Mehr Durchblick mit radioaktiver Aminosäure - Neue Methode verbessert die Diagnostik von Hirntumoren

Zerebrale Gliome sind die häufigsten primären Hirntumore – die Erkrankung verläuft fast immer tödlich. Ihre Diagnose basiert bisher im Wesentlichen auf der Magnet-Resonanz-Tomographie, die jedoch in vielen Fällen nur eine eingeschränkte Unterscheidung zwischen Tumoren und gutartigen Gewebeveränderungen zulässt. Mit einem neuen Verfahren, das von Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich entwickelt wurde, können Lage und Ausdehnung eines Hirntumors nun mit einer Genauigkeit von mehr als 90 Prozent erfasst werden.

Die Methode, bei der eine verbesserte radioaktive Aminosäure mit höherer Halbwertszeit verwendet wird, könnte Medizinern zukünftig helfen, bei neurochirurgischen eingriffen den Tumor präziser und schonender zu entfernen. Das Diagnostik-Verfahren, das am vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Brain Imaging Center West entwickelt wurde, bietet damit neue Möglichkeiten für eine zukünftige flächendeckende Versorgung von Patienten.


Ist eine auffällige Veränderung im Gehirn harmlos oder handelt es sich um einen gefährlichen Tumor? Allein mit einer Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) konnten Mediziner diese Frage bisher nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Forscher haben nun eine neue Methode mit radioaktiv markierten Aminosäuren entwickelt, die eine eindeutigere Darstellung von Hirntumoren als bisher erlaubt. Die Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der neurochirurgischen Klinik der Universität Düsseldorf, die sich im vom BMBF geförderten Brain Imaging Center West unter anderem mit der Bildgebung in der Neurowissenschaft beschäftigen, konnten in einer Studie mithilfe des neuen Verfahrens Lage und Ausdehnung von zerebralen Tumoren genau bestimmen.

Derzeit basiert die Diagnostik von Hirntumoren im Wesentlichen auf der MRT. Diese Standardmethode zur Darstellung von Hirnstrukturen lässt oftmals keine genaue Unterscheidung von Tumorgewebe und gesundem Hirngewebe zu. Häufig wird die MRT durch weitere Verfahren wie zum Beispiel die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) ergänzt, die es erlauben, die Stoffwechselaktivität des Tumors zu erfassen. Die Jülicher und Düsseldorfer Wissenschaftler konnten bestätigen, dass eine PET mit radioaktiv markierten Aminosäuren wichtige Zusatzinformationen für die klinische Diagnostik von Hirntumoren bietet. Denn das Gliomgewebe, das einen sehr aktiven Stoffwechsel hat, nimmt mehr radioaktive Aminosäuren als gesundes Hirngewebe auf und wird deshalb in der PET deutlicher dargestellt – eine wichtige Voraussetzung für die genaue Planung einer Strahlentherapie oder die schonende Entfernung von Tumorgewebe bei neurochirurgischen Eingriffen.

Besonders die Entwicklung einer verbesserten radioaktiven Aminosäure gilt als entscheidender Fortschritt. PET-Untersuchungen bei zerebralen Gliomen wurden bisher mit der Kohlenstoff-11-markierten natürlichen Aminosäure Methionin (MET) durchgeführt, deren Herstellung und Anwendung aufwendig und auf wenige entsprechend technisch ausgestattete Zentren beschränkt ist. Die Wissenschaftler verwendeten stattdessen eine Fluor-18-markierte künstliche Aminosäure, kurz FET. Im Gegensatz zum Kohlenstoff-11 in der Aminosäure MET, der mit einer Halbwertszeit von 20 Minuten zerfällt, beträgt die Halbwertszeit des Fluor-18 in der künstlichen Aminosäure FET 109 Minuten. Diese deutlich längere Halbwertszeit erlaubt den problemlosen Transport der FET vom Herstellungsort zu den PET-Geräten. Patienten könnten somit zukünftig flächendeckend und nicht nur an speziellen Zentren mit einer FET-PET versorgt werden.

Klinische Studien bereits erfolgreich
Die FET-PET-Methode erzielt in Kombination mit der MRT deutlich bessere Ergebnisse als die MRT alleine – dies wurde in umfangreichen experimentellen und klinischen Studien nachgewiesen. Die untersuchten Patienten konnten bei der Therapie ihrer Tumorerkrankung von dem neuen Diagnoseverfahren profitieren. Prof. Dr. Karl-Josef Langen, Leiter der Forschergruppe, erläutert das Vorgehen: „Wir haben gezielt Gewebeproben aus dem Tumorbereich entnommen. Aktive Tumorteile nehmen die injizierten Aminosäuren vermehrt auf und machen den Tumor sichtbar. So stellten wir fest, dass mit der FET-PET-Methode Lage und Ausdehnung des Tumors mit einer Genauigkeit von über 90 Prozent erfasst werden konnten.“ Vergleichende Gewebeanalysen mit der MRT waren weniger genau: Wurden hier auffällige Gewebestrukturen gefunden, handelte es sich nur in 50 Prozent der Fälle tatsächlich um Tumorgewebe. „Das ist ein Beleg dafür, dass sich die diagnostische Aussagekraft durch den Einsatz radioaktiver Aminosäuren deutlich erhöht“, schließt Prof. Dr. Langen. Die Strahlenbelastung durch die radioaktiv markierten Aminosäuren ist dabei nicht größer als bei einer üblichen Röntgenuntersuchung.

In Kombination mit einer weiteren Methode, der Magnet-Resonanz-Spektroskopie (MRS), konnten die Hirnforscher ein Gliom sogar in 97 Prozent der Fälle von gutartigen Hirnveränderungen unterscheiden. Wenn sowohl FET-PET als auch MRS auf einen Tumor hindeuten, gilt es demnach als sicher, dass ein Tumor vorliegt. Umgekehrt wurde in den Studien bei keinem Patienten ein Hirntumor gefunden, wenn beide Verfahren einen unauffälligen Befund ergaben.

In den vergangenen Jahren wurden in klinischen Studien bundesweit bereits mehrere tausend Patienten erfolgreich mit der neuen Technik untersucht. Außerhalb dieser Studien ist die Aminosäure FET für die Anwendung am Patienten allerdings derzeit noch nicht zugelassen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Karl-Josef Langen
Institut für Neurowissenschaften und Medizin
Forschungszentrum Jülich
52425 Jülich
Tel.: 02461 61-5900
Fax: 02461 61-8261
E-Mail: k.j.langen@fz-juelich.de