Stammzellforschung

Um wirkungsvolle Therapien für schwer behandelbare Krankheiten zu entwickeln, muss die Gesundheitsforschung oft neue Wege gehen. Dabei kann die Stammzellforschung eine Schlüsselrolle spielen.

Eine Frau mit Schutzhandschuhen entnimmt einer Tiefkühltruhe einen kleinen Kasten. Dieser enthält zahlreiche Probengefäße.

Tiefgekühlte Stammzellen – sie können verletzte oder geschädigte Gewebe ersetzen. Als Krankheitsmodelle ermöglichen sie im Labor die Erprobung maßgeschneiderter, neuer Therapien.

DLR Projektträger / BMBF

Bestimmte Stammzellen können sich in unterschiedliche Zelltypen oder Gewebe verwandeln. So können sie helfen, erkranktes Gewebe zu ersetzen oder die Regeneration von Organen zu unterstützen. Dies ist angesichts der zunehmenden Häufigkeit degenerativer Erkrankungen – beispielsweise auf dem Gebiet der neurodegenerativen Erkrankungen – von hoher Relevanz. Stammzellen eröffnen der Gesundheitsforschung aber auch andere, neue Perspektiven: Sie können wesentlich dazu beitragen, die Ursachen von Krankheiten aufzuklären, neue Wirkstoffe und maßgeschneiderte Therapieansätze zu entwickeln.

Die verschiedenen Arten von Stammzellen

Embryonale Stammzellen können die gesamte Vielfalt menschlicher Körperzellen hervorbringen. Deshalb nennt man sie auch pluripotente Stammzellen. Wenn sie entsprechende Signale erhalten, entwickeln sie sich beispielsweise zu Nerven-, Muskel- oder Hautzellen. Diese ausgebildeten Körperzellen erfüllen hochspezialisierte Funktionen, können sich aber nicht mehr vermehren und auch nicht mehr in andere Zelltypen verwandeln oder solche hervorbringen.

Die adulten Stammzellen bilden eine natürliche Stammzell-Reserve des Körpers. Sie erneuern regelmäßig unsere Gewebe, vor allem nach Verletzungen. Diese Stammzellen können aber nur bestimmte Körperzellen ausbilden, sind also nicht pluripotent.

Die Stammzellforschung hat einen Weg gefunden, spezialisierte Körperzellen zu „reprogrammieren“ – also ihre Fähigkeit wiederherzustellen, sich in andere Zellen zu verwandeln. 2012 wurde diese Methode mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Mit ihr können beispielsweise Hautzellen in pluripotente Stammzellen zurückverwandelt und diese dann zu Nervenzellen gemacht werden. Die so gewonnenen Stammzellen heißen induzierte pluripotente Stammzellen, kurz iPS.

Stammzellen liefern aussagekräftige Krankheitsmodelle

Krankheitsmodelle bieten die Möglichkeit, eine Krankheit „außerhalb“ von Patientinnen und Patienten zu erforschen. Dazu dienen beispielsweise Computersimulationen, Tiermodelle oder Zellkulturen. Mit Hilfe induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS) können Forschende besonders wertvolle und aussagekräftige Krankheitsmodelle entwickeln. Sie ermöglichen es, an Patientinnen und Patienten kaum zu untersuchende erkrankte Zellen, etwa Hirnzellen, im Reagenzglas (in vitro) zu züchten und eingehend zu erforschen. Die Hirnzellen eines solchen Krankheitsmodells werden aus den umprogrammierten Hautzellen von Patientinnen und Patienten gewonnen.

Ist eine Krankheit genetisch bedingt, können Forschende in solchen Modellen die Zusammenhänge zwischen den Genen der Betroffenen und der Entstehung der Krankheit analysieren. Sie können unter Laborbedingungen verfolgen, wie sich iPS in kranke Körperzellen verwandeln und dabei die Wirksamkeit von Arzneimitteln und Therapien studieren – für bestimmte Patientengruppen oder sogar einzelne Erkrankte.

Stammzellforschung in Deutschland

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat in langjähriger Förderung im Bereich der grundlagen- und anwendungsorientierten Stammzellforschung eine international wettbewerbsfähige deutsche Forschungslandschaft aufgebaut. Bevor innovative Stammzelltechnologien jedoch medizinisch genutzt werden können, sind verschiedene Hürden zu überwinden. Neben methodischen und technischen Herausforderungen spielen Aspekte der Sicherheit und Standardisierung, der Zell- und Gewebeherstellung in größerem Maßstab sowie Fragen bei der Zulassung dieser neuen Therapien eine wichtige Rolle. Daher sind vor einer klinischen Erprobung von Stammzelltherapien erhebliche Entwicklungsanstrengungen notwendig.

Ein Fokus der deutschen Stammzellforschung ist die Erforschung und die Weiterentwicklung neuer Möglichkeiten der zellulären Reprogrammierung. Mit ihrer Hilfe werden induzierte pluripotente Stammzellen aus Körperzellen gewonnen.

Stammzelltechnologien für die individualisierte Medizin

Mit seiner Fördermaßnahme „Innovative Stammzelltechnologien für die individualisierte Medizin“ will das BMBF bestehende Hürden abbauen. Interdisziplinäre Forschungsverbünde sollen das Potential der Reprogrammierung von Körperzellen erschließen. Die Fördermaßnahme umfasst zwei Module:

  • Das Modul „Therapie“ soll die Entwicklung, Validierung und Standardisierung von Technologien und Verfahren für die therapeutische Nutzung von Reprogrammierungsstrategien fördern. Das Modul soll reprogrammierte Zellen einem Einsatz in klinischen Studien der Phase I deutlich näher zu bringen. Dabei handelt es sich um kleine Studien, in denen eine neue Behandlung erstmals am Menschen, und zwar an gesunden Freiwilligen, eingesetzt wird. Verträglichkeit und Sicherheit der neuen Therapie werden überprüft, um zu beurteilen, ob sie sich grundsätzlich für einen Einsatz beim Menschen eignet.
  • Das Modul „Modell- und Testsysteme“ fördert Projekte, die das Potenzial von Reprogrammierungstechnologien mit menschlichen Zellen für die Entwicklung von in vitro-Krankheitsmodellen und Testsystemen erschließen. Diese sollen auch bei der Entwicklung und Prüfung von Medikamenten anwendbar sein.

Ethische, rechtliche und soziale Aspekte der Stammzellforschung

Die Innovationen der Stammzellforschung sollen den Weg in die Versorgungspraxis finden. Daher ist es notwendig, parallel zur Stammzellforschung auch die ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekte (ELSA) dieser Zukunftstechnologie zu untersuchen. Dies ist die Aufgabe der vom BMBF geförderten ELSA-Forschung. In interdisziplinäreren Projekten werden die für eine Translation der Forschungserfolge gesellschaftlich relevanten Aspekte wissenschaftlich bearbeitet und mögliche Ansatzpunkte aufgezeigt.

Themen der Individualisierten Medizin