08.01.2020

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Feldspitzmäuse können tödliches Bornavirus übertragen

Eine Infektion mit Bornaviren verläuft meist tödlich. Bislang fielen vor allem Nutztiere dem Virus zum Opfer. Doch nun zeigen neuste Untersuchungen: Seit 1995 sind in Deutschland mindestens 14 Menschen in Folge einer Bornavirus-Infektion gestorben.

Aufnahme einer Feldspitzmaus, die auf einem Stein sitzt.

Die Feldspitzmaus ist ein sogenanntes Reservoir für das Bornavirus. Sie überträgt die Krankheit – erkrankt aber selbst nicht daran.

Mike Lane - stock.adobe.com

Ende 2019 starb in Deutschland ein elfjähriges Mädchen nach einer Infektion mit  dem „Borna disease virus 1“ (BoDV-1). Sie ist hierzulande eine von nachweislich 14 Menschen, bei denen das Virus seit 1995 eine tödliche Gehirnentzündung verursacht hat. Das konnten Forschende des „Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten“ im Verbundprojekt „ZooBoCo“ nachweisen, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kürzlich im Fachmagazin „The Lancet Infectious Diseases“ publiziert.

Was ist daran besonders?

Bislang wurden Bonaviren nur in Tieren wie Reptilien, Vögeln und Säugetieren nachgewiesen. Sogenanntes zoonotisches Potenzial war bis vor kurzem jedoch nur für das Bornavirus aus Bunthörnchen bekannt. Das bedeutet: Bei diesen Viren kam es in seltenen Fällen zu einer Übertragung auf den Menschen. Vier Todesfälle in Folge einer solchen Infektion sind bislang beschrieben. Doch die Ergebnisse der ZooBoCo-Forschenden zeigen nun, dass BoDV-1 aus Feldspitzmäusen häufiger auf den Menschen übertragen worden ist. „Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Infektion mit BoDV-1 als eine schwere und zumeist tödlich verlaufende menschliche Erkrankung angesehen werden muss“, so Martin Beer, Leiter des Instituts für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut.

Wie kommen die Forschenden zu diesem Ergebnis?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Hirnproben von 56 Patientinnen und Patienten, die zwischen 1995 und 2019 an einer Hirnentzündung erkrankt waren, systematisch auf das Bornavirus untersucht. In sieben Fällen konnten sie das Virus (BoDV-1) nachweisen. Alle Fälle kamen in Bayern vor.

Wie wird das Virus übertragen?

Das sogenannte Reservoir des Erregers stellt die Feldspitzmaus dar, die selbst nicht an der Infektion erkrankt. In der Mehrzahl der Fälle ist laut der Studie von einer Ansteckung durch Kontakt mit einer infizierten Feldspitzmaus bzw. ihren Ausscheidungen auszugehen. „Der genaue Übertragungsweg ist jedoch noch unbekannt. Eine Übertragung auf natürlichem Wege von Mensch zu Mensch, Pferd zu Pferd oder Pferd zu Mensch schließen wir nach den heutigen Erkenntnissen aus“, sagt Martin Beer.

Gibt es Grund zur Sorge?

Das Risiko einer Infektion ist äußerst gering. „Grund zur Panik gibt es nicht“, sagt Beer. Sollte es aber zur Bornavirus-Infektion kommen, verläuft diese sehr oft tödlich, da es keine spezielle Therapie gegen die Viren gibt. Als Symptome nennen die Forschenden: Kopfschmerzen, Fieber, Verwirrtheit sowie später neurologische Auffälligkeiten wie Sprachstörungen. Im weiteren Krankheitsverlauf können Erkrankte in Folge einer schweren Gehirnentzündung ins Koma fallen und sterben.

Welches Fazit ziehen die Forschenden?

„Wichtig ist, dass gerade Fälle von unklarer Enzephalitis in Gebieten, in denen BoDV-1 vorkommt, auf das Virus untersucht werden“, rät Beer. Zu den Risikogebieten in Deutschland gehören vor allem Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie Teile angrenzender Bundesländer.

Hintergrund

Der Verbund „ZooBoCo“ ist Teil des Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten. Dabei wird insbesondere der „One Health“-Ansatz (gleichzeitige Berücksichtigung human- und veterinärmedizinischer Aspekte) und der Transfer der Ergebnisse in die Anwendung des öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgt.
In der Studie arbeiteten Forschungsgruppen der Universitäten in Regensburg, München, Gießen und Freiburg sowie des Bernhard-Nocht-Institutes für Tropenmedizin in Hamburg und des FLI auf der Insel Riems zusammen.
Ziel des Verbundes ist es, eine integrative Risikobewertung sowie eine Schwachstellenanalyse zum sachgerechten Umgang mit Bornaviren vorzubereiten und durchzuführen – sowohl im veterinär- als auch humanmedizinischen Bereich.