04.05.2020

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Schlaganfall: Roboter hilft beim Gehen Lernen

Wieder sicher gehen können – das ist der Wunsch vieler Schlaganfallpatientinnen und –patienten. Ein Roboter-gestütztes Gangtraining hilft ihnen dabei, wie eine Studie des BMBF-geförderten Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrums in München belegt.

Physiotherapeutin hilft Patienten beim Gangtraining

Um nach einem Schlaganfall wieder sicher gehen zu können, müssen Betroffene oft mit viel Kraftunterstützung durch Physiothearpeutinnen oder –therapeuten lange trainieren. Das Roboter-gestützte Gangtraining erleichtert diese Behandlung.

DLR Projektträger/BMBF

Nach einem Schlaganfall müssen die Betroffenen oft vieles neu lernen – häufig auch das Gehen. Besonders schwierig ist das, wenn eine Körperseite gelähmt ist, denn bei einigen Patientinnen und Patienten mit einer Halbseiten-Lähmung ist zusätzlich die Körperwahrnehmung gestört, weshalb sie ihren Körperschwerpunkt in Richtung der gelähmten Seite verlagern. In der Fachsprache wird dies als „Pusher-Symptomatik“ bezeichnet: Die Betroffenen drücken unbewusst mit der nicht gelähmten Körperhälfte zur gelähmten Seite hin (pushen), was zu schweren Stürzen führen kann. Die Pusher-Symptomatik tritt bei  etwa einem Viertel der Schlaganfallpatientinnen und –patienten auf, die sich in einer stationären Rehabilitation befinden.

Bessere Körperwahrnehmung

Mit einem Roboter-gestützten Gangtraining können sie wieder eine bessere Körperwahrnehmung entwickeln und schneller mobilisiert werden – trotz der bestehenden halbseitigen Lähmung. Das zeigt eine Studie, die im Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrum (DSGZ) durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde. 

Die Ergebnisse dieser Studie belegen: Reha-Patientinnen und –patienten, die an einem zweiwöchigen Roboter-gestützten Gangtraining teilnahmen, hatten im Anschluss eine bessere Haltungskontrolle als Erkrankte, die konventionell physiotherapeutisch betreut wurden. „Es ist sehr wichtig, dass die Betroffenen so schnell wie möglich ihre natürliche Körperhaltung wieder erlangen“, sagt PD Dr. Andreas Zwergal, Neurologe und Leiter des DSGZ. Bei Erkrankten mit Pusher-Symptomatik sei die Rehabilitation oft erschwert. Nur die Hälfte der regulär Behandelten könne am Ende wieder sicher und selbständig gehen.

Roboter-gestützte Assistenzsysteme zum Gangtraining werden bereits bei der Behandlung von querschnittsgelähmten Patientinnen und Patienten erfolgreich eingesetzt. Die Anwendung bei Patientinnen un Patienten mit Pusher-Symptomatik ist aber eine Innovation. 

Bundesweiter Tag gegen Schlaganfall

Am 10.Mai ist der bundesweite Tag gegen Schlaganfall. Dieses Jahr steht er unter dem Motto: „Die digitalen Helfer kommen“.

Ein Exoskelett mit Roboter-Unterstützung

Für das Gangtraining steigen die Patientinnen und Patienten in ein Roboter-ähnliches Gerüst aus Schienen und Schlingen, das sie ohne weiteren Krafteinsatz von außen stützt und gleichzeitig mobilisiert. Auf einem Laufband trainieren sie dann mit diesem passgenauen Assistenzsystem ihre symmetrische Körperhaltung und das Gehen. Denn das System aus Schienen und Schlingen ist mit einem Computer verbunden, der die jeweilige Körperhaltung erkennt und bei Bedarf sofort korrigieren kann. Wichtig ist, dass diese Behandlung in einem fachübergreifenden Team aus der Neurologie, der physikalischen Medizin und der Physiotherapie erfolgt. So können Gangbild und Körperwahrnehmung eng aufeinander abgestimmt werden.

„Für das medizinische Fachpersonal aus der Physiotherapie und Pflege ist das eine wahnsinnige Erleichterung“, sagt Zwergal. Denn Im Gegensatz zur herkömmlichen Behandlung erfordert das Roboter-unterstützte Gangtraining einen geringeren körperlichen Personaleinsatz. Und die Patientinnen und Patienten sind im Anschluss wesentlich mobiler.  

Roboter-gestützte Gangassistenzsysteme entwickeln sich rasant weiter. Möglicherweise können in Zukunft mobile Exoskelette bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Pusher-Symptomatik eingesetzt werden. Sie ermöglichen eine freie Bewegung im Raum, weil sie unabhängig von einem Laufband eingesetzt werden können. Weitere klinische Studien sind geplant.

Das Deutsche Schwindel- und Gleichgewichtszentrum in München, kurz DSGZ, ist eines von acht integrierten Forschungs- und Behandlungszentren (IFB). Es wurde in den vergangenen zehn Jahre mit insgesamt 50 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) erfolgreich gefördert: So konnte ein international führendes Referenzzentrum mit exzellenten Forschungsstrukturen und hochqualitativer interdisziplinärer Patientenversorgung geschaffen werden.

Alle acht IFBs verbinden exzellente Forschung und optimale Krankenversorgung zu unterschiedlichen Krankheitsgebieten. Das BMBF ermöglicht mit seiner Förderung, dass traditionelle Fachgrenzen überwunden und interdisziplinär gearbeitet werden kann.

Ausgezeichnete Studie

Die Studie zum Roboter-gestützten Gangtraining in der Rehabilitation bei Patientinnen und Patienten mit Pusher-Symptomatik ist prämiert worden: Dr. Jeannine Bergmann, die wissenschaftliche Studienleiterin  und ihre Arbeitsgruppe sind 2019 mit dem „Susanne Klein-Vogelbach Special Award“ ausgezeichnet worden. Der Preis wird von der Klein-Vogelbach Stiftung für exzellente wissenschaftliche Veröffentlichungen aus dem Bereich der Physiotherapie vergeben.