Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist der neue Wirkstoffkandidat? - Nierenversagen bei Diabetikern verhindern

Die Idee ist weltweit einzigartig: Ein deutsches Biotechnologie-Unternehmen untersucht, ob Krankheiten mit kurzen RNA-Stückchen geheilt werden können. Das Besondere an den RNA-Stücken ist, dass sie das Spiegelbild natürlich vorkommender Moleküle sind. Deshalb heißen sie Spiegelmere. Sie können ganz spezifisch Moleküle hemmen, die für die Entstehung von Krankheiten verantwortlich sind. Ein Spiegelmer, das den entzündungsfördernden Faktor CCL2 inhibiert und so Nierenschäden bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes aufhalten soll, wird seit Kurzem klinisch geprüft. (Newsletter 59 / Oktober 2012)

Bildquelle: FotoliaNierenversagen bei Diabetes – das soll das Spiegelmer NOX-E36 verhindern.In Deutschland leben etwa acht Millionen Menschen mit Diabetes – weltweit sind es schätzungsweise 250 Millionen. Die Tendenz ist steigend. Aufgrund der zunehmenden Verbreitung besonders von Typ-2-Diabetes, stellt auch die diabetische Nephropathie, eine Diabetes-bedingte Schädigung der Nieren, eine wachsende Bedrohung dar. Denn bei fast jedem dritten Diabetiker lässt auf Dauer die Filterfunktion der Nieren nach – es entwickelt sich eine diabetische Nephropathie, die zu Nierenversagen und damit zur Dialysepflichtigkeit führen kann. Bislang kann diese fortschreitende Erkrankung nicht erfolgreich therapiert werden. Ein neuartiges Medikament könnte das ändern.

NOX-E36 – so heißt der Hoffnungsträger. NOX-E36 ist ein sogenanntes Spiegelmer und damit eine der ersten Substanzen einer ganz neuen Wirkstoffklasse. „Spiegelmere sind spiegelbildlich aufgebaute kurze Stücke von Nukleinsäuren – in unserem Falle von RNA. Sie werden synthetisch hergestellt und binden – ähnlich einem Antikörper – sehr selektiv an ein Zielmolekül“, erklärt Dr. Dirk Eulberg von der NOXXON Pharma AG, die sich auf die Entwicklung und Erforschung von Spiegelmeren spezialisiert hat. „So können sie das Krankheitsgeschehen positiv beeinflussen.“ Als Zielmolekül werden stets körpereigene Moleküle ausgewählt, die für die Entstehung einer Krankheit mit verantwortlich sind. „Der Vorteil von Spiegelmeren ist, dass sie im Körper nicht abgebaut und zudem von unserem Immunsystem nicht als fremd erkannt werden“, erklärt Dr. Eulberg.

Spiegelmer schützt die Niere

Bildquelle: NOXXON Pharma AGLinks ein natürlich vorkommendes RNA-Molekül und rechts sein Spiegelbild – ein Spiegelmer – dessen Einsatz als Therapeutikum gegenwärtig klinisch geprüft wird.NOX-E36 bindet an CCL2, ein Chemokin und Entzündungsfaktor, das im Körper unter anderem dafür sorgt, dass Immunzellen zu einem Entzündungsherd gelockt werden. „CCL2 spielt auch bei der Entstehung von Komplikationen des Typ-2-Diabetes, wie auch der diabetischen Nephropathie, eine wichtige Rolle. Deshalb ist die Hemmung von CCL2 ein erfolgversprechender neuer Therapieansatz“, sagt Dr. Eulberg.

In Tierstudien hat NOX-E36 bereits überzeugt. Das CCL2 bindende Spiegelmer stabilisiert zum Beispiel bei diabetischen Mäusen die Nierenfunktion der Tiere und hält somit ein Fortschreiten der Nierenschädigung auf. Den Schritt aus den Forschungslaboren in die Klinik zu machen, war dennoch nicht einfach. Deshalb hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Firma NOXXON und die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Hans-Joachim Anders von der LMU München dabei unterstützt, die nötigen Voraussetzungen für eine Anwendung von NOX-E36 am Menschen zu schaffen. Mit Erfolg. „Dass NOX-E36 sicher und gut verträglich ist, haben wir bereits in einer Studie mit 72 gesunden Probanden bewiesen“, so Dr. Eulberg. Ob NOX-E36 tatsächlich die diabetische Nephropathie aufhalten kann, wird seit Juni 2012 in einer klinischen Studie mit Typ-2-Diabetikerinnen und -Diabetikern mit eingeschränkter Nierenfunktion untersucht. Hierbei wird den Patienten zwölf Wochen lang das Medikament oder ein Placebo-Präparat unter die Haut gespritzt. Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit werden Ende des Jahres erwartet. Die Firma NOXXON testet neben NOX-E36 noch zwei weitere Spiegelmere in klinischen Studien, darunter eines, das die Metastasierung und Chemotherapieresistenz bei Krebspatienten verhindern soll.


Doppelgänger gesucht – Wie Spiegelmere hergestellt werden
Soll ein Spiegelmer, beispielsweise gegen den Entzündungsfaktor CCL2, hergestellt werden, wird im ersten Schritt ein Spiegelbild dieses Moleküls erzeugt. Anschließend wird eine Sammlung von ca. 1015 (also einer Billiarde) RNA-Molekülen danach durchforstet, welches Molekül das Spiegelbild von CCL2 am besten bindet. Von diesem RNA-Molekül wird wiederum ein spiegelbildlicher Doppelgänger hergestellt – das Spiegelmer. Dieses bindet nun spezifisch an das natürliche Zielmolekül, in diesem Falle also an CCL2.

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