Genesen, aber nicht gesund: Forschung zu Long-COVID

Menschen, die an den Spätfolgen einer COVID-19-Erkrankung leiden, bestmöglich versorgen zu können, bleibt eine Herausforderung. Die Erforschung des komplexen Krankheitsbildes und mögliche Therapieansätze nimmt das BMBF mit seiner Förderung in den Blick.

Erschöpfte Frau sitzt und hält sich Kopf und Nacken.

Anhaltende Erschöpfung ist nur eine von individuell oft ganz unterschiedlichen Spätfolgen, unter denen viele Menschen nach einer COVID-19-Erkrankung leiden.

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Auf viele Fragen rund um COVID-19 sowie mögliche Spätfolgen gibt es noch keine wissenschaftlich gesicherten Antworten. Sowohl der Erreger selbst als auch die von ihm ausgelöste Erkrankung COVID-19 sind erst seit Anfang 2020 bekannt; evidenzbasierte Erkenntnisse zu den Ursachen möglicher Spätfolgen, unterschiedlichen Symptomen und Krankheitsverläufen sollen weitere Forschungsarbeiten erbringen. Aktuell lässt sich noch nicht verlässlich abschätzen, wie viele Menschen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder einer COVID-19-Erkrankung längerfristig an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden und wie gut diese behandelbar sind. Unterschiedliche Studien kommen zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen; die aktuelle Behandlungsleitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin vom November 2021 spricht von bis zu 15 Prozent.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeitnah erschließen und weiterentwickeln

In Deutschland laufen – wie in anderen Ländern auch – wissenschaftliche Studien, um diese Spätfolgen besser zu verstehen und erkrankte Menschen möglichst gut medizinisch versorgen und unterstützen zu können.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) startete im Mai 2021 einen Förderaufruf zur Erforschung der Spätsymptome von COVID-19. Dieser richtete sich vorwiegend an interdisziplinäre Forschungsverbünde, die bereits Zugang zu Patientinnen und Patienten, Daten und Proben haben. Dafür stellt das BMBF bis 2024 insgesamt bis zu 6,5 Millionen Euro bereit. Zentrales Ziel der Maßnahme ist es, den verfügbaren wissenschaftlichen Kenntnisstand möglichst zeitnah zu erschließen, weiterzuentwickeln und in der Praxis anwendbar zu machen. Der Förderschwerpunkt ist in einen strategischen Rahmen eingebettet; er ergänzt weitere, zuvor auf den Weg gebrachte Förderbekanntmachungen zur Erforschung von SARS-CoV-2 / COVID-19 und der Therapie der akuten Erkrankung.

Forschung zu komplexen Symptomen und möglichen Therapieansätzen

Zehn Forschungsverbünde, die das Thema Long-COVID aus verschiedenen Blickwinkeln untersuchen, haben inzwischen ihre Arbeit aufgenommen. Einige Projekte erproben vielversprechende Behandlungsansätze, wie zum Beispiel medikamentöse Therapien, Ergotherapie oder auch ein individuell zugeschnittenes Bewegungsprogramm. Andere Projekte zielen darauf ab, die spezifischen Versorgungsbedarfe von bestimmten Patientengruppen – sei es bei Kindern und Jugendlichen, im psychosozialen Bereich oder in der Rehabilitation – genauer zu charakterisieren, um künftige Angebote so noch besser zuschneiden zu können.

Long-COVID – Post-COVID-Syndrom

Viele Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, leiden auch Wochen und Monate später noch an schweren körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen – teilweise auch nach vergleichsweise mildem Krankheitsverlauf. Eine allgemeingültige Definition für Long-COVID gibt es noch nicht, denn die Spätfolgen sind komplex, in ihrer Intensität und Dauer individuell oft sehr unterschiedlich und manchmal nur schwer von anderen Krankheitsbildern abzugrenzen. In der S1-Leitlinie „Post-COVID / Long-COVID“ werden Symptome, die länger als vier Wochen nach Krankheitsbeginn bestehen, als Long-COVID bezeichnet, und Krankheitszeichen, die später als zwölf Wochen (wieder) auftreten und nicht anderweitig erklärt werden können, als Post-COVID-Syndrom. Zu den häufigsten Symptomen zählen anhaltende, massive Erschöpfungszustände, Atembeschwerden, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Geruchs-, Geschmacks- und Schlafstörungen sowie depressive Verstimmungen.

Insbesondere in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen gibt es bisher kaum wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zur Häufigkeit, zu den Ausprägungen und den Behandlungsbedarfen bei Long-COVID bzw. dem Post-COVID Syndrom. Eines der zur Förderung ausgewählten Projekte – das Vorhaben LongCoCid – adressiert diese Forschungslücke, um künftige Behandlungspfade und ambulante sowie rehabilitative Konzepte erarbeiten zu können.

Die zehn geförderten Forschungsverbünde wurden in einem Begutachtungsverfahren auf Basis der Empfehlungen eines internationalen und interdisziplinären Expertengremiums sowie einer Patientenvertreterin ausgewählt.

Förderung in strategischem Rahmen

Daten und Erkenntnisse zu möglichen Langzeitfolgen und Folgeerkrankungen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 werden auch über das vom BMBF-geförderte Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) gesammelt, insbesondere im Rahmen des Nationalen Pandemie Kohorten Netzes (NAPKON).

Ziel dieses Vorhabens ist der Aufbau einer nationalen Plattform mit drei unterschiedlichen COVID-19 Patientenkohorten. In diesen werden bundesweit systematisch und nach einheitlichen Standards klinische Daten, Bioproben und Bildgebungsdaten von akut erkrankten bzw. genesenen COVID-19- Patientinnen und -Patienten erhoben und in einer gemeinsamen Datenbank zusammenführt. Dadurch kann der Krankheitsverlauf von COVID-19 erfasst und der Zusammenhang mit Komorbiditäten und weiteren gesundheitlichen Parametern sowie den Spätfolgen untersucht werden. Insgesamt sollen in den verschiedenen Kohorten ca. 8.000 Patientinnen und Patienten eingeschlossen werden.