Aktuelle Pressemitteilungen

Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg erfolgreich zertifiziert

Das „Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg“ ermöglicht für Krebspatientinnen und -patienten neue maßgeschneiderte Behandlungsstrategien. Nun wurde es von der Deutschen Krebsgesellschaft erfolgreich zertifiziert.

Man sieht auf dem Gruppenfoto: Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1 von links), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3 von links), sowie die Professoren Ralf Bargou (2 von links) und Andreas Rosenwald (3 von rechts), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3 von rechts)
Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1.v.l.), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3.v.l.), sowie die Professoren Ralf Bargou (2.v.l.) und Andreas Rosenwald (3.v.r.), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3.v.r.) danken allen Beteiligten für die erfolgreiche Mitarbeit und Unterstützung bei der Zertifizierung zum Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg. Während der konstituierenden Sitzung des ZPM Würzburg am 22. April 2024 skizziert Dr. Benedikt Westphalen, Ärztlicher Leiter Präzisionsonkologie am LMU Klinikum München (1.v.r.), die Chancen der Präzisionsonkologie und den Nutzen der deutschlandweiten Vernetzung der Zentren für Personalisierte Medizin. Foto: Dr. Alexander Kerscher / ZPM Würzburg.

Nicht alle Krebspatientinnen und -patienten sprechen gleich gut auf ein und dieselbe Behandlung an, denn jeder Mensch und auch jede Krebserkrankung haben individuelle genetische Merkmale. Ziel der „personalisierten Medizin“ ist es daher, die individuellen Veränderungen im Erbgut eines Tumors zu identifizieren und die Therapie daran auszurichten.

Um möglichst vielen Krebserkrankten eine noch passgenauere Behandlung zu ermöglichen, wurde das Zentrum für Personalisierte Medizin (ZPM) Würzburg gegründet. Das ZPM Würzburg ist Teil des Onkologischen Spitzenzentrums CCC Mainfranken, einer gemeinsamen Einrichtung von Uniklinikum und Universität Würzburg.

Neue molekulare Therapieoptionen

Im Fokus stehen Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener oder seltener Tumorerkrankung, bei denen nach der Behandlung im Rahmen der Leitlinien der Tumor weiterwächst oder erneut auftritt. Für diese Patientinnen und Patienten sollen nun zusätzliche Optionen angeboten werden.

„Unser neues Zentrum für Personalisierte Medizin vereint alle Akteure aus den Diagnostik- und Therapieeinheiten, um diesen Patientinnen und Patienten umfassende molekulargenetische Untersuchungen zu ermöglichen und potenzielle molekulare Therapieoptionen zu finden“, sagt Professor Ralf Bargou, Direktor des Comprehensive Cancer Center Mainfranken (CCC Mainfranken) und Sprecher des ZPM.

Dreh- und Angelpunkt: Molekulares Tumorboard

Dank der technischen Fortschritte in der molekularen Diagnostik können entsprechende Untersuchungsergebnisse dafür genutzt werden, um speziell für diese genetischen Veränderungen des Tumors individuelle Therapien zu entwickeln. Das Molekulare Tumorboard spielt in diesem Prozess eine zentrale Rolle und ist der Dreh- und Angelpunkt des Zentrums.

„Unser multiprofessionelles Team aus Klinikerinnen und Klinikern sowie Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pathologie, Molekularpathologie, Humangenetik, Bioinformatik, Bildgebung sowie dem interdisziplinären Studienzentrum interpretiert die komplexen tumorbiologischen Daten. Abschließend empfehlen wir eine Therapie nach dem besten wissenschaftlichen Standard“, so Professor Andreas Rosenwald, Direktor des Instituts für Pathologie der Universität Würzburg und Sprecher des ZPM.

Herausragende Expertise am Standort Würzburg

„In der Zentrumszertifizierung hat die Deutsche Krebsgesellschaft unsere exzellente klinische und wissenschaftliche Expertise und große Motivation zur Weiterentwicklung der personalisierten Medizin besonders positiv hervorgehoben. Wir danken allen Beteiligten für ihr großes Engagement beim Aufbau des Molekularen Tumorboards am Standort Würzburg“, so Rosenwald.

Dank der engen Verbindung des ZPM Würzburg zum interdisziplinären Studienzentrum mit Early Clinical Trials Unit (ECTU) am CCC Mainfranken können Patientinnen und Patienten zeitnah in innovative Behandlungsstudien eingeschlossen werden, zum Beispiel in immunonkologische Phase-I- oder Phase-II-Studien.

„Um allen Patientinnen und Patienten einen Zugang zur personalisierten Medizin zu ermöglichen, arbeitet das Molekulare Tumorboard eng mit den Behandlerinnen und Behandlern an externen Kliniken, Praxen und Medizinischen Versorgungszentren der Region zusammen“, so Bargou.

Diese Zusammenarbeit mit externen Zuweiserinnen und Zuweisern ist bereits jetzt bestens etabliert – im vergangenen Jahr wurde rund ein Drittel der insgesamt mehr als 400 Patientinnen und Patienten im Molekularen Tumorboard von externen Behandlerinnen und Behandlern angemeldet.

Vernetzung

Auch für die Zusammenarbeit in bayernweiten und nationalen Verbünden ist das ZPM Würzburg sehr wichtig. Die vernetzten Zentren profitieren gleichermaßen von den erhobenen Daten und können Erkenntnisse für die Forschung und die Patientenversorgung nutzen. Dazu gehören etwa das Deutsche Netzwerk für Personalisierte Medizin (dnpm), das Bayerische Zentrum für Krebsforschung (BZKF) mit sechs bayerischen Universitätsklinika oder das Modellvorhaben Genomsequenzierung.

Die Standorte Würzburg, Erlangen, Regensburg und Augsburg haben sich zur „Comprehensive Cancer Center Allianz WERA“ zusammen geschlossen, die im Jahr 2022 von der Deutschen Krebshilfe als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet wurde. Die vier WERA-Partner decken ein Versorgungsgebiet von rund acht Millionen Menschen ab.

Weitere Informationen auf der Website des ZPM Würzburg: https://www.ukw.de/behandlungszentren/zentrum-fuer-personalisierte-medizin-zpm-wuerzburg/startseite/

Man sieht auf dem Gruppenfoto: Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1 von links), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3 von links), sowie die Professoren Ralf Bargou (2 von links) und Andreas Rosenwald (3 von rechts), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3 von rechts)
Dr. Tim J. von Oertzen, Ärztlicher Direktor am UKW (1.v.l.), und Philip Rieger, Kaufmännischer Direktor am UKW (3.v.l.), sowie die Professoren Ralf Bargou (2.v.l.) und Andreas Rosenwald (3.v.r.), Sprecher des ZPM, und Volker Kunzmann, Klinischer Leiter des ZPM (3.v.r.) danken allen Beteiligten für die erfolgreiche Mitarbeit und Unterstützung bei der Zertifizierung zum Zentrum für Personalisierte Medizin Würzburg. Während der konstituierenden Sitzung des ZPM Würzburg am 22. April 2024 skizziert Dr. Benedikt Westphalen, Ärztlicher Leiter Präzisionsonkologie am LMU Klinikum München (1.v.r.), die Chancen der Präzisionsonkologie und den Nutzen der deutschlandweiten Vernetzung der Zentren für Personalisierte Medizin. Foto: Dr. Alexander Kerscher / ZPM Würzburg.

Personalia vom 23. April 2024 +++ Wir gratulieren!

Hier lesen Sie Neuigkeiten aus dem Bereich Personal: Neueinstellungen, Dienstjubiläen, Erteilung von Lehrbefugnissen und mehr.

Dr. Joachim Diessner, Privatdozent für das Fachgebiet Gynäkologie, Leitender Oberarzt, Frauenklinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg, wurde mit Wirkung vom 11.4.2024 zum „außerplanmäßigen Professor“ bestellt.

Dr. Christiane Drechsler, Privatdozentin für das Fachgebiet Innere Medizin, wurde mit Wirkung vom 11.4.2024 zur „außerplanmäßigen Professorin“ bestellt.

 

einBlick - Das Online-Magazin der Universität Würzburg vom 23. April 2024

So soll die neue Kita des Uniklinikums Würzburg aussehen

Das Uniklinikum Würzburg plant den Bau einer neuen Kindertageseinrichtung für den Nachwuchs seiner Beschäftigten. Mit der kürzlich erfolgten Entscheidung für ein Architekten-Konzept nimmt das Projekt auch gestalterisch Züge an.

Visualisierung der geplanten UKW-Kita am Hans-Brandmann-Weg.
Visualisierung der geplanten UKW-Kita am Hans-Brandmann-Weg. Bild: hirsch architekten

Würzburg. Zur Erweiterung der Betreuungskapazitäten für die Kinder seiner Beschäftigten plant das Uniklinikum Würzburg (UKW) den Bau einer neuen Kindertageseinrichtung am Hans-Brandmann-Weg im Würzburger Stadtteil Grombühl. Nachdem im Jahr 2022 das Diakonische Werk Würzburg den Zuschlag als Betreiber der Kita erhielt, ist jetzt auch die Architektenausschreibung entschieden: Im Februar dieses Jahres erhielt das Ansbacher Büro hirsch architekten die Zusage für sein eingereichtes Konzept. 
Dieses sieht einen zweigeschossigen Baukörper vor, der Raum schafft für sieben gleich große Gruppenräume. Von diesen sollen aktuell fünf als Kindergrippe und zwei für Kinder im Kindergartenalter genutzt werden. Eine spätere Umwidmung einzelner Räume ist problemlos möglich. Zusätzlich ist eine Naturgruppe für 18 Kindergartenkinder geplant. Sie werden sich vorwiegend im hinteren Gartenbereich der Kita sowie in deren parkartigem Umfeld aufhalten. Das bauliche Konzept berücksichtigt diese Gruppe mit einer eigenen Rückzugsmöglichkeit und einem eigenen Sanitärbereich. 

Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt


Neben einer Architektur, die gezielt auf die Perspektive und Bedürfnisse der Kinder eingeht, verfolgt der Entwurf auch Nachhaltigkeitsaspekte. So sieht das neue Gebäude ein Photovoltaik- und Solarthermie-Dach vor. Um die Energiebilanz weiter zu verbessern, wird diese Anlage mit geothermischer Energie als zusätzlicher Wärmequelle für die Wärmepumpen im Winter und zur Speicherung der Sonnenwärme im Sommer kombiniert. Zusammen mit einer hochdämmenden Gebäudehülle und Verglasung sowie dem Einsatz von weitgehend recycelbaren Baumaterialien – wie zum Beispiel der nachhaltigen Holzkonstruktion im Obergeschoss – entsteht eine Kita mit vergleichsweise sehr guter CO2-Bilanz.

Schnelles und sicheres Bauen durch „Wiederholung“


Für eine einfache und schnelle Errichtung basiert die Gebäudekonstruktion auf vorgefertigten Wand- und Bodenelementen. „Ein weiterer Vorteil ist, dass sich das Architektur-Büro bei der Konzeption an eigenen Referenzprojekten orientiert“, sagt Thomas Vierheilig. Der Leiter der Stabstelle Große Baumaßnahmen am UKW fährt fort: „So gibt es in der Würzburger Landkreisgemeinde Margetshöchheim eine von hirsch architekten geplante Kita, die der UKW-Kita strukturell stark ähnelt und auch aus den gleichen Bauelementen erstellt wird. Da jedes Detail also aus der Praxis bekannt ist, entstehen weniger Fehler und es kann schneller und preisgünstiger gebaut werden.“
Der aktuelle Kostenrahmen für das Vorhaben beträgt rund 8,5 Millionen Euro. „Als Nächstes werden die weiteren Planungsschritte mit den Nutzern, die Ausschreibungen der Fachplaner und das Genehmigungsverfahren mit der Stadt Würzburg angegangen. Bei idealem Verlauf rechnen wir mit einem Baubeginn in der zweiten Hälfte des Jahres 2025“, sagt Philip Rieger, der Kaufmännische Direktor der UKW. Und Privatdozent Dr. Tim von Oertzen, der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende des Uniklinikums ergänzt: „Mit diesem zukunftsweisenden, ansprechenden Bauwerk und dem Diakonischen Werk als erprobt zuverlässigem Betreiber sehe ich die Weichen sehr gut gestellt, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mittelfristig annähernd 130 weitere, hoch qualitative Betreuungsplätze für ihren Nachwuchs anbieten können.“
 

Visualisierung der geplanten UKW-Kita am Hans-Brandmann-Weg.
Visualisierung der geplanten UKW-Kita am Hans-Brandmann-Weg. Bild: hirsch architekten

Erstmaliger Nachweis eines lokalen Biomarkers zur Vorhersage schwerer Schlaganfallverläufe

Interdisziplinäres Würzburger Team aus Neuroradiologie und Neurologie identifiziert das Enzym MMP-9 direkt in Blutgefäßen des betroffenen Hirnareals als entscheidenden Biomarker für schwerste Schlaganfallverläufe nach mechanischer Gerinnselentfernung, noch bevor therapeutische Schritte erfolgen.

Das Forscher-Team im Labor
An der Studie beteiligte Forscher am Fluoreszenzmikroskop mit aktiven MMP-9 positiven Entzündungszellen aus einem betroffenen Hirngefäß (v.l.n.r.): Alexander Kollikowski, Michael Schuhmann, Guido Stoll und Mirko Pham. © Vivian Vogt
MMP-9-expressierende Zellen unterm Fluoreszenzmikroskop
Erstmalige Beobachtung stark MMP-9-expressierender neutrophiler Granulozyten aus einer betroffenen Hirnregion bei hyperakutem ischämischem Schlaganfall. © Alexander Kollikowski

Würzburg. Plötzliche Lähmung, Taubheit, Verwirrung, Geh-, Sprach- und Sehstörungen können auf einen Schlaganfall hinweisen, der schnellstmögliche medizinische Hilfe erfordert. Bei einem ischämischen Schlaganfall, der einen Großteil der Schlaganfälle ausmacht, wird ein Teil des Gehirns aufgrund einer Unterbrechung der Blutversorgung geschädigt. Das wirkstärkste Therapieverfahren ist die mechanische Thrombektomie, die allein oder in Kombination mit medikamentöser Thrombolyse durchgeführt werden kann. Dabei wird das für den Schlaganfall verantwortliche Gerinnsel mittels eines interventionell-radiologischen Katheterverfahrens - minimalinvasiv - aus dem betroffenen Blutgefäß des Gehirns entfernt und die Blutversorgung wiederhergestellt. 

Risiken für Komplikationen nach einem Schlaganfall 

Auch bei schneller und effizienter Behandlung können bedauerlicherweise im Verlauf bisher unvorhersehbare, schwerwiegende Komplikationen auftreten, wie beispielsweise eine raumfordernde Blutung im betroffenen Hirnareal oder neurologische Beeinträchtigungen mit hohem Behinderungsgrad aufgrund ausgedehnter Gewebeschäden. Obwohl allgemeine Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder eine lange Zeitdauer bis zum Therapiebeginn in nachträglichen Analysen einiger Therapiestudien zur mechanischen Thrombektomie beschrieben wurden, ist bisher noch nicht verstanden, welche individuellen Faktoren dazu führen, dass bestimmte Patientinnen und Patienten ein höheres Risiko für schwere Verläufe haben. Deshalb war es bisher noch nicht möglich, die klinische Praxis für potenzielle Risikogruppen frühzeitig und individuell anzupassen. 

Sogenannte Matrix-Metalloproteinasen (MMP) werden seit langem mit Blutungskomplikationen und neurologischen Beeinträchtigungen nach einem ischämischen Schlaganfall in Verbindung gebracht. Allerdings existieren noch keine Studien, welche die früheste Freisetzung dieser Enzyme direkt in den vom Schlaganfall betroffenen Hirnregionen und ihre prognostische Bedeutung in einem therapeutischen Kontext untersucht haben.

Intravaskuläre weiße Blutkörperchen - neutrophile Granulozyten - als Quelle von MMP-9 identifiziert 

Das hat Dr. Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) nun gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Schuhmann, Leiter des klinischen Labors der Neurologie, und der interdisziplinären neurovaskulären Arbeitsgruppe geändert. Ihre Forschungsergebnisse zu verschiedenen Matrixmetalloproteinasen und ihrer prognostischen Relevanz, die anhand von winzigen Blutproben direkt aus dem Gehirn von Schlaganfallpatientinnen und -patienten gewonnen wurden, noch bevor das Gerinnsel mechanisch entfernt wurde und das wiedereinströmende Blut die Situation vor Ort massiv verändert hätte, wurden in eBioMedicine, dem translationalen Fachjournal der international führenden Lancet-Gruppe, veröffentlicht. 

Das endovaskuläre Schlüsselverfahren hierzu hatte das interdisziplinäre Team in mehrjähriger Vorarbeit etabliert. Dabei konnten die Forschenden erstmals belegen, dass beim Menschen während eines Schlaganfalls eine sofortige massive Entzündungsreaktion im Gehirn stattfindet, die durch bestimmte Botenstoffe sowie eine Immunzellinvasion in das abgeriegelte Gefäßsystem über Umgehungskreisläufe charakterisiert ist. Nun haben die Forschenden aus Würzburg bei ihrer Analyse von 264 Proben von 132 Schlaganfallpatientinnen und -patienten belegen können, dass von eindringenden Neutrophilen, einer Art weißer Blutkörperchen, enzymatisch aktive Matrixmetalloproteinase (MMP)-9, nicht aber das zur gleichen Enzymfamilie gehörende MMP-2, in die Blutgefäße des betroffenen Hirnareals freigesetzt wird.

Lokale Freisetzung von MMP-9 ist ein Prädiktor für schwerste Verläufe

Und tatsächlich: „Die lokale Freisetzung von MMP-9 vor Thrombektomie war ein starker unabhängiger Prädiktor für raumfordernde Einblutungen und schwerste Behinderung oder Tod im frühen klinischen Verlauf trotz erfolgreicher Rekanalisation“, schildert Alexander Kollikowski. „Die Daten aus den gewonnen Proben deuten darauf hin, dass lokal stärkste Konzentrationserhöhungen von MMP-9 einen erheblichen Informationswert für die Vorhersage dieser Ereignisse haben, womit wir erstmals einen Konzeptnachweis für früheste lokale Biomarker vor einer therapeutischen Rekanalisation erbracht haben.“ Damit ist örtlich freigesetztes MMP-9 ein pathophysiologisch relevanter Biomarker zur Identifizierung der klinisch relevantesten Hochrisikogruppen für schwere Verläufe nach einer mechanischen Thrombektomie, noch bevor die eigentlich therapeutischen Schritte eingeleitet werden, um den Blutfluss zum betroffenen Hirnareal wiederherzustellen. 

Für diesen Befund gibt es eine plausible Erklärung aus der Grundlagenforschung: Es ist seit langem bekannt, dass MMP-9 die schützende Blut-Hirn-Schranke schwer schädigen kann, was wiederum eine erhöhte Blutungsneigung zur Folge hat. Michael Schuhmann resümiert: „Unsere Ergebnisse haben damit weitreichende Implikationen für die zukünftige präklinische und klinische Schlaganfallforschung, insbesondere für die Implementierung erweiterter Behandlungskonzepte für die Akutphase zur Verbesserung des Outcome. Im Rahmen weiterführender Untersuchungen zeichnen sich schon jetzt vielfältige erweiterte Konzepte für zukünftige Schlaganfalltherapien ab.“

Forschungsförderung

Diese Untersuchungen wurden durch das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Würzburg (Projekt T-516; Kollikowski/Schuhmann: Integration von zerebraler Hämodynamik, Hämorheologie und Inflammation im hyperakuten Schlaganfall) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG  (TR240 Projekt B02; Stoll/Pham: Thrombozyten-abhängige Schädigungs- und Schutzmechanismen im akuten Schlaganfall) gefördert. Aktuell wird Michael Schuhmann durch die Hentschel-Stiftungsprofessur unterstützt.

Zahlen, Daten und Fakten zum Schlaganfall

Jedes Jahr erleiden etwa 250.000 bis 300.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Laut Robert-Koch-Institut hatten bereits 2,5 Prozent der Erwachsenen hierzulande einen Schlaganfall, das entspricht einem von 40 Menschen in Deutschland. Trotz Fortschritten in der Vorsorge und Behandlung wird die globale Krankheitslast infolge von Schlaganfällen bis zum Jahr 2050 stetig ansteigen, sodass es zu diesem Zeitpunkt weltweit rund 200 Millionen Überlebende von Schlaganfällen geben wird, einhergehend mit jährlich über 30 Millionen Neuerkrankungen und 12 Millionen Todesfällen. Weitere Informationen:Deutsche Schlaganfall Gesellschaft, Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe und Hentschel-Stiftung

Literatur; The Lancet Discovery Science:
Kollikowski, A. M. et al. MMP-9 release into collateral blood vessels before endovascular thrombectomy to assess the risk of major intracerebral haemorrhages and poor outcome for acute ischaemic stroke: a proof-of-concept study. EBioMedicine 103, 105095 (2024). doi.org/10.1016/j.ebiom.2024.105095 

Text: Kirstin Linkamp 
 

Das Forscher-Team im Labor
An der Studie beteiligte Forscher am Fluoreszenzmikroskop mit aktiven MMP-9 positiven Entzündungszellen aus einem betroffenen Hirngefäß (v.l.n.r.): Alexander Kollikowski, Michael Schuhmann, Guido Stoll und Mirko Pham. © Vivian Vogt
MMP-9-expressierende Zellen unterm Fluoreszenzmikroskop
Erstmalige Beobachtung stark MMP-9-expressierender neutrophiler Granulozyten aus einer betroffenen Hirnregion bei hyperakutem ischämischem Schlaganfall. © Alexander Kollikowski

Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Neues Präventionszentrum eröffnet

Psychische Störungen sind in Deutschland weit verbreitet. Das Deutsche Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit arbeitet daran, ihre Häufigkeit zu verringern. Jetzt wurde die Einrichtung offiziell eröffnet.

Schlüsselübergabe zur Eröffnung des DZPP mit (v.l.) Thomas Jansing (Sternstunden), Tobias Bansen und Franziska Klemm (KKH), Marcel Romanos (DZPP), Tim J. von Oertzen (UKW), Arne Bürger (DZPP) und Uwe Klug (JMU). (Foto: Gunnar Bartsch / Uni Würzburg)

Würzburg. Mit einem Festakt, einem wissenschaftlichen Vortragsprogramm und zahlreichen Gästen aus Wissenschaft und Politik hat das Deutsche Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit (DZPP) am Freitag, 19. April 2024, offiziell seine Eröffnung gefeiert. Der Neubau auf dem Campus der Universität Würzburg bietet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, in interdisziplinären Arbeitsgruppen Präventionsprogramme zu entwickeln und zu erproben, die darauf abzielen, psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern. Ziel ist es darüber hinaus, die Effektivität dieser Programme zu evaluieren und diese in der Fläche verfügbar zu machen.

Das Zentrum

Das Deutsche Zentrum für Präventionsforschung Psychische Gesundheit (DZPP) wurde in gemeinsamer Trägerschaft der Julius-Maximilians-Universität und des Universitätsklinikums Würzburg gegründet. Interdisziplinär aufgebaut, ist es mit seiner Konzeption in Deutschland einzigartig. Das Zentrum legt einen wesentlichen Fokus auf qualitativ hochwertige und innovative Präventionsforschung mit hohem Potenzial für die Anwendung in der Fläche. Dazu gehören verschiedenste methodische Ansätze von der Grundlagenforschung über Angebote für Schulen bis hin zu gezielten Ansätzen mittels virtueller Realität.

Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beraten Betroffene, Familienangehörige, Schulen und andere Institutionen und bilden damit ein Scharnier zwischen Grundlagenforschung und Versorgungsstrukturen.

Das DZPP vereint dafür verschiedenste Fachdisziplinen: Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinderheilkunde, Psychologie, Psychiatrie, Pädagogik, Allgemeinmedizin, Epidemiologie, Informatik und viele mehr. Die multiprofessionelle Expertise wird ergänzt durch ein breites, kooperatives Netzwerk, zum Beispiel mit dem Schulsystem, der Jugendhilfe, dem kommunalen System, Behörden und der Politik.

Geleitet wird das DZPP von Professor Marcel Romanos, Direktor des Zentrums für Psychische Gesundheit, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg. Die Geschäftsführung hat Dr. Arne Bürger inne.

Homepage des DZPP: https://www.med.uni-wuerzburg.de/dzpp/

Das Gebäude

Untergebracht ist das DZPP in einem Neubau auf dem Campus Hubland Nord der Universität Würzburg. In dem dreigeschossigen Gebäude mit gut 580 Quadratmetern Nutzfläche stehen dem DZPP rund 230 Quadratmetern zur Verfügung. Die übrige Fläche ist für weitere Nutzer der Universität vorgesehen. Die Bauzeit betrug drei Jahre.

Rund 3,6 Millionen Euro hat der Bau des Gebäudes gekostet, für dessen Planung und Ausführung das Staatliche Bauamt Würzburg zuständig war. Für den Anteil des DZPP hat der Würzburger Förderverein Menschenskinder e.V. eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Der Verein unterstützt psychisch kranke Kinder und Jugendliche in Unterfranken; er hatte das Geld bei der Initiative Sternstunden e.V. eingeworben, einer Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks. Zusätzlich hat der Förderverein vor Kurzem eine erneute Spende in Höhe von 10.000 Euro an die Verantwortlichen des DZPP überreicht – ein weiterer Beitrag, „um das Präventionszentrum auszubauen und voll funktionsfähig zu machen“, wie er schreibt.

Projektpartner ist außerdem die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), die bereits Forschungsprojekte zu Prävention psychischer Störungen am Standort Würzburg finanziert.

Stimmen zur Eröffnung

„Das Sternstunden-Präventionszentrum ist die neue Heimat des Deutschen Zentrums für Präventionsforschung Psychische Gesundheit DZPP. Wir sind Sternstunden e.V. überaus dankbar für das Vertrauen in uns und die Idee des DZPP. Das Institut ist deswegen so besonders, da es unter Zusammenarbeit von vielen verschiedenen Disziplinen die gesamte Entstehungskette von Präventionsprogrammen abbildet. Es geht zunächst um die systematische Entwicklung von Programmen unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftliche Erkenntnisse. Das DZPP kümmert sich in der Folge aber auch um die konsequente Erprobung und wissenschaftliche Evaluation der Programme bis hin zur Verbreitung in der Fläche und um die Effekte auf die Bevölkerung. Damit haben wir ein zukunftsfähiges Instrument geschaffen, das nachhaltig der Gesundheit der gesamten Gesellschaft dienen soll.“  Prof. Dr. Marcel Romanos (Institutsvorstand DZPP)

„Die Eröffnung des Deutschen Zentrums für Präventionsforschung Psychische Gesundheit in Bayern ist ein Meilenstein für die psychische Gesundheitsvorsorge. Das Zentrum ist mit seinem interdisziplinären Ansatz deutschlandweit einzigartig und soll die psychische Gesundheit der Menschen nachhaltig stärken und schützen. Ein solches Zentrum ist damit wichtiger denn je. Denn leider haben die psychischen Belastungen in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Und das betrifft nicht nur Erwachsene. Gerade auch Kinder und Jugendliche sind stark belastet. Ich freue mich, dass uns das Engagement für mehr psychische Gesundheit, für mehr gesundes Aufwachsen gemeinsam antreibt.“ Judith Gerlach (Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention)

„Die heutige Eröffnung ist ein Meilenstein auf dem Weg der Verbesserung der Lebensqualität unserer Kinder. Sie zeigt, dass durch Wissenschaft, Hoffnung auf eine bessere Zukunft möglich wird. Das Sternstunden-Präventionszentrum wird zu einem Ort, an dem Ideen gedeihen, Innovationen entstehen und somit die psychische Gesundheit unserer Gesellschaft gestärkt wird. Die Julius-Maximilians-Universität ist stolz darauf, dass wir gemeinsam mit dem Uniklinikum Würzburg Trägerinnen dieses innovativen Zentrums sind.“ Dr. Uwe Klug (Kanzler der Universität Würzburg)

„Mit dem neuen Präventionszentrum bauen wir das Versorgungsangebot der Universitätsmedizin Würzburg weiter aus und ergänzen die etablierten stationären und ambulanten Strukturen am UKW. Psychische Erkrankungen entwickeln sich oft in jungen Jahren. Gerade deshalb sind der Ausbau und die Entwicklungen neuer präventiver Maßnahmen sowie die Früherkennung enorm wichtig. Im Idealfall kann so das Risiko einer chronischen Erkrankung reduziert werden. So ist etwa bekannt, dass eine Intervention im Kindergartenalter hilft, Sozialverhaltensstörungen zu verhindern. Verhindern wir eine Erkrankung im Kindesalter, hat dies enorme Auswirkungen auf die gesamte Lebensspanne, also viele Jahrzehnte. Im Zentrum werden nun verschiedene Disziplinen zusammengeführt mit dem Ziel, innovative Präventionsprogramme für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Genau das ist eine der Kernaufgaben der Universitätsmedizin. Mit diesem Neubau wird das konkret sichtbar. Mein Dank geht daher besonders allen, die diesen Neubau auch finanziell möglich gemacht haben.“ PD Dr. Tim J. von Oertzen (Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender, Universitätsklinikum Würzburg)

„Unser Anliegen als KKH ist es, wirksame Präventionsprogramme insbesondere für Heranwachsende anzubieten. Mit dem Deutschen Zentrum für Präventionsforschung und Psychische Gesundheit haben wir einen Partner, der sich die Entwicklung, Evaluation und Verbreitung genau dieser evidenzbasierten Prävention zur Aufgabe gesetzt hat. Wir freuen uns, vier Jahre der erfolgreichen Zusammenarbeit fortsetzen zu können.“ Tobias Bansen (Referatsleiter Prävention und Selbsthilfe, KKH Kaufmännische Krankenkasse)

„Um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland steht es nicht gut – drei Lockdowns haben seelische Schäden bei der jüngeren Generation noch verstärkt. Deshalb hat Sternstunden sehr gerne den Bau des Sternstunden-Präventionszentrums unterstützt und somit geholfen, die Lücke bei der Prävention psychischer Erkrankungen in Kindheit und Jugendalter zu schließen.“ Thomas Jansing (Vorstandsvorsitzender und Initiator von Sternstunden)

Schlüsselübergabe zur Eröffnung des DZPP mit (v.l.) Thomas Jansing (Sternstunden), Tobias Bansen und Franziska Klemm (KKH), Marcel Romanos (DZPP), Tim J. von Oertzen (UKW), Arne Bürger (DZPP) und Uwe Klug (JMU). (Foto: Gunnar Bartsch / Uni Würzburg)

Universitäts-Frauenklinik: Begehrte Aufkleber schmücken Chemotherapie-Pässe

Seit vielen Jahren verziert eine onkologische Fachkraft der Chemotherapie-Ambulanz der Würzburger Universitäts-Frauenklinik die Therapiepässe der Krebspatientinnen mit fröhlich-bunten Stickern. Was als spontane Idee begann, ist längst eine beliebte Tradition.

Die Patientin Christina W. (links) und Schwester Katja Ziegler (rechts) präsentieren den mit Aufklebern verzierten Therapiepass.
Die Patientin Christina W. (links) und Schwester Katja Ziegler präsentieren den mit Aufklebern verzierten Therapiepass.
Mit den Stickern wird der Therapiepass zu „einer Art Poesiealbum“. Bild: UKW / Katja Ziegler
Mit den Stickern wird der Therapiepass zu „einer Art Poesiealbum“. Bild: UKW / Katja Ziegler
In diesem Fall dienten die Aufkleber-Motive zur Inspiration für Schmuckelemente am Sammelarmband der Patientin.  Bild: UKW / Katja Ziegler
In diesem Fall dienten die Aufkleber-Motive zur Inspiration für Schmuckelemente am Sammelarmband der Patientin. Bild: UKW / Katja Ziegler

Würzburg. Vor gut 22 Jahren entschied Tobias, das Sticker-Sammeln aufzugeben. Der damals Zwölfjährige hätte das bunte Aufkleber-Konvolut einfach entsorgt. Zu schade, wie seine Mutter Katja Ziegler fand. Stattdessen nahm die onkologische Fachkraft die vielen Abzieh-Blätter mit Smilies, Herzen, Tieren und Blüten mit an ihren Arbeitsplatz in der Chemotherapie-Ambulanz der Würzburger Universitäts-Frauenklinik. Dort begann sie aus einer spontanen Idee heraus, mit den fröhlichen Blickfängen die Therapiepässe der Krebspatientinnen zu verzieren. „Unsere Frauen erhalten dieses Dokument zu Beginn ihrer Behandlung. In das Heft werden die Diagnose sowie fortlaufend die Therapien, Laborwerte und Behandlungstermine notiert“, erläutert die erfahrene Pflegekraft. Nach ihren Worten hilft der Therapiepass sowohl den Patientinnen als auch den Ärztinnen und Ärzten der Frauenklinik und der Hausarztpraxen, einen guten Überblick zu behalten. Auch über lange Zeiträume, schließlich können sich die oft in Zyklen aufgeteilten Chemotherapien zum Teil über viele Monate erstecken. 

Pro Ambulanzbesuch ein neuer Sticker


Trotz – oder vielleicht gerade wegen – dieses ernsten Hintergrunds kam die „Verschönerungsmaßnahme“ bei den Patientinnen vom Start weg sehr gut an. Bei jeder Vorlage des Therapiepasses in der Anmeldung der Ambulanz wurde jeweils ein neuer Sticker platziert – so lange, bis die Sammlung von Tobias aufgebraucht war. „Als es dann plötzlich keine Aufkleber mehr gab, regnete es enttäuschte Nachfragen, so dass wir zuerst aus unserer Kaffeekasse neue Sticker nachkauften“, erinnert sich Katja Ziegler. Allerdings etablierte sich schnell und quasi ‚von selbst‘ der Brauch, dass manche Patientinnen von Zeit zu Zeit neue Aufkleber mitbringen. „Im Moment ist unsere Sticker-Schublade gut gefüllt“, versichert Schwester Katja augenzwinkernd. 

Viele nette Reaktionen und kleine Anekdoten


Aus den über zwei Jahrzehnten, in denen diese Praxis nun schon gelebt wird, gibt es jede Menge kleine Geschichten und positive Reaktionen. Für Christina W. wird der Therapiepass durch die wachsende Bildersammlung „zu einer Art Poesiealbum“, während eine Mitpatientin berichtet, dass die Sprechstundenhelferinnen in der Hausarztpraxis immer ganz neugierig sind, welche neuen Motive es zu entdecken gibt. 
Aktuell versüßt der Ehemann von Christina W. jede ihrer Chemotherapie-Sitzungen mit einem neuen Schmuckelement für ein Sammelarmband. Ob Schmetterling, Blüte oder Igel – bei der Motivwahl orientiert er sich am aktuellen Aufkleber im Therapiepass. 
„Erstmal schlucken mussten wir, als wir von der vierjährigen Tochter einer Patientin erfuhren, die sich wünschte, auch krank zu sein, um auch so schöne Sticker zu bekommen“, berichtet Katja Ziegler und fährt fort: „Wir haben ihr dann zu ihrer großen Freude über ihre Mutter eine Aufkleberserie mit der ‚Eisprinzessin‘ nach Hause geschickt.“ 
Prof. Dr. Achim Wöckel, der Direktor der Frauenklinik, freut sich über die jahrelang gepflegte, „informelle“ Praxis: „Ganzheitliche Betreuung ist ein großes Wort. An diesem Beispiel zeigt sich, wie gut selbst ganz kleine Formen von freundlicher Zuwendung bei unseren Patientinnen ankommen können.“
 

Die Patientin Christina W. (links) und Schwester Katja Ziegler (rechts) präsentieren den mit Aufklebern verzierten Therapiepass.
Die Patientin Christina W. (links) und Schwester Katja Ziegler präsentieren den mit Aufklebern verzierten Therapiepass.
Mit den Stickern wird der Therapiepass zu „einer Art Poesiealbum“. Bild: UKW / Katja Ziegler
Mit den Stickern wird der Therapiepass zu „einer Art Poesiealbum“. Bild: UKW / Katja Ziegler
In diesem Fall dienten die Aufkleber-Motive zur Inspiration für Schmuckelemente am Sammelarmband der Patientin.  Bild: UKW / Katja Ziegler
In diesem Fall dienten die Aufkleber-Motive zur Inspiration für Schmuckelemente am Sammelarmband der Patientin. Bild: UKW / Katja Ziegler

In Erinnerung an jüdische Ärztinnen und Ärzte

Eine vom Uniklinikum Würzburg unterstützte, öffentliche Vortragsveranstaltung informierte aus vielen Perspektiven über die Schicksale von jüdischen Ärztinnen und Ärzten in der Zeit des Nationalsozialismus.

Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei der Informationsveranstaltung am UKW. Foto: UKW / Anna Wenzl
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei der Informationsveranstaltung am UKW. Foto: UKW / Anna Wenzl

Würzburg. Am 17. April 2024 wurden in Würzburg weitere elf „Stolpersteine“ zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Ergänzend dazu fand am Abend des Aktionstages im Hörsaal des Rudolf-Virchow-Zentrums am Uniklinikum Würzburg (UKW) eine öffentliche Informationsveranstaltung mit dem Titel „Jüdische Ärzte in der NS-Zeit“ statt. Organisiert wurde sie vom Arbeitskreis Würzburger Stolpersteine und dem Ärztlichen Kreisverband Würzburg; das UKW und Medizinische Fakultät der Uni Würzburg fungierten als Kooperationspartner. 

Dr. Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass Menschen in Gesundheitsberufen in der NS-Zeit einen großen Anteil daran hatten, die nationalsozialistische Rassenlehre, den Antisemitismus und die Diskriminierung von Menschen gesellschaftlich zu legitimieren. „Von allen Akademikergruppen waren die Ärzte am häufigsten Parteimitglieder. Sie profitierten stark vom Ausschluss jüdischer Ärzte“, so Schuster. Organisierten Widerstand gab es nach seinen Worten unter Medizinern kaum. Der Würzburger Arzt betonte: „Das Wissen um die extreme Verletzung der Menschenwürde damals bewahrt uns vor unbedachten Schritten heute. In Medizingeschichte sollten wir unseren Studierenden nicht nur vermitteln, wer wann das Penicillin entdeckte. Der medizinische Nachwuchs muss auch das NS-Euthanasieprogramm kennen, die Zwillings-Versuche von Josef Mengele und die Menschenexperimente in den Konzentrationslagern.“

Die Würzburger Bürgermeisterin Judith Roth-Jörg unterstrich in ihrer Ansprache die Bedeutung der Stolperstein-Aktion und auch der Vortragsveranstaltung für einen persönlicheren Zugang zu den unfassbaren Ereignissen der NS-Zeit. Begrüßt wurden die über 400 Zuhörerinnen und Zuhörer von Philip Rieger, dem Kaufmännischen Direktor des Uniklinikums. Er dankte vor allem dem Würzburger Arbeitskreis Stolpersteine für die kontinuierliche Arbeit beim Verlegen der Stolpersteine. Damit werde die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus weiterhin dauerhaft an den verschiedenen Orten in der Stadt im Alltag präsent gehalten.

Verfolgung prägte die Biografien der Ärztinnen und Ärzte

Den Hauptvortrag des Abends übernahm die Historikerin Linda Damskis. Gestützt auf die Inhalte ihres Buches „Zerrissene Biografien – Jüdische Ärzte zwischen nationalsozialistischer Verfolgung, Emigration und Wiedergutmachung“ zeigte sie auf, wie das NS-Regime jüdischen Medizinerinnen und Medizinern ihre berufliche, soziale und wirtschaftliche Existenz raubte. Viele wurden Opfer der Deportationen in die Vernichtungslager. Andere überlebten in der Emigration, wo sie unter höchst unterschiedlichen Bedingungen einen beruflichen Neuanfang suchten. Nur die wenigsten kehrten nach 1945 in die frühere Heimat zurück. Anhand von ausgewählten Lebensläufen zeichnete Damskis zum einen nach, dass die nationalsozialistische Verfolgung sich gezielt gegen die Berufsgruppe der jüdischen Ärzte richtete und in jedem Fall Auswirkungen auf das Lebensganze entfaltete. Zum anderen würdigte sie durch eine differenzierte Darstellung die Individualität der Verfolgten. Das biografische Spektrum reichte von Deportationsopfern und Überlebenden des Holocaust bis zu Emigranten und Remigranten. Damskis ließ die Geschichte jüdischer Ärzte somit nicht in der NS-Zeit enden, sondern blickte über die Epochenzäsur von 1945 hinaus bis hin zur späteren Auseinandersetzungen um Entschädigung für das erlittene Unrecht. „Dabei ging es nicht nur um die materielle Seite“, betont Damskis, „sondern auch darum, dass die Verfolgung als Unrecht anerkannt wurde. Darin lag ein hoher symbolischer Wert. Denn durch die Möglichkeit, einen Antrag auf Entschädigung zu stellen, konnten entrechtete Mediziner wieder als Rechtssubjekte gegenüber dem ehemaligen Verfolgerstaat auftreten.“

Aufwändige Recherche für ein möglichst vollständiges Bild

Obwohl 1933 weniger als ein Prozent der Deutschen Juden waren, betrug ihr Anteil bei Ärztinnen und Ärzten mehr als zehn Prozent. In einigen Städten, wie zum Beispiel in Berlin, und in einigen medizinischen Fachgebieten, war der Anteil an Jüdinnen und Juden besonders hoch. So waren etwa die Hälfte aller Kinderärztinnen und -ärzte sowie mehr als ein Viertel der Hautärztinnen und -ärzte jüdischen Glaubens. Schon unmittelbar nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erfuhren sie Repressalien. Wie schwierig ein möglichst vollständiges Erinnern an diese Personen und ihre Schicksale ist, verdeutlichten Prof. Dr. Eva-Bettina Bröcker und Prof. Dr. Wolfgang Schmitt-Buxbaum in ihrem Vortrag. Die ehemalige Direktorin der Würzburger Universitäts-Hautklinik und der langjährig am Würzburger Juliusspital tätige Röntgenologe widmen sich dieser medizinhistorischen Aufgabe seit einigen Jahren und veröffentlichten ihre Ergebnisse im Jahr 2022 in einem gemeinsamen Buch. Sie berichteten bei der Veranstaltung, dass bislang als Informationsgrundlage über die Betroffenen oft die Mitgliederlisten der medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden. „Da aber viele jüdische Ärztinnen und Ärzte aus ihrer Fachgesellschaft austraten oder zum Austritt gezwungen wurden, kann man sich nicht allein auf diese Dateien stützen“, schilderte Bröcker. Als weitere Quelle können nach ihren Worten die Reichs-Medizinal-Kalender (RMK) dienen. Das ab dem 19. Jahrhundert jährlich aktualisierte Nachschlagewerk erfasste alle approbierten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands mit ihrem jeweiligen Fachgebiet. „Im Jahr 1937 wurde befohlen, jüdische Ärztinnen und Ärzte im RMK mit einem graphischen Zeichen zu kennzeichnen. Das infame Ziel dabei war, all diesen im Folgejahr ihre Approbation und damit die Möglichkeit zur Berufsausübung entziehen zu können, was dann 1938 auch geschah“, erläuterte Schmitt-Buxbaum. 
Der RMK von 1937 listete 4264 noch in Deutschland tätige jüdische Ärztinnen und Ärzte auf. Beim akribischen Vergleich mit Artikeln und Büchern aus den Jahren 2000 bis 2020 fand das Autorenduo 960 ärztliche Kolleginnen und Kollegen, die in den bisher publizierten Gedenklisten noch fehlten. Deren Namen und Fachgebiete sind im Anhang ihres Buchs „Von Dr. Abel bis Dr. Zwirn – das schwierige Gedenken an jüdische Ärzte und Ärztinnen im Nationalsozialismus“ aufgeführt, was nach ihrer Einschätzung künftige medizinhistorische Recherchen erleichtern könnte.

Lebenswege von lokalen jüdischen Ärztinnen und Ärzten

Eine lokale Perspektive brachten Ingrid Sontag und Elke Wagner vom Arbeitskreis Würzburger Stolpersteine ein. In ihrem Vortrag präsentierten sie einige Rechercheergebnisse zu jüdischen Ärztinnen und Ärzten in Würzburg. Sie erläuterten, wie sich die Zahl der niedergelassenen Medizinerinnen und Mediziner bis 1938 entwickelte und in welchen Bereichen sie tätig waren. Auffällig war hierbei der hohe Frauenanteil: Zeitweise wurden fünf von insgesamt 14 jüdischen Praxen in Würzburg von Ärztinnen geführt. „Was die Krankenhäuser der Stadt angeht, war natürlich die Tätigkeit von jüdischen Ärzten im Israelitischen Kranken- und Pfründnerhaus in der Konradstraße bedeutend, aber auch im Luitpoldkrankenhaus, dem späteren Uniklinikum, arbeiteten viele jüdische Professoren“, schilderte Ingrid Sontag. Deren Namen, wie Manasse, Grünthal, Hellmann oder Meyer-Alsleben, sind nach ihren Worten heute nur noch wenigen bekannt. Als Fallbeispiele beschrieb Elke Wagner die Schicksale von drei Würzburger Ärzten: Hofrat Dr. Max Pretzfelder wurde der Opfer der Shoa, Heinrich Oppenheimer überlebte, weil er eine nicht-jüdische Ehefrau hatten, während Max Strauss, der Inhaber der größte Kassenpraxis Würzburgs, größten Repressalien ausgesetzte war und – wie die meisten – emigrieren musste. Die Referentinnen stellten ein Handout zu Verfügung, das in knapper Form die Lebenswege von etwa lokalen 40 Ärztinnen und Ärzten aufzeigt, die ihre Tätigkeit oder Ausbildung zwischen 1933 und 1938 abbrechen mussten. Die Angabe der wichtigsten Recherchequellen soll es ermöglichen, sich genauer zu informieren und zu weiteren Recherchen im medizinischen Umfeld anregen.

Klara-Oppenheimer-Route als weiteres Element der Erinnerungskultur

Die Veranstaltung war zudem eine Gelegenheit, die von der Klara-Oppenheimer-Schule gemeinsam mit dem Arbeitskreis Würzburger Stolpersteine und dem Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken neu entwickelte Klara-Oppenheimer-Route durch die Würzburger Innenstadt der Öffentlichkeit vorzustellen. Laut Dr. Christina Burger vom Arbeitskreis Stolpersteine Würzburg zeichnet das Projekt die Lebensstationen der Namensgeberin der Schule nach. Die im Jahr 1867 geborene Klara Oppenheimer gehörte zu den ersten vier Studentinnen, die sich an der Universität Würzburg einschrieben, und war 1918 die erste Ärztin, die sich in Würzburg niederließ. Geprägt durch ihren eigenen Berufsweg setzte sich Oppenheimer für die gleichberechtigte Bildung und Berufstätigkeit für Männer und Frauen ein und leistete hier Pionierarbeit. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 war sie in ihrer zweiten Lebenshälfte als Jüdin Denunziation, Entrechtung und Enteignung ausgesetzt. 1943 wurde sie in Theresienstadt ermordet. „Die Route soll vor allem junge Menschen ansprechen und den historischen Kontext der Zeit des Nationalsozialismus vermitteln“, schilderte Christoph Zobel, Lehrer an der Klara-Oppenheimer-Schule. Der Audiowalk nutzt dazu analoge und digitale Medien. Er startet am Wohnhaus der Familie in der Friedensstraße 26 und endet am Denkort Deportationen am Würzburger Hauptbahnhof. Unterwegs werden an verschiedenen Stationen Themen wie Widerstand, Bildung und Frauenrechte sowie Vielfalt der in der NS-Zeit verfolgten Menschen angesprochen. Die Route wird Mitte Mai 2024 fertiggestellt und dann auch digital auf der Website der Klara-Oppenheimer-Schule verfügbar sein.

Die musikalische Gestaltung des Abends übernahmen Schülerinnen und Schüler des Matthias-Grünewald-Gymnasiums.
 

Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei der Informationsveranstaltung am UKW. Foto: UKW / Anna Wenzl
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, bei der Informationsveranstaltung am UKW. Foto: UKW / Anna Wenzl