Medizininformatik

Klinik und Forschung produzieren immer mehr Daten. Diese Datenwelten gilt es miteinander zu verknüpfen. Denn zusammen ergeben sie ein Gesamtbild, dessen Analyse neue medizinische Erkenntnisse und eine bessere Versorgung der Patientinnen und Patienten verspricht.

Ein Mediziner erläutert eins von vielen Magnetresonanztomographie-Bildern, die auf Rechnern zu sehen sind und an eine Wand projiziert werden.

Bildgebung, Laborwerte, Genanalysen – Forschung und Klinik erzeugen mit modernen Verfahren immer mehr Daten, die es mit modernen IT-Lösungen intelligent zu nutzen gilt.

Jörg Müller, Hamburg

Digitale Röntgen- und MRT-Bilder, Arztbriefe und Blutwerte – ein Krankenhausaufenthalt erzeugt ein enormes Datenvolumen. Neben der Klinik produziert auch die biomedizinische Grundlagenforschung dank neuer und schnellerer Verfahren immer mehr Daten, ganze Genome sind heute in kürzester Zeit entschlüsselt.

Innovative IT-Lösungen können aus den riesigen Datenmengen wertvolle Informationen gewinnen: Wenn beispielsweise die klinischen Daten zahlreicher Krebspatientinnen und -patienten mit ihren genetischen Profilen verknüpft werden, lässt sich daraus ableiten, welche Chemotherapie für eine bestimmte Person die erfolgversprechendste ist.

Zukunftsmission  

Die konsequente Nutzung des medizinischen Potenzials der Digitalisierung ist auf innovative IT-Lösungen angewiesen. Mit ihrer Hilfe können Forscherinnen und Forscher neues praxisorientiertes Wissen aus den Datenschätzen gewinnen und es so aufbereiten, dass es unkompliziert verfügbar ist: an jedem Punkt des Gesundheitssystems – in Kliniken, Haus- und Facharztpraxen – könnten bessere Therapieentscheidungen getroffen werden, da sie auf einen Blick alle relevanten, im Gesundheitssystem verfügbaren Daten berücksichtigen.

Doch soweit ist es noch nicht – die Daten sind nicht „einsatzbereit“. Sie lagern an verschiedenen Orten, sind nicht allen Akteuren zugänglich und schwer miteinander zu verknüpfen, denn sie haben unterschiedliche Formate und Qualitäten. Aufgabe der Medizininformatik ist, diese Hürden mithilfe geeigneter Strukturen und innovativer Technik zu überwinden.

Die Medizinische Informatik ist die Wissenschaft der systematischen Erschließung, Verwaltung, Aufbewahrung, Verarbeitung und Bereitstellung von Daten, Informationen und Wissen in der Medizin und im Gesundheitswesen. Sie ist von dem Streben geleitet, damit zur Gestaltung der bestmöglichen Gesundheitsversorgung beizutragen.
 

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.

Die Medizininformatik-Initiative

Mit dem „Förderkonzept Medizininformatik – Daten vernetzen, Gesundheitsversorgung verbessern“ hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine umfangreiche Initiative gestartet, um das Potenzial der Digitalisierung für die Medizin in Deutschland nutzbar zu machen. Diese Medizininformatik-Initiative soll

  • Forschung und Versorgung durch innovative IT-Lösungen verbessern,
  • die gemeinsame Nutzung von Daten langfristig flächendeckend etablieren,
  • wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden, der mit den Werkzeugen der Informatik ebenso vertraut ist wie mit den zu lösenden medizinischen Fragestellungen.

Ein Kernelement des Konzeptes sind Datenintegrationszentren. Sie schaffen technische und organisatorische Infrastrukturen, die Forschungs- und Versorgungsdaten für übergreifende Analysen zur Verfügung stellen. Das zweite Kernelement sind IT-Lösungen für konkrete Anwendungen, sogenannte Use Cases. Sie sollen den Mehrwert der Datenintegrationszentren aufzeigen.

Use Cases in der Medizininformatik-Initiative

Die Use Cases sollen in der Praxis zeigen, dass ein digital vernetztes Gesundheitssystem die Behandlung der Menschen verbessert. So sollen beispielsweise Krankheitsverläufe und andere Gesundheitsdaten von Krebspatientinnen und -patienten analysiert werden, damit verschiedene Untergruppen einer Erkrankung besser erkannt und die Betroffenen wirkungsvoller behandelt werden können.

Weitere Use Cases zielen auf personalisierte Ansätze für die Behandlung von Kreislauferkrankungen oder sollen helfen, bakterielle Infektionen gezielt und frühzeitig zu bekämpfen, um der Entstehung von Antibiotikaresistenzen vorzubeugen.

Datenschutz und Datensicherheit als wesentliche Grundlage

Für die Nutzung medizinischer Daten müssen technische und rechtliche Lösungen gefunden werden, die hohe Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit erfüllen und gleichzeitig die beschriebenen Analysen ermöglichen. Dem Recht der Bürgerinnen und Bürger, selbst über die Nutzung ihrer Daten zu entscheiden, wird dabei bestmöglich Rechnung getragen. Das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in den verantwortungsbewussten Umgang mit sensiblen persönlichen Daten ist eine wesentliche Voraussetzung für die digitale Medizin der Zukunft. Patientenvertretungen und Beauftragte für Datenschutz werden daher frühzeitig in die Prozesse eingebunden. Auf Transparenz, Kommunikation und Partizipation wird großer Wert gelegt.

Zusammenarbeit in der Medizininformatik-Initiative

Die fachlichen und organisatorischen Leiter aller Konsortien stimmen sich im Nationalen Steuerungsgremium ab und gewährleisten so, dass in den Konsortien einheitliche Datenstandards, IT-Schnittstellen und Datenschutzkonzepte verwendet werden.

Ein Dialogforum bezieht weitere Partner ein, etwa IT-Hersteller, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und auch Patientenvertretungen. Sie helfen, die spätere Umsetzung des Konzepts jenseits der Universitätskliniken von Anfang an mitzudenken.

Medizininformatik-Initiative – die Eckdaten

Daten vernetzen, Gesundheitsversorgung verbessern – dafür stehen die MII und die Digitalen FortschrittsHubs Gesundheit der Bundesregierung. Das BMBF stellt dafür von 2018 bis 2025 bislang rund 300 Millionen Euro bereit.

  • Aufbau und Vernetzungsphase (2018-2022): Das BMBF fördert vier Konsortien, die seit 2018 Datenintegrationszentren aufbauen. Anhand konkreter Anwendungsfälle sollen sie den medizinischen Mehrwert der entwickelten IT-Architekturen und Softwarelösungen in der Praxis demonstrieren.
  • Ausbau und Erweiterungsphase (2023-2026): Weitere Partner sollen bewährte Lösungen übernehmen, damit Patientinnen und Patienten in Deutschland flächendeckend von den Fortschritten der MII profitieren.
  • Digitale FortschrittsHubs Gesundheit (2022-2025): Die Hubs beziehen pilothaft Daten aus der regionalen Versorgung in medizininformatische Strukturen und Lösungen mit ein. Den Nutzen diese Vernetzung für die regionale Patientenversorgung zeigen sie in konkreten Anwendungsfällen beispielhaft auf.
  • Nachwuchsgruppen (2020-2026): Gut ausgebildete Fachkräfte sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Initiative. Daher fördert das BMBF an der Schnittstelle von Informatik und Medizin den wissenschaftlichen Nachwuchs und unterstützt mit den neuen Nachwuchsgruppen gezielt neu eingerichtete Medizininformatik-Professuren.

Themen zu Digitalisierung und Künstliche Intelligenz