Raucher immer wieder aufs Aufhören ansprechen

Interview mit Suchtforscher Dr. Christian Meyer von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Herr Dr. Meyer, warum ist es so schwierig, mit dem Rauchen aufzuhören?
Das gute Gefühl, das einem Nikotin vermittelt, spürt man sofort, die negativen Folgen des Rauchens oft erst nach Jahren und Jahrzehnten. Aus der Sicht eines Rauchers überwiegen also sehr lange die Vorteile seiner Sucht. Außerdem ist keine andere
Droge gesellschaftlich so akzeptiert wie Nikotin. Auch wenn Sie stark abhängig sind, hat das auf Ihr Sozialleben wenig negative Auswirkungen. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall. Rauchende Freunde oder der Kneipenbesuch wären ohne Tabak nicht denkbar. Ein großes Problem besteht auch darin, dass Tabakwaren so leicht verfügbar sind und dass es immer noch zu wenige Nichtraucherzonen gibt. So werden Raucher ständig neu mit ihrer Droge konfrontiert.

Wie viele Raucher schaffen es, dauerhaft aufzuhören?
Intensive Programme, in denen die Raucher Psychotherapie und zusätzlich oft noch Nikotinersatzpräparate bekommen, erreichen langfristige Erfolgsquoten von 30 bis 40 Prozent. Diese Programme sind aber generell nur für Menschen geeignet, die bereits die feste Absicht haben aufzuhören. Zu dieser Kategorie gehört nur ein geringer Prozentsatz der Raucher. Alle anderen profitieren von dieser Behandlung nicht.

Bei welchen Rauchern bestehen die größten Erfolgsaussichten?
Das wichtigste ist die Motivation. Je motivierter ein Raucher, desto besser die Erfolgsaussichten. Wer durch das Rauchen bereits krank ist, hört ebenfalls häufiger auf. Interessanterweise sind die Chancen außerdem bei Rauchern besser, die schon einen Versuch der Entwöhnung hinter sich haben. Scheinbar erfolglose Versuche bringen wichtige Erfahrungen für den Entwöhnungsprozess. Schwer haben es dagegen stark abhängige Menschen, die oft schon direkt nach dem Aufstehen rauchen müssen. Auch Raucher, die zusätzlich unter anderen psychischen Störungen leiden, schaffen es nur selten ohne intensive Hilfen. 


Mit welchen Methoden werden die besten Erfolge erzielt?
Es kommt darauf an, ob man den Einzelnen betrachtet oder die Bevölkerung insgesamt. Für die wenigen Raucher, die von sich aus aufhören wollen, verspricht ein intensives psychotherapeutisches Programm inklusive medikamentöser Unterstützung die besten Erfolge. Wichtiger als die Abstinenzquote allein ist aber die Frage, wie viele Menschen man mit dem entsprechenden Angebot erreicht. Wir brauchen in erster Linie Programme für die große Mehrheit, die noch nicht den Willen hat aufzuhören. Diese Raucher gehen in keinen Entwöhnungskurs und kaufen keine Nikotinpflaster. Bei ihnen muss man deshalb anders vorgehen. Es ist sinnvoller, sie zunächst einfach immer wieder auf das Rauchen anzusprechen und zur Abstinenz zu motivieren. Hier haben Hausärzte eine Schlüsselrolle, weil sie ihre rauchenden Patienten im normalen Praxisalltag relativ häufig sehen. Angebote zur Entwöhnung beim Hausarzt müssen dann gar nicht so intensiv sein. Manchmal reicht es schon, wenn der Hausarzt jedes Mal, wenn ihm der Patient gegenüber sitzt, einen kurzen Ratschlag gibt, der auf die aktuelle Motivationslage des Patienten abgestimmt ist.

An wen können sich Raucher wenden, die aufhören möchten?
Erster Ansprechpartner kann der Hausarzt sein. Er kennt die regionalen Projekte, zum Beispiel Selbsthilfegruppen und Angebote verschiedener Organisationen. Institutionen wie das Deutsche Krebsforschungszentrum haben außerdem Telefon-Hotlines* eingerichtet. Wer dort anruft, erhält ebenfalls Kontaktadressen in seiner Nähe. Man muss die Frage aber auch umdrehen. Wer sollte sich an die Raucher wenden? Hier sind insbesondere Einrichtungen der medizinischen Versorgung gefordert. Raucher müssen immer wieder angesprochen und in ihrer Motivation gestärkt werden. Auch bei denen, die noch gar nicht darüber nachgedacht haben, kann man dadurch langfristig einiges erreichen.

*Rauchertelefon des Deutschen Krebsforschungszentrums: Tel.: 0 62 21 / 42 42 00, Montag bis Freitag, 15.00 bis 19.00 Uhr