November 2016

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Gemeinsam gegen seltene Krebserkrankungen: Der Verbund TranSarNet

Mehrere deutsche Forschungsgruppen suchen im Verbund TranSarNet nach neuen Therapien für Menschen, die unter Tumoren in Knochen oder Weichteilen leiden. Gemeinsam kämpfen sie insbesondere für die Erkrankten, die bislang wenig Aussicht auf Heilung haben.

Prof. Uta Dirksen koordiniert das Translationale Sarkom- Forschungsnetzwerk.

Prof. Uta Dirksen koordiniert das Translationale Sarkom-Forschungsnetzwerk.

www.sarkomkonferenz.de

Im Alter von zehn Jahren erkrankte Christine Wolf an einem Knochentumor. Fünf Jahre später musste ihr linkes Bein über dem Knie amputiert werden. Doch die Leichtathletin gab nicht auf. 2004 trat sie erstmals bei den Paralympischen Spielen an. Vier Jahre später gewann sie die Goldmedaille im Weitsprung.

Christine Wolf ist kein Einzelfall. Häufig sind die Menschen, die an Knochentumoren erkranken, noch sehr jung. Bestimmte Knochentumoren, das Ewing-Sarkom und das Osteosarkom, treten insbesondere bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. In der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen stehen diese sogar an zweiter bis dritter Stelle der bösartigen Krebserkrankungen.

Knochentumore gehören zu den Sarkomen, einer Untergruppe bösartiger Tumore. Sie machen weniger als 0,5 Prozent der circa 450.000 jährlichen Krebsneuerkrankungen aus und gehören damit zu den seltenen Erkrankungen. Häufiger als im Knochen treten Sarkome in den Weichteilen auf, also in den Muskeln oder Sehnen, im Binde- oder Fettgewebe. An Weichteilsarkomen können Menschen jeden Alters erkranken.

Ein Forschungsnetzwerk für seltene Krebserkrankungen

Durch die heutigen Therapiekonzepte haben sich die Überlebenschancen der Betroffenen deutlich verbessert. Rund 70 Prozent der Sarkom-Patientinnen und -Patienten werden geheilt. Das bedeutet allerdings auch, dass 30 Prozent der Erkrankten nicht vollständig genesen. Viele von ihnen erleiden im Laufe der Jahre einen Rückfall. Und mit dem Rückfall schwinden die Aussichten auf den Therapieerfolg: Die Heilungschancen sinken auf unter 10 Prozent. Auch Betroffene, die bereits zur Diagnosestellung Metastasen aufweisen, haben schlechtere Aussichten.

Hier setzt das Translationale Sarkom-Forschungsnetzwerk (TranSarNet) an. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten an neuen Therapien, die Menschen mit ungünstigen Prognosen helfen können. Darüber hinaus entwickeln sie Behandlungskonzepte, die mit geringeren Spätfolgen einhergehen – damit ehemalige Patientinnen und Patienten nicht als chronisch Kranke aus der Therapie entlassen werden. Um diese Ziele zu verwirklichen, haben sich einzelne Forschungsgruppen in Deutschland zu dem Forschungsverbund TranSarNet zusammengeschlossen. „Ein Verbund, der sich besonders mit diesen seltenen Krebserkrankungen befasst und Wege zu neuen Therapien aufzeichnet, ist sehr wichtig“, erläutert Prof. Uta Dirksen vom Universitätsklinikum Münster. „Denn seltene Erkrankungen stehen in der eher kommerziell orientierten Forschung wenig im Fokus. Weitreichende Erkenntnisse können daher nur in Forschungsverbünden, wie dem TranSarNet, gelingen.“ Die Kinderärztin koordiniert das Forschungsnetzwerk, dessen Aufbau durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung von 2009 bis 2015 gefördert wurde.

Die Forschungsgruppen des Netzwerkes suchen gemeinsam beispielsweise nach den Signalwegen, die dafür sorgen, dass ein Tumor unkontrolliert und ohne die Beachtung der körpereigenen Stoppsignale wächst. Denn hier bietet sich ein möglicher Angriffspunkt für Medikamente: Geeignete Wirkstoffe könnten die Abläufe gezielt stoppen, indem sie diese Signalwege blockieren. Dadurch könnte der Tod der erkrankten Zelle eingeleitet werden.

Darüber hinaus identifizieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Biomarker, die speziell für Sarkom-Erkrankungen stehen. Biomarker sind Strukturen auf oder in der Tumorzelle, die günstige oder ungünstige Heilungschancen vorhersagen können. Zukünftig könnten sie Ärztinnen und Ärzten dabei helfen, das Therapieansprechen vorherzusagen und so gezielt eine Behandlungsoption auszuwählen. Biomarker können aber auch aufzeigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Tumor eine Resistenz gegen die Therapie entwickeln wird. „Viele der Projekte des TranSarNet haben exzellente Grundlagen gelegt, die im europäischen Zusammenhang aufgegriffen und weiterentwickelt wurden“, ergänzt Dirksen.

Gemeinsam erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des TranSarNet bestimmte Knochen- und Weichteiltumore.

Gemeinsam erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des TranSarNet bestimmte Knochen- und Weichteiltumore.

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Wichtige Erfolge im Kampf gegen den Krebs

Für einige Krebserkrankungen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des TranSarNet bereits vielversprechende Biomarker gefunden. So konnte beispielsweise für das Osteosarkom unter anderem eine bestimmte Signatur entschlüsselt werden, die bei einer Mehrzahl der Tumore zu finden ist. Osteosarkome gehören zu den häufigsten bösartigen Knochentumoren. Sie wachsen oft sehr aggressiv und zerstören dabei den umliegenden Knochen oder die Gelenke.

Die BRCAness-Signatur, die im Rahmen des Forschungsverbundes identifiziert wurde, ist eine veränderte Sequenz im Erbgut der Krebszellen. Die Änderungen verhindern, dass Brüche, die im Doppelstrang der DNA entstehen, wieder repariert werden. Medikamente, die einen weiteren alternativen Schutzmechanismus ausschalten, würden zur Folge haben, dass die durch die Brüche entstandenen DNA-Stücke verloren gingen. In diesem Fall würde die Krebszelle sterben. „Diese Erkenntnis eröffnet uns neue Therapiewege. Denn zukünftig könnten wir Tumore dahin gehend untersuchen, ob sie die BRCAness-Signatur aufweisen. Ist dem so, wissen wir, dass wir mit Medikamenten gezielt auch den zweiten Reparaturweg ausschalten müssen“, so Dirksen. Die gefundene Signatur ist dabei keine Unbekannte, auch bei Brustkrebs und Eierstockkrebs ist sie bereits identifiziert worden.

Bei den Rhabdomyosarkomen, bösartigen Weichteilsarkomen, fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des TranSarNet eine Möglichkeit, die Resistenzen gegen Chemotherapeutika wirkungsvoll zu überwinden. Die Medikamentenkombination, die das möglich macht, wird zurzeit im Tierversuch getestet.

Innerhalb der Ewing-Sarkome, der zweithäufigsten Knochensarkomart im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter, wies ein Forschungsteam wieder-um Zellen nach, die sich wie Stammzellen verhalten. In diesen Zellen identifizierte ein Forschungsteam Proteine, die für viele der Eigenschaften der Krebszellen verantwortlich sein könnten. Wird die Herstellung solcher Proteine in den Zellen unterdrückt, so vermehrten sich diese nicht mehr so stark und breiteten sich langsamer aus. Ein weiteres Forscherteam konnte aufklären, wie sich die Ewing-Sarkomzellen der Wirkung von Medikamenten entziehen können, die eigentlich genau diese Krebsart besonders gut bekämpfen sollte (personalisierte, zielgerichtete Therapie). Solche Erkenntnisse sind von enormer Bedeutung, um die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu verbessern und bei Resistenzentwicklung schnell eingreifen zu können.

Vom Labor ans Krankenbett

Immer noch dauert es zu lange, bis Ergebnisse aus der Grundlagen- und der klinischen Forschungin die medizinische Regelversorgung gelangen und Menschen von ihnen profitieren. Diesen als Translation bezeichneten Prozess schneller und effektiver zu gestalten ist ein Leitgedanke des Rahmenprogramms Gesundheitsforschung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung greift diesen Leitgedanken in allen Fördermaßnahmen auf. So liegt auch in der aktuellen Förderperiode der seltenen Erkrankungen ein Fokus auf der Translation.

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. med. Uta Dirksen
Universitätsklinikum Münster
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Pädiatrische Hämatologie und Onkologie
Albert-Schweitzer-Campus 1, A1
48149 Münster
0251 83-56485
0251 83-56489
uta.dirksen@ukmuenster.de