Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Erste molekulare Ursachen gefunden - Personalisierte Therapie rückt näher

Das kleinzellige Bronchialkarzinom ist eine der aggressivsten Tumorarten. Bislang waren die molekularen Ursachen für diesen bösartigen Lungentumor weitgehend unbekannt. Erstmals konnte nun unter der Leitung von Wissenschaftlern des Nationalen Genomforschungsnetzes NGFN das kleinzellige Bronchialkarzinom genetisch charakterisiert werden. Hierbei wurden Mutationen identifiziert, die in Zukunft neue Therapieansätze ermöglichen könnten. (Newsletter 62 / April 2013)

LogoEs war ein bisschen wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. In Millionen von Basenpaaren suchten die Wissenschaftler nach genetischen Veränderungen der Lungenkrebszellen. „Ohne eine hochspezialisierte computergestützte Auswertung auf einem Hochleistungsrechner und passgenaue mathematische Algorithmen wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Dr. Martin Peifer. Er hat die Studie gemeinsam mit Prof. Dr. Roman Thomas an der Universität Köln geleitet. „Wir wollten nicht nur Mutationen im Genom der Krebszellen detektieren, sondern diese auch mit statistischen Verfahren nach ihrer Relevanz für die Krankheitsentwicklung bewerten.“ Sie waren auf der Suche nach genetischen Veränderungen, die das Tumorwachstum antreiben. Denn solche Gene könnten nach weiterer Charakterisierung die Grundlage darstellen für neue, zielgerichtete Therapieansätze – als Alternativen zur gängigen Chemotherapie.

Extrem viele Mutationen

Bildquelle: ThinkstockNicht selten ist langjähriges starkes Rauchen die Ursache von Lungenkrebs.Das kleinzellige Bronchialkarzinom, kurz SCLC für small-cell lung cancer, ist die aggressivste Form des Lungenkrebses. Steht die Diagnose fest, überleben nur etwa fünf Prozent der Betroffenen die nächsten fünf Jahre. Denn auch wenn der Ursprungstumor noch klein ist, finden sich oftmals schon Metastasen in anderen Geweben oder entfernten Organen. Zielgerichtete Therapien, die spezifisch wachstumsfördernde Signalwege der Krebszellen hemmen, gab es für diese Tumorart bislang nicht. „Denn gezielte Therapeutika können erst entwickelt werden, wenn die genetischen Veränderungen bekannt sind, die das Tumorwachstum antreiben. Deshalb haben wir mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung SCLC-Tumore mit neuartigen Sequenziermethoden nach genau diesen genetischen Ver änderungen durchsucht“, sagt Dr. Martin Peifer. Die Studie ergab, dass kleinzellige Bronchialkarzinome im Vergleich zu anderen Krebsarten eine extrem hohe Mutationsrate haben. „Wir haben durchschnittlich 7,4 Protein-verändernde Mutationen pro einer Million Basenpaare gefunden. In anderen Tumorarten, zum Beispiel bei Eierstocktumoren, findet man nur rund 1,5 Mutationen pro einer Million Basenpaare“, berichtet Dr. Peifer. „Diese – im Vergleich zu vielen anderen Tumorarten wesentlich höhere – Mutationsrate wird vermutlich durch Karzinogene, also krebserregende Substanzen, verursacht. Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom meist durch langjähriges starkes Rauchen.“

Erster zielgerichteter Therapieansatz

Im Einzelnen fanden Dr. Peifer und seine Kolleginnen und Kollegen in den Krebszellen Genveränderungen, die zur Deaktivierung der beiden Tumorsuppressorgene TP53 und RB1 führen. Im aktiven Zustand unterdrücken und verhindern diese Tumorsuppressorgene die Entstehung von Krebs. In 18 Prozent der untersuchten Tumoren spürten die Forscher zudem genetische Veränderungen der Gene CREBBP und EP300 auf. „Diese Mutationen haben eine erhebliche Auswirkung auf Histonmodifikationen, welche die Verpackung und somit die Zugänglichkeit und Aktivität der DNA steuern“, beschreibt Dr. Peifer. Sechs Prozent der Tumoren weisen eine Amplifikation, also eine Vervielfältigung, des Gens für den Fibroblastenwachstumsfaktor 1, kurz FGFR1, auf. „Die Gen-Amplifikation von FGFR1 haben wir bereits 2010 in einer vorausgegangenen Studie in einer anderen Untergruppe des Lungenkrebses, dem Plattenepithelkarzinom, gefunden“, erklärt Dr. Peifer. Ob eine FGFR1- Gen-Amplifikation tatsächlich einen zielgerichteten Therapieansatz erlaubt, prüfen Mediziner am Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) der Uniklinik Köln derzeit in einer klinischen Studie mit Hilfe neuartiger Inhibitoren bei Patienten mit Plattenepithelkarzinomen der Lunge, die diese genetische Veränderung tragen. Jetzt, da die Wissenschaftler wissen, dass die genetische Vervielfältigung des FGFR1-Gens auch bei Patientinnen und Patienten mit kleinzelligem Bronchialkarzinom eine Rolle spielt, wurden auch Betroffene mit diesem Tumortyp in die laufende Studie aufgenommen.

Kölner Forscher erhält Deutschen Krebspreis

Bildquelle: ThinkstockSuche nach GenveränderungenFür die Entdeckung unter anderem dieser bislang unbekannten genetischen Veränderungen wurde Professor Thomas kürzlich mit dem Deutschen Krebspreis 2013 ausgezeichnet. Mit diesem Preis zeichnet die Deutsche Krebsgesellschaft die Verdienste des Kölner Krebsforschers in der translationalen Krebsforschung aus. Bei translationaler Forschung in der Medizin geht es um die frühzeitige Übertragung von grundlegenden Forschungserkenntnissen in die therapeutische Anwendung.

„Wir hoffen, dass unser Wissen um die beteiligten Gene es uns ermöglicht, Patienten besser zu therapieren“, sagt Professor Thomas. „Eine Bestimmung tumorspezifischer Genveränderungen, die eine personalisierte Behandlung von Patienten mit Lungenkrebs erlaubt, ist bei uns durch die enge Zusammenarbeit innerhalb des Netzwerks Genomische Medizin NGM am CIO bereits Praxis.“

Ansprechpartner:
Dr. Martin Peifer
Abteilung Translationale Genomik
Universität zu Köln
Weyertal 115b
50931 Köln
Tel.: 0221 478-96863
Fax: 0221 478-97902
E-Mail: mpeifer@uni-koeln.de