Um das Infektionsgeschehen an Schulen und Kitas zu überwachen, führte Nordrhein-Westfalen während der Coronapandemie den Lolli-Test ein – ein unkompliziertes Testverfahren, das von den Kindern und Jugendlichen gut angenommen wurde.
Gemeinsam spielen und lernen – der Lolli-Test ermöglichte während der Coronapandemie einen sicheren Kitabetrieb in NRW.
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Die Sicherheit in Schulen und Kitas war eine der großen Herausforderungen während der Coronapandemie: Wie können Kinder und Jugendliche vor einer Ansteckung geschützt werden – und trotzdem gemeinsam spielen und lernen?
In Nordrhein-Westfalen – und später auch in anderen Bundesländern – wurde der Lolli-Test eingesetzt, um einen möglichst sicheren Betrieb dieser Einrichtungen zu ermöglichen. Seine Besonderheit: Die Entnahme von Speichelproben ist denkbar einfach, der Nachweis zuverlässig und die Machbarkeit und Akzeptanz in Kitas und Schulen durch die B-FAST-Studie („Bundesweites Forschungsnetz Angewandte Surveillance und Testung“) wissenschaftlich bestätigt. Wie das in so kurzer Zeit möglich war, erläutern Privatdozentin Dr. Isabelle Suárez aus der Abteilung Klinische Infektiologie und Dr. Felix Dewald vom Institut für Virologie der Uniklinik Köln im Interview – beide waren an der Entwicklung des Tests federführend beteiligt.
Während der Coronapandemie wurden Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen auf das Virus getestet (1). Der Lolli-Test weist das Virus über den Speichel nach. Dazu lutschten die Kinder etwa 30 Sekunden lang an einem Teststäbchen (2). Die Teststäbchen einer Kitagruppe oder Schulklasse wurden in einem Sammelbehälter zusammengeführt (3) und im Labor über einen Pool-PCR-Test ausgewertet (4). Bei einem negativen Test konnte der Betrieb normal weiterlaufen. Bei einem positiven Test wurde jedes Kind aus der Gruppe/ Klasse erneut einzeln getestet. Bei einer negativen Einzeltestung war ein Schul- oder Kitabesuch am nächsten Tag wieder möglich.
BMBF
Die Idee hinter dem sogenannten Lolli-Test ist ebenso einfach wie überzeugend. Wie sind Sie darauf gekommen?
Felix Dewald: Zu Beginn der Coronapandemie haben bei uns zwei benachbarte Kitas angefragt, ob wir diese Kinder nicht auf eine SARS-CoV-2-Infektion testen könnten. Unsere erste Überlegung war dann: Wie nehmen wir die Probe? Uns war schnell klar, dass ein Nasen-Rachen-Abstrich in dieser Altersgruppe nicht durchführbar ist. Aber lässt sich das Virus zuverlässig nachweisen, wenn an dem Tupfer nur gelutscht wird? Um das zu überprüfen, sind wir zu Infizierten nach Hause gefahren, haben beide Testverfahren vor Ort durchgeführt und die Ergebnisse miteinander verglichen. Mit Erfolg – mit dem Lutschverfahren ließen sich die Infektionen ebenso zuverlässig nachweisen wie mit dem klassischen Testverfahren. Und damit war der Lolli-Test in der Welt!
Und der wurde dann in den beiden Kitas angewendet?
Felix Dewald: Ja, der Lolli-Test wurde in den Kitas selbst durchgeführt. Von allen Kindern und Mitarbeitenden wurden Proben genommen und anschließend zusammengeführt. Dieser Pool wurde dann an ein Labor verschickt und über ein hochsensibles Verfahren – die Pool-PCR-Testung – ausgewertet. So konnten wir im Kleinen testen, ob sich das Infektionsgeschehen mit diesem Testverfahren erfolgreich überwachen lässt.
Isabelle Suárez: In meiner Abteilung an der Uniklinik wurde zu diesem Zeitpunkt bereits systematisch getestet, damit wir sicher arbeiten konnten – bei uns ging die Arbeit zu diesem Zeitpunkt ja erst richtig los. Meine Tochter hingegen war zu Hause, da sich die Schulen im Lockdown befanden. Gemeinsam mit einem Kollegen habe ich mich daher gefragt: Könnte man nicht auch unsere Kinder in den Schulen systematisch über PCR-Pool-Tests untersuchen? Schnell war uns klar, wir brauchen eine Studie, um das zu prüfen – die Idee zur B-FAST-Studie war damit geboren.
Wie ging es weiter?
PD Dr. Isabelle Suárez
Karsten Michael Wodak/Christian Wittke; Uniklinik Köln
Isabelle Suárez: Wir hatten das Glück, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung über das Netzwerk Universitätsmedizin unsere Studie schnell und unkompliziert gefördert hat. Dazu haben wir zunächst zwei Testphasen über jeweils drei Wochen durchgeführt, in Kindergärten, Grundschulen und in weiterführenden Schulen. Insgesamt waren es 16 Institutionen an fünf Standorten in Deutschland. Am Ende konnten wir nachweisen, dass sich der Lolli-Test auch für ein großes Setting mit vielen Teilnehmenden eignet. Die unkomplizierte Art der Probengewinnung war überzeugend – fast alle Teilnehmenden haben die Testung bis zum Studienende durchgeführt.
Es folgte ein weiteres Projekt mit 22 Schulen in Köln, das durch das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde. Auch mit dieser Studie konnten wir zeigen, dass es funktioniert – sogar ganz ohne Unterstützung durch medizinisches Personal.
Und von da an wurde in allen Kitas und Schulen in NRW getestet?
Isabelle Suárez: Nein, zunächst waren noch viele Fragen offen. Wie geht man beispielsweise mit einem positiven PCR-Pool-Test um? Wie werden die Eltern verständigt? Dass es dann doch relativ schnell ging, war dem enormen Druck geschuldet, der auf allen Beteiligten lastete. Es gab unzählige Online-Meetings, viel Interaktion – oft abends und am Wochenende. Wenn wir uns heute in der Kantine treffen, denken wir oft an diese verrückte, sehr intensive Zeit. Hätten nicht alle Beteiligten so eng miteinander kooperiert, wäre es nicht möglich gewesen.
Wie lange hat es denn gedauert – von der ersten Idee bis zum NRW-weiten Screening?
Felix Dewald: Das hat ziemlich genau ein Jahr gedauert. Die Validierungsstudie in den beiden Kitas haben wir im April 2020 durchgeführt, B-FAST startete im Herbst und im Mai 2021 wurde das Screening flächendeckend in NRW durchgeführt.
Auch die Bezeichnung Lolli-Test hat wahrscheinlich zur hohen Akzeptanz in Schulen und Kitas beigetragen. War das Ihre Idee?
Felix Dewald: Ursprünglich haben wir die etwas kompliziertere Bezeichnung Lolli-Methode verwendet. Durch die Kinder und Eltern der Kitas und Schulen wurde daraus dann der Lolli-Test. Dieser Name hat sich nicht zuletzt auch durch die Verwendung auf Twitter durchgesetzt.
Isabelle Suárez: Das Testverfahren sollte so kinderfreundlich wie möglich sein – und das fängt beim Namen an. Ursprünglich haben wir sogar überlegt, das Teststäbchen einzufärben und die Kinder lutschen zu lassen, bis die Farbe verblasst ist. Das ließ sich so allerdings nicht umsetzen.
Durch die intensive Testung haben sich auch die Quarantänebestimmungen für Kontaktpersonen verändert. Können Sie kurz erläutern, wie es dazu kam?
Dr. Felix Dewald
Karsten Michael Wodak/Christian Wittke; Uniklinik Köln
Felix Dewald: Zunächst mussten aufgrund des geltenden Infektionsschutzgesetzes alle Kinder, die Kontakt zu infizierten Kindern hatten, in Quarantäne. Das wurde allerdings mit steigender Inzidenz sehr belastend, sodass die Bestimmungen hin zu einem „Test-to-Stay“-Konzept geändert wurden. Kontaktpersonen mussten nicht mehr in Quarantäne, wurden aber über fünf Tage täglich getestet, um Folgeinfektionen früh zu entdecken. Wir haben das einmal ausgerechnet – mit der Umstellung haben wir innerhalb von 30 Wochen etwa 1.800 Jahre Quarantäne in den Kölner Kitas verhindert!
Eignet sich das von Ihnen entwickelte Testverfahren auch für andere Infektionswellen?
Felix Dewald: Ja, grundsätzlich eignet es sich auch dafür, andere Erreger zu detektieren. Wir wollen den Lolli-Test beispielsweise in der Notaufnahme nutzen, um Kinder, die schlecht Luft bekommen, auf RSV- oder Influenzaviren zu testen. Beide Viren lassen sich gut über einen Lolli-Test nachweisen, das konnten wir bereits zeigen. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir viele Viren, die während einer Infektion im Speichel auftreten, über diese Methode nachweisen können – zum Beispiel andere Erkältungsviren. Wir konnten das auch schon für bestimmte Bakterien zeigen, die Infektionen der Atemwege auslösen, etwa für Mykoplasmen.
Isabelle Suárez: Wir haben während dieser Zeit auch wertvolle Erfahrungen sammeln können. Wir verfügen jetzt nicht nur über ein unkompliziertes Testverfahren, sondern wir wissen beispielsweise auch, wie wir es in unseren Schulen und Kitas implementieren können. Ich bin daher sehr zuversichtlich, dass wir besser vorbereitet wären, falls noch einmal eine ähnliche Situation auftreten sollte wie im März 2020. Was aber hoffentlich nicht so bald der Fall ist!
Vielen Dank für das Gespräch.
Kräfte bündeln – gemeinsam agieren
Das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) wurde im Frühjahr 2020 als Reaktion auf die Coronapandemie gegründet. Ziel war es zunächst, die COVID-19-bezogenen Forschungsaktivitäten, Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln, um schnellstmöglich Erkenntnisse für eine optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewinnen. Hierfür haben sich alle 36 Universitätskliniken in Deutschland zu einem überregionalen, interdisziplinären Netzwerk zusammengeschlossen. Die etablierten Forschungsinfrastrukturen tragen entscheidend dazu bei, für zukünftige Gesundheitskrisen besser gewappnet zu sein. Mittelfristig ist eine Weiterentwicklung des NUM auf andere Themen mit hoher Relevanz für die Gesundheitsforschung in Deutschland geplant.