Nie wieder Karies?

Interview mit Professor Dr. Raimund Hibst, dem Leiter des „Instituts für Lasertechnologien in der Medizin und Meßtechnik“ an der Universität Ulm, zur Erforschung der Kariesprävention durch Laserbeschuss

Säurehaltige Lebensmittel und vor allem von Bakterien produzierte Säuren können den Zahnschmelz angreifen und auflösen. Durch prophylaktische Maßnahmen wie eine Fluoridapplikation kann die Säureresistenz des Zahnschmelzes erhöht und Karies vorgebeugt werden. Wissenschaftler in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt haben es nun geschafft, durch den Beschuss des Zahnschmelzes mit Laserpulsen dessen Säurelöslichkeit zu reduzieren. Bestätigen sich die Ergebnisse in klinischen Studien, könnte zukünftig eine einmalige Laserbehandlung bereits zu einer dauerhaften präventiven Wirkung führen. Der Forschungsleiter Professor Dr. Raimund Hibst erklärt Hintergründe und Ergebnisse des Projekts.

Herr Prof. Hibst, was hat Sie dazu veranlasst, den Zahn zur Kariesprävention einem Laserbeschuss zu unterziehen?
Laser wurden bis dato nur für die Abtragung von Materialien eingesetzt, zum Beispiel zum Bohren von Löchern oder in der Augenheilkunde für die Hornhautbehandlung. Es wurden zwar bereits auch Laser im Bereich der Kariesprävention erforscht, jedoch verursachten diese meist Probleme: Es kam zu kleinen Rissen oder die Temperatur war zu hoch, weshalb sich ihre Nutzung in der Praxis nie durchgesetzt hat. Wir stellten uns nun die Frage, ob ein Laser mit sehr kurzen Pulsen (Femtosekundenlaser) dafür geeignet ist, die Säureempfindlichkeit - und somit Kariesanfälligkeit - des Schmelzes zu reduzieren, um ihn weniger anfällig für Karies zu machen.

Wie kann man sich das vorstellen?
Der Zahnschmelz besteht aus Kristallen, in denen sich so genannte Karbonate, das heißt Kohlenstoffverbindungen, befinden. Diese Karbonate erhöhen die Säurelöslichkeit. Durch Bakterien, die sich beispielsweise durch Nahrungsreste vermehren, entsteht ein saures Milieu, wodurch sich der Zahnschmelz auflöst. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn man Kreide in Säure legt - sie löst sich auf. Der gleiche Vorgang passiert mit dem Zahnschmelz. So entsteht Karies. Die für uns naheliegende Frage war es, ob man die kurzen Laserpulse nutzen kann, um Karbonat-Bindungen zu knacken. Denn wenn man die Karbonate aus dem Zahn herausholen kann, ist der
Schmelz nicht mehr so anfällig für die schädigende Säure.


Welches Potenzial birgt diese Präventionsmaßnahme?
Ziel jedes Einzelnen ist es natürlich, Karies oder andere Zahnerkrankungen zu vermeiden und damit den eigenen Zahn möglichst bis ins hohe Alter zu erhalten. Und für das Gesundheitssystem ergäbe sich ein extremes Kostensenkungspotenzial.

Ist denn der Beschuss des Zahnschmelzes mit kurzen Laserpulsen effektiv?
In den bisherigen Experimenten am Modell konnten wir feststellen, dass der Effekt bei einem alleinigen Beschuss mit kurzen Laserimpulsen sehr gering ist. Es lösen sich zwar Karbonate, jedoch reicht dies nicht für die Erhöhung der Kariesresistenz aus. Die Idee, die sich im Laufe der Studie entwickelte, war, mehrere Faktoren in Kombination einzusetzen. So haben wir den Zahn mit kurzen Pulsen beschossen und gleichzeitig geringe Wärme zugeführt. Dann zeigte sich, dass auch die Länge der Pulse eine Rolle spielt. So kamen zunächst ein Laser mit etwas längeren Nanosekunden-Pulsen (der so genannte Neodym-Laser) und dann ein Mikrosekunden-Laser (der so genannte Erbium-Laser) mit deutlich längeren Pulsen zum Einsatz. Beide Laser sind deutlich kostengünstiger als Femtosekunden-Lasersysteme. Ein Vorteil des Erbium-Lasers liegt außerdem darin, dass er schon in der Zahnheilkunde eingesetzt wird.

Haben Sie Ihr Vorgehen bei der Forschung daraufhin angepasst?
Wir entwickelten schließlich eine neue Vorgehensweise, bei der der Zahn synchron mit kurzen Nano- und längeren Mikrosekunden-Pulsen beschossen wurde. Um die Erwärmung der Zahnoberfläche zu kontrollieren, haben wir eine trickreiche Bestrahlung vorgenommen, bei der der Zahn mit einer Folge von kleinen Pulsen beschossen wird, wodurch er sich leicht erwärmt und die Karbonate ausgetrieben werden. Nach einer kurzen Abkühlung erfolgt wieder der Beschuss. Mit dieser Methode konnte die Kariesresistenz praxistauglich und schmerzfrei erheblich gesteigert werden. Eine weitere Verbesserung ist zu erwarten, wenn man die beschriebene synchrone Bestrahlung mit einer Applikation von Fluoriden kombiniert. Fluor-Ionen, die die Säurelöslichkeit ebenfalls senken, sind zum Beispiel in Zahnpflegeprodukten wie Zahnpasta oder -gelee enthalten.

Welche Auswirkungen haben Ihre Studie und die erzielten Ergebnisse direkt für den Patienten?
Im Moment ist eine flächendeckende Behandlung noch nicht möglich. Der nächste Schritt ist die weitere Optimierung des Verfahrens. Dann folgen erste Anwendungen an Patienten, die wir in der Zahnarztpraxis unseres Instituts durchführen können. Diese Konstellation ist im Übrigen weltweit einmalig. Das „Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Meßtechnik“ (ILM) ist ein „An-Institut“ der Universität Ulm und vereint sein Kompetenzspektrum aus Forschung, „Ingenieurbüro“ und klinischer Anwendung unter einem Dach. Möglich wäre der zukünftige Einsatz der Laser-Geräte in einem Präventionszentrum, wo Kariespatienten - sowohl Kinder als auch Erwachsene - behandelt werden. Unsere Vision ist es, zukünftig mit einer einmaligen Behandlung eine dauerhafte Qualitätsverbesserung der Schmelzoberfläche zu erreichen. Hierfür werden die verschiedenen Parameter, das heißt unter anderem  Wärmezufuhr, zusätzliche Fluoridierung oder zeitliche Abstände, noch weiter variiert, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Raimund Hibst
Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Meßtechnik
Universität Ulm
Helmholtzstraße 12
89081 Ulm
Tel.: 0731 1429-0
Fax: 0731 1429-42
E-Mail: raimund.hibst@ilm.uni-ulm.de

Tipps zur Kariesprävention
Karies ist zwar sehr häufig, kann aber mit einer korrekt durchgeführten Prophylaxe effektiv verhindert werden. Zur Prophylaxe empfehlen Experten die sorgfältige Zahnpflege (regelmäßiges Entfernen von Zahnbelägen und Nahrungsresten), eine zahngesunde Ernährung (weniger zucker- und stärkehaltige Lebensmittel, gemäßigter Genuss von säurehaltigen Nahrungsmitteln wie Obst und Fruchtsäften) und eine ausreichende Fluoridzufuhr der Zähne, zum Beispiel durch entsprechende Pflegepräparate. Beachtet werden sollte auch, dass unmittelbares Zähneputzen nach der Aufnahme saurer Speisen, zum Beispiel Joghurt, die schädigende Wirkung verstärkt. Der durch den Säureangriff demineralisierte Zahnschmelz wird durch die Zahnbürste noch weiter abgerieben. Zunächst sollte die Säure daher neutralisiert werden.

Das Institut
Das „Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Meßtechnik“ (ILM) wurde 1985 als erstes „An-Institut“ der Universität Ulm als Stiftung gegründet und nahm 1986 seine Arbeit auf. Seit der Anfangszeit des ILM gehören die Laseranwendungen in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu den bearbeiteten Themen. Im Jahr 1988 wurde am ILM weltweit zum ersten Mal der Erbium-Laser als Instrument für die Kariesentfernung untersucht.

Ziel des ILM ist die Erschließung neuer Anwendungsfelder für den Laser in der diagnostischen und therapeutischen Medizin in Zusammenarbeit mit der regionalen Industrie. Leitidee dabei ist, die gesamte Wertschöpfungskette von der Idee über Machbarkeitsuntersuchungen und Forschung, über diverse Entwicklungsstufen bis zur Erprobung am Patienten und Unterstützung bei der Markteinführung unter einem Dach zur Verfügung zu haben.