April 2019

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Frühe Inhalationstherapie hilft Babys mit Mukoviszidose

Eine multizentrische Studie zeigt: Babys mit Mukoviszidose, die hochkonzentrierte Kochsalzlösung inhalieren, haben eine bessere Lungenfunktion als Babys, die eine isotone Salzlösung inhalieren.

Logo Deutsches Zentrum für Lungenforschung

Es ist weltweit die erste abgeschlossene kontrollierte Studie zu einer präventiven Therapie in diesem Alter. Durchgeführt wurde sie im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) unter Federführung des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg. Nicht-invasive Methoden zur zuverlässigen Erfassung früher Lungenschäden ermöglichten die Untersuchung. Die präventive Inhalationstherapie mit hypertoner Kochsalzlösung wird nun für Säuglinge und Kleinkinder mit Mukoviszidose empfohlen. Die teilnehmenden Studienzentren haben ihre Behandlung bereits entsprechend umgestellt.

Hoher Nutzen bei geringer Belastung für die kleinen Patienten

Kind mit Inhalationsgerät

Kinder mit Mukoviszidose müssen täglich mehrmals inhalieren, um die Lungen zu belüften. Die Studie zeigt, dass bei erkrankten Säuglingen eine frühe Inhalation mit hochkonzentrierter Kochsalzlösung besser ist als eine Inhalation mit isotoner Kochsalzlösung.

romrodinka/Thinkstock

„Die Studie belegt erstmals den Nutzen einer präventiven Therapie, die noch vor den ersten Symptomen im Säuglingsalter ansetzt. Darüber hinaus konnten wir in der Studie auch zeigen, dass sich die angewandten Untersuchungsverfahren – die Messung der Lungenbelüftung und die Magnetresonanztomografie – sehr gut eignen, um mit geringer Belastung für die Kinder Therapieeffekte zu überprüfen“, sagt Professor Dr. Marcus Mall, der die Studie am Universitätsklinikum Heidelberg geleitet und mittlerweile die Leitung der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie mit Intensivmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin übernommen hat. „Die Arbeit ebnet damit den Weg für die Entwicklung weiterer präventiver Therapien mit dem Ziel, die Entstehung von schweren Lungenschäden bei Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose zu verhindern oder zumindest deutlich aufzuhalten.“

An der Studie nahmen insgesamt 42 Babys mit Mukoviszidose teil, die allerdings noch keine Symptome der Erkrankung zeigten. Sie wurden zufällig einer Therapie- und einer Kontrollgruppe zugeteilt und während ihrer ersten drei Lebensmonate entsprechend behandelt. Die Lungenbelüftung sowie Wachstum und Gewichtsentwicklung wurden über ein Jahr lang verfolgt. Die Kinder der Therapiegruppe inhalierten zweimal täglich eine hypertone Kochsalzlösung, deren Salzgehalt über dem des Lungensekrets liegt. Diese Lösung trägt dazu bei, die Lungenoberfläche und den Schleim in den Atemwegen besser zu befeuchten. Die Babys der Kontrollgruppe erhielten dagegen eine isotone – in ihrer Konzentration dem Lungensekret entsprechende – Kochsalzlösung.

Die Lungenfunktion der Kinder wurde mittels Messung der Lungenbelüftung (Lung Clearance Index, LCI) erfasst. Dabei wird die Anzahl der Atemzüge ermittelt, die nötig sind, um die gesamte Luft in der Lunge einmal auszutauschen. „Diese Messung zeigt sehr empfindlich an, ob sich Atemluft in der Lunge staut, weil beispielsweise Schleimpfropfen oder Entzündungen die Luftzirkulation behindern“, erklärt Erstautorin Dr. Mirjam Stahl, Kinder-Lungenspezialistin am Mukoviszidosezentrum und am Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg. Zäher Schleim in den kleinen Atemwegen erschwert nicht nur die Atmung, sondern führt im weiteren Verlauf zu Entzündungen und Veränderungen des Lungengewebes. Zusätzlich wurden bei allen Kindern MRT-Untersuchungen der Lunge durchgeführt, um ebensolche Veränderungen und Entzündungsherde aufzuspüren.

Mukoviszidose

Bei der angeborenen und unheilbaren Multiorganerkrankung Mukoviszidose verstopft zäher Schleim die Atemwege. Chronische Infektionen und Entzündungen sind die Folge. Beides zerstört mit der Zeit die Lunge. Der zähe Schleim behindert auch die Verdauung. Kinder mit Mukoviszidose sind deshalb in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und bei unzureichender Therapie kleiner und dünner als ihre gesunden Altersgenossen.

Frühe Therapie verschafft betroffenen Kindern einen besseren Start ins Leben

Generell gilt: Je früher die Behandlung einsetzt und je schneller schon auf leichte Verschlechterungen adäquat reagiert wird, desto länger lassen sich Lungenschäden und Komplikationen hinauszögern. Voraussetzung dafür ist das von den Heidelberger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Mall auf den Weg gebrachte und 2015 deutschlandweit eingeführte Neugeborenen-Screening für Mukoviszidose, das betroffene Kinder zuverlässig identifiziert. Diese Früherkennung hat erstmals ein schmales Zeitfenster für präventive Therapieansätze geöffnet. Nach einem Jahr entwickelte sich die Lungenbelüftung bei den Babys der Therapiegruppe deutlich besser als bei der Vergleichsgruppe, sie waren durchschnittlich 500 Gramm schwerer und 1,5 Zentimeter größer. Ursache für die gute Gewichtsentwicklung sehen die Studienärztinnen und -ärzte im insgesamt besseren Gesundheitszustand der Kinder. Im MRT-Befund der Lunge gab es zu diesem frühen Zeitpunkt nur leichte Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Das Fazit von Stahl: „Diese Inhalationstherapie empfiehlt sich als eine einfache und gut verträgliche Maßnahme, um frühe Lungenveränderungen bei Mukoviszidose abzumildern oder hinauszuzögern. Sie verschafft den betroffenen Kindern deutlich verbesserte Startbedingungen fürs Leben.“ Alle Kinder werden im Rahmen der ebenfalls von Heidelberg aus koordinierten Folgestudie weiter betreut. So wollen die Ärztinnen und Ärzte klären, wie sich die präventive Therapie auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt.

Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL e. V.)

Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL e. V.) ist ein Zusammenschluss aus 29 führenden universitären und außeruniversitären Einrichtungen, die sich der Erforschung von Atemwegserkrankungen widmen. Im DZL wird die grundlagen-, krankheits- und patientenorientierte Forschung auf dem Gebiet der Lungenerkrankungen koordiniert und auf internationalem Spitzenniveau durchgeführt, um so die Translation grundlagenwissenschaftlicher Erkenntnisse in neue klinische Konzepte zur Verbesserung der Patientenversorgung zu beschleunigen.
Mehr Informationen: www.dzl.de

Ansprechpartner:
Dr. Mirjam Stahl
Abteilung Translationale Pneumologie
Zentrum für Translationale Lungenforschung Heidelberg und
Sektion Pädiatrische Pneumologie & Allergologie und Mukoviszidose-Zentrum
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
mirjam.stahl@med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Marcus Mall
Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie und Immunologie mit Intensivmedizin
Charité – Universitätsmedizin Berlin
marcus.mall@charite.de

Pressekontakt:
Alina Zidaric
Deutsches Zentrum für Lungenforschung (DZL)
Geschäftsstelle/Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Aulweg 130
35392 Gießen
a.zidaric@dzl.de