweise den epigenetischen Code in seinen Darm-, Fett- und Leberzellen. Prof. Jörn Walter beschreibt, welche negativen Folgen das haben kann: „Normalisiert sich die Ernährung, dann können diese Veränderungen wieder umgekehrt werden. Wir denken uns das wie eine Art molekularen Schalter, der zwischen zwei Stellungen wechseln kann. Wenn die ungesunde Ernährungsweise zu lange anhält, wird es immer schwieriger den Schalter wieder umzulegen. Selbst wenn die Ernährungssituation dann wechselt, bleiben einige der epigenetische ˏFinger´ auf dem Gen liegen und halten einen Zustand fest, als wäre der Schalter eingerostet.“