Richtlinien zur Förderung von Forschungsprojekten zur Gewinnung pluri- bzw. multipotenter Stammzellen

vom 11.09.2007 - Abgabetermin: 15.01.2008

Erschienen im Bundesanzeiger Nr. 170 vom 11.09.2007

1. Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage

1.1. Zuwendungszweck


Die Erforschung der Entwicklungspotenziale von Stammzellen hat sich zu einer dynamischen Disziplin mit hohem Interesse für die Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Fragestellungen entwickelt. Je näher die Ergebnisse der Forschung der klinischen Anwendung kommen, umso dringlicher wird die Verfügbarkeit von multi- oder pluripotenten Stammzelllinien. Dabei werden sowohl heterolog transplantierbare als auch patientenspezifische Stammzellen diskutiert.

Angesichts ihrer hohen Entwicklungspotenziale finden dabei embryonale Stammzelllinien große Beachtung. Allerdings werden gerade humane embryonale Stammzellen in einer breiteren Öffentlichkeit kritisch diskutiert, da ihre Gewinnung die Zerstörung von in vitro generierten menschlichen Embryonen voraussetzt. Dies ist in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz nicht zulässig.

Es besteht sowohl für die Forschung als auch für eine mögliche Anwendung der Forschungsergebnisse ein erhebliches Interesse an der Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung von multi- bzw. pluripotenten menschlichen Zelllinien, die mit dem Schutz menschlicher Embryonen kompatibel sind. Dies ist grundsätzlich denkbar über die Nutzung von beim Menschen natürlich vorkommenden multi- oder pluripotenten Zellen oder die Dedifferenzierung bzw. Reprogrammierung von menschlichen Zellen. In den letzten Jahren sind erstmals Ergebnisse publiziert worden, die die grundsätzliche Machbarkeit derartiger Ansätze im Sinne eines proof of principle belegen.

Diese Arbeiten stehen allerdings erst am Anfang. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung beabsichtigt daher, gezielt und fokussiert die Etablierung von Stammzelllinien und die Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung menschlicher Stammzellen mit hohem Differenzierungspotenzial zu unterstützen, um Ausgangsmaterial für die Entwicklung neuer regenerativer Therapieansätze verfügbar zu machen. Die zu entwickelnden Zelllinien und Verfahren müssen die Verwendung und die Klonierung von menschlichen Embryonen im Sinne des Embryonenschutzgesetzes vermeiden. Ziel ist es, ethisch vertretbare und rechtlich zulässige Mechanismen und Methoden zu identifizieren, die dann ggf. zur Dedifferenzierung/Reprogrammierung menschlicher Zellen genutzt werden können. Vorhaben die bereits eine Differenzierung existierender Zelllinien für eine konkrete Anwendung avisieren, werden auf andere Fördermaßnahmen der Regenerativen Medizin im Gesundheitsforschungsprogramm und im Biotechnologieprogramm verwiesen.

1.2. Rechtsgrundlagen

Vorhaben können nach Maßgabe dieser Richtlinien, der BMBF-Standardrichtlinien für Zuwendungen auf Ausgaben- bzw. Kostenbasis und der Verwaltungsvorschriften zu § 44 Bundeshaushaltsordnung (BHO) durch Zuwendungen gefördert werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht nicht. Der Zuwendungsgeber entscheidet auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

2. Gegenstand der Förderung

Gefördert werden Einzelvorhaben oder Forschungsverbünde mit maximal fünf Partnern, die die Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung von multi-/pluripotenten humanen Stammzellen zum Ziel haben.

Forschungsanträge können u. a. folgende Ausrichtung besitzen:

1) Isolierung von natürlich vorkommenden menschlichen multi/pluripotenten Zellen und Charakterisierung ihres Differenzierungspotenzials. Ziel ist die Identifizierung von möglichen Stammzell-Quellen und der Nachweis der Multi/Pluripotenz im Sinne eines „proof of principle“.
2) Entwicklung von Verfahren zur Reprogrammierung adulter menschlicher Zellen, die die zelluläre Integrität nicht beeinträchtigen. Ziel ist es, das Differenzierungspotenzial der Zellen zur Multi- bzw. Pluripotenz zu erweitern. Dies kann ggf. Arbeiten zu Mechanismen der Dedifferenzierung zu multi/pluripotenten Stammzellen einschließen.
a) mit Kulturverfahren unter Zugabe von Wachstumsfaktoren oder anderen Botenstoffen
b) mit gentechnischen Verfahren
3) Entwicklung sonstiger Verfahren zur Herstellung pluripotenter Stammzellen, insbesondere durch Verfahren der Reprogrammierung wie z. B. Zellfusion und Kerntransfer, sowie durch Kombinationen dieser und anderer Verfahren. Ziel ist die Methodenentwicklung, die im Säugetiermodell erfolgen muss.

Angesichts des langfristigen Ziels, Ausgangsmaterial für die regenerative Medizin verfügbar zu haben, werden Ansätze zur Etablierung von Stammzelllinien favorisiert, deren therapeutisches Potenzial nicht bezweifelt werden muss.

In dieser Fördermaßnahme werden nicht gefördert:
- Untersuchungen mit Nicht-Säugern
- Vorhaben, die ausschließlich der Aufklärung zellulärer Differenzierungsmechanismen somatischer Zellen dienen
- Vorhaben zur Fein-Charakterisierung bereits gut etablierter humaner Zelllinien
- Herstellung von Chimären bzw. Hybriden zwischen tierischen und menschlichen Zellen bzw. Zellbestandteilen

3. Zuwendungsempfänger

Antragsberechtigt sind staatliche und nicht-staatliche Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Forschungseinrichtungen, die gemeinsam von Bund und Ländern grundfinanziert werden, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Projektförderung für ihren Aufwand bewilligt werden.

4. Zuwendungsvoraussetzungen

Die Antragsteller müssen durch einschlägige wissenschaftliche Vorarbeiten ausgewiesen sein und vor allem im Falle von Verbundvorhaben eine hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit mitbringen. Im Hinblick auf die Förderung von Verbünden wird eine gemeinschaftliche Antragstellung der Interessenten vorausgesetzt. Die Partner eines Verbundvorhabens haben ihre Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung zu regeln. Vor der Förderentscheidung über ein Verbundprojekt muss eine grundsätzliche Übereinkunft der Kooperationspartner über bestimmte vom BMBF vorgegebene Kriterien nachgewiesen werden, die einem Merkblatt zu entnehmen sind (BMBF-Vordruck 0110).
Die geplanten Vorhaben, insbesondere zur Methodenentwicklung, können explorativen Charakter haben. Sie müssen schlüssig begründet sein und auf gesichertem naturwissenschaftlichem Wissen aufbauen. Die zur Durchführung erforderliche Infrastruktur wird vorausgesetzt.

Antragsteller sollen sich - auch im eigenen Interesse - im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens mit dem EU-Forschungsrahmenprogramm vertraut machen. Sie sollen prüfen, ob das beabsichtigte Vorhaben spezifische europäische Komponenten aufweist und damit eine ausschließliche EU-Förderung möglich ist. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens ergänzend ein Förderantrag bei der EU gestellt werden kann. Das Ergebnis der Prüfungen soll im nationalen Förderantrag kurz dargestellt werden. Informationen zur EU-Förderung können hier abgerufen werden.

5. Art, Umfang und Höhe der Zuwendung

Die Zuwendungen können im Wege der Projektförderung für einen Zeitraum von in der Regel bis zu 3 Jahren als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden.
Etwa zwei Jahre nach der ersten Bekanntmachung wird der Abgabetermin für die Auswahlrunde zu einer weiteren Förderphase bekannt gegeben und im Internet veröffentlicht. Aufgrund der Dynamik des Forschungsgebietes können zu diesem Zeitpunkt sowohl Anschlussanträge von bereits bestehenden Einzel- oder Verbundvorhaben ggf. mit Umstrukturierung der Projektpartner als auch Anträge für neue Einzel- oder Verbundvorhaben vorgelegt werden, die in einem offenen und kompetitiven Antragsverfahren bewertet werden. Die Begutachtung eines Anschlussantrages schließt eine Bewertung der Leistungen in der zurückliegenden Förderphase ein.
Beantragt werden können Personal-, Sach- und Reisemittel sowie ausnahmsweise projektbezogene Investitionen, die nicht der Grundausstattung des Antragstellers zuzurechnen sind. Ausgaben für das Einholen von Ethikvoten an der eigenen Hochschule werden der Grundausstattung zugerechnet und können nicht gefördert werden.
Die zur Anmeldung eines Patents erforderlichen Ausgaben / Kosten während der Laufzeit des Vorhabens sind im Rahmen der BMBF-Standardrichtlinien grundsätzlich zuwendungsfähig.

Im Rahmen von internationalen Kooperationen können Fördermittel für die deutschen Partner insbesondere für Forschungsaufenthalte von Wissenschaftlern aus dem Vorhaben an externen Forschungseinrichtungen sowie für die Einladung von Gastwissenschaftlern beantragt werden. Der ggf. bestehende Bedarf und der wissenschaftliche Mehrwert sind zu begründen.

Bemessungsgrundlage für Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen und vergleichbare Institutionen sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Ausgaben (bei Helmholtz-Zentren und der Fraunhofer-Gesellschaft - FhG - die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten), die individuell bis zu 100% gefördert werden können.
Bemessungsgrundlage für Zuwendungen an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten, die in der Regel - je nach Anwendungsnähe des Vorhabens - bis zu 50% anteilfinanziert werden können. Nach BMBF-Grundsätzen wird eine angemessene Eigenbeteiligung - grundsätzlich mindestens 50% der entstehenden zuwendungsfähigen Kosten - vorausgesetzt. Die Bemessung der jeweiligen Förderquote muss den Gemeinschaftsrahmen der EU-Kommission für staatliche FuE-Beihilfen berücksichtigen.

6. Sonstige Zuwendungsbestimmungen

Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Ausgabenbasis werden die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) und die Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des BMBF zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF98).
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Kostenbasis werden grundsätzlich die Allgemeinen  Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für FuE-Vorhaben (NKBF98).

7. Verfahren

7.1 Einschaltung eines Projektträgers

Mit der Abwicklung der Fördermaßnahme hat das BMBF seinen Projektträger

Projektträger im DLR 
- Gesundheitsforschung -
Heinrich-Konen-Straße 1
53227 Bonn
Tel.: 0228 3821-210 (Sekretariat)
Fax: 0228 3821-257
www.pt-dlr.de

beauftragt.

Es wird empfohlen zur Antragsberatung mit dem Projektträger Kontakt aufzunehmen. Weitere Informationen und Erläuterungen sind dort erhältlich.

7.2 Förderverfahren

Das Förderverfahren ist zweistufig, es findet aber nur ein fachlicher Begutachtungsschritt unter Beteiligung externer Experten statt.

7.2.1  Vorlage und Auswahl von Vorhabenbeschreibungen

In der ersten Stufe sind dem Projektträger im DLR zunächst formlose Vorhabenbeschreibungen einzureichen. Die Vorhabenbeschreibungen sollen alle notwendigen Informationen enthalten, um dem Gutachterkreis eine abschließende fachliche Stellungnahme zu erlauben.

Vorhabenbeschreibungen können

ab sofort bis spätestens 15.01.2008

beim Projektträger auf dem Postweg eingereicht werden. Die Vorlagefrist gilt nicht als Ausschlussfrist. Verspätet eingehende Vorhabensbeschreibungen können aber möglicherweise nicht mehr berücksichtigt werden. Bei verspäteter Vorlage wird die vorherige Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Projektträger dringend empfohlen. Eine Vorlage per "electronic mail" oder FAX ist nicht möglich.

Die Vorhabenbeschreibung ist nach dem "Leitfaden für die Antragstellung" im Rahmen der Förderinitiative „Forschungsprojekte zur Gewinnung pluri- bzw. multipotenter Stammzellen“ zu strukturieren.

Vorhabenbeschreibungen für Einzelprojekte müssen die Forschungsfragen und das Forschungsprogramm darstellen. Der Umfang der Vorhabenbeschreibungen (DIN-A4-Format, 1,5-zeilig, Arial 11, doppelseitig) darf 10 Seiten nicht überschreiten.

Vorhabenbeschreibungen für Verbundvorhaben müssen sowohl die Struktur wie auch das Forschungsprogramm des Verbundvorhabens erläutern. Der Umfang der Vorhabenbeschreibungen (DIN-A4-Format, 1,5-zeilig, Arial 11, doppelseitig) darf 5 Seiten für das übergeordnete Konzept und 7 Seiten pro geplantem Forschungsprojekt nicht überschreiten.
Die Vorhabenbeschreibungen sind in 20-facher Ausfertigung als Papierversion sowie im pdf-Format auf CD-ROM vorzulegen. Parallel ist ein Datenblatt zur Vorhabensbeschreibung auszufüllen und elektronisch zu übermitteln.

Aus der Vorlage einer Vorhabenbeschreibung kann kein Rechtsanspruch abgeleitet werden.

Die eingegangenen Vorhabenbeschreibungen werden von einem unabhängigen Gutachterkreis bewertet. Diese Bewertung ist eine Entscheidungsgrundlage. Dabei werden u. a. folgende Kriterien zugrunde gelegt:

- Beitrag zu den unter „Zuwendungszweck“ genannten Zielen der Bekanntmachung
- bei Zelllinien: Potenzial für die klinische Anwendung
- bei Verfahren: Potenzial zur Übertragung ins Humansystem, Potenzial für die klinische Anwendung
- Innovative wissenschaftliche Fragestellung vor dem Hintergrund des internationalen Forschungsstandes
- Wissenschaftliche Qualität und Erfolgsaussichten des Vorhabens
- Vorhandene einschlägige Vorarbeiten / Vorleistungen der Antragsteller
- Bei Verbundvorhaben: Kohärenz und Interaktionen der Teilprojekte
- Verwertungsplan
Auf der Grundlage der Bewertung werden dann die für eine Förderung geeigneten Vorhaben ausgewählt. Das Auswahlergebnis wird den Interessenten schriftlich mitgeteilt.

7.2.2  Vorlage förmlicher Förderanträge und Entscheidungsverfahren

Bei positiver Bewertung eines beantragten (Verbund-)Vorhabens werden die Interessenten in einer zweiten Verfahrensstufe unter Angabe eines Termins aufgefordert, (bei Verbundvorhaben in Abstimmung mit dem vorgesehenen Verbundkoordinator) einen förmlichen Förderantrag vorzulegen, über den nach abschließender Prüfung entschieden wird.

Vordrucke für die einzureichenden Formanträge sowie Richtlinien, Merkblätter, Hinweise und Nebenbestimmungen können hier abgerufen oder unmittelbar beim Projektträger angefordert werden. Zur Erstellung von förmlichen Förderanträgen wird die Nutzung des elektronischen Antragssystems „easy“ dringend empfohlen.
Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO sowie §§ 48 bis 49a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.

8. Inkrafttreten

Diese Förderrichtlinien treten mit dem Tag der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Berlin, den 09.08.2007

Bundesministerium für Bildung und Forschung
im Auftrag
Dr. Hausdorf