Remdesivir-Metabolit GS-441524 bindet an Protein nsP3 von SARS-CoV-2 – Potenzial für Wirkstoffentwicklung gegen zahlreiche weitere Viren
Bei der
Infektion einer Zelle sorgt SARS-CoV-2 nicht nur dafür, dass die Wirtszelle
neue Viruspartikel herstellt. Das Virus unterdrückt auch Abwehrmechanismen der Wirtszelle.
Dabei spielt das Virenprotein nsP3 eine zentrale Rolle. Durch Strukturanalysen
haben Forscher:innen der Goethe-Universität jetzt in Kooperation mit dem
schweizerischen Paul-Scherrer-Institut herausgefunden, dass ein Abbauprodukt
des Virostatikums Remdesivir an nsP3 bindet. Dies deutet auf einen weiteren,
bislang unbekannten Wirkmechanismus von Remdesivir hin, der wichtig für die
Entwicklung neuer Medikamente gegen SARS-CoV-2 und andere RNA-Viren sein
könnte.
FRANKFURT. Das Virostatikum Remdesivir wurde zur
Störung eines wichtigen Schritts in der Vermehrung von RNA-Viren entwickelt, zu
denen auch SARS-CoV-2 gehört: die Vervielfältigung des viruseigenen Erbguts. Es
liegt als RNA-Matrize vor, mit der die Wirtszelle direkt Virenproteinen
herstellt. Um die Produktion der eigenen Proteine jedoch zu beschleunigen,
sorgen RNA-Viren für die Vervielfältigung der RNA-Matrize. Dazu nutzen sie ein bestimmtes,
eigenes Protein (eine RNA-Polymerase), die von Remdesivir blockiert wird. Genau
genommen erledigt das nicht Remdesivir selber, sondern eine Substanz, die in
fünf Schritten aus Remdesivir gebildet wird, wenn Remdesivir in eine Zelle
eindringt.
Im zweiten dieser fünf Schritte
entsteht aus Remdesivir ein Zwischenprodukt, eine Substanz mit dem etwas
sperrigen Namen GS-441524 (wissenschaftlich: ein Remdesivir-Metabolit). Auch
GS-441524 ist virostatisch aktiv. Wie jetzt die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler um Prof. Stefan Knapp vom Institut für Pharmazeutische Chemie der
Goethe-Universität Frankfurt herausfanden, zielt GS-441524 dabei auf ein
Virusprotein von SARS-CoV-2 namens nsP3. nsP3 ist ein Multifunktionsprotein, es
hat unter anderem die Aufgabe, die Abwehrreaktion der Wirtszelle zu unterdrücken.
Die nämlich ist eigentlich einer Virenattacke nicht wehrlos ausgeliefert,
sondern setzt zum Beispiel Entzündungsmechanismen in Gang, um Zellen des
körpereigenen Immunsystems zur Hilfe zu rufen. Mithilfe von nsP3 unterdrücken die
Viren quasi die Hilferufe der Zelle.
Prof. Stefan Knapp erläutert: „GS-441524 hemmt die Aktivität einer nsP3-Domäne, die für die Vervielfältigung von Viren wichtig ist, und die mit dem menschlichen zellulären Abwehrsystem kommuniziert. Unsere Strukturanalysen zeigen, wie diese Hemmung funktioniert, und wir legen damit eine wichtige Grundlage zur Entwicklung neuer und potenterer antiviraler Medikamente nicht nur gegen SARS-CoV-2. Denn die Zielstruktur von GS-441524 ist bei vielen anderen Coronaviren wie zum Beispiel SARS-CoV und MERS-CoV und auch bei einer Reihe von Alphaviren wie zum Beispiel dem Chikungunya-Virus sehr ähnlich. Daher könnte die Entwicklung entsprechender Medikamente auch helfen, auf künftige Virus-Pandemien vorbereitet zu sein.“
Publikation:
Xiaomin Ni, Martin Schröder, Vincent
Olieric, May E. Sharpe, Victor Hernandez-Olmos, Ewgenij Proschak, Daniel Merk,
Stefan Knapp, Apirat Chaikuad: Structural
Insights into Plasticity and Discovery of Remdesivir Metabolite GS-441524
Binding in SARS-CoV‑2 Macrodomain. ACS Med. Chem. Lett. 2021, 12, 603−609 https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsmedchemlett.0c00684
Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Abteilung PR & Kommunikation,Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de