Unterschiede in der Wirksamkeit atypischer Antipsychotika aufgedeckt

Die Schizophrenie ist eine schwere psychiatrische Erkrankung, an der in Deutschland etwa 800.000 Menschen leiden. Die meisten Patienten erkranken vor dem 35. Lebensjahr. Eine komplette Heilung ist nicht möglich, die Behandlung erfolgt symptomatisch. Lebenslange Invalidität und gesellschaftliche Stigmatisierung gehören häufig zu den Folgen der Krankheit.

Viele Patienten, die an Schizophrenie erkrankt sind, sprechen auf eine Behandlung mit herkömmlichen Neuroleptika nicht ausreichend an. Bessere Ergebnisse versprechen sogenannte Atypika, die jedoch deutlich teurer sind. In Deutschland sind mehrere dieser Atypika auf dem Markt. Einige von ihnen gehören zu den umsatzstärksten Medikamenten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat jetzt ein Forschungsprojekt unterstützt, in dem die Wirksamkeit der verschiedenen Atypika im Rahmen einer Literaturanalyse systematisch untersucht wurde. Das Ergebnis: Die Atypika sind unterschiedlich wirksam, was für den Erfolg einer Behandlung entscheidend sein kann. Dabei zeigte sich, dass der Wirkstoff Olanzapin zwar wirksamer als die meisten anderen Atypika ist. Bei der Auswahl eines antipsychotisch wirkenden Medikaments müssen aber auch mögliche Nebenwirkungen sowie die Kosten berücksichtigt werden.


Zur Behandlung von Patienten, die an Schizophrenie erkrankt sind, stehen neben den eingeführten, typischen Neuroleptika seit den 90er Jahren auch mehrere atypische Neuroleptika zur Verfügung. Neuroleptika bzw. Antipsychotika sind Medikamente, die zur Behandlung von Psychosen eingesetzt werden. Atypika, die weniger „typische“ Nebenwirkungen haben, werden mit zum Teil großem Aufwand vermarktet, sodass die behandelnden Ärzte mit einer schier unüberschaubaren Flut an Informationen konfrontiert werden. Unklar war bislang auch die unterschiedliche Wirksamkeit innerhalb der Gruppe der atypischen Antipsychotika, denn einige der Substanzen führen entweder zu einer deutlichen Gewichtszunahme oder zu einem Anstieg des Serum-Prolaktinspiegels. Daher sollte geklärt werden, ob die bessere Wirksamkeit der Atypika im Vergleich zu den preisgünstigeren typischen Neuroleptika die höheren Kosten rechtfertigen.

Erste Metaanalyse bei atypischen Neuroleptika
Ein Forschungsprojekt unter der Leitung von Privatdozent Dr. Stefan Leucht von der Psychiatrischen Klinik der TU München, das vom BMBF gefördert wurde, untersuchte deshalb anhand einer systematischen Auswertung der vorhandenen Literatur, einer so genannten Metaanalyse, ob sich die atypischen Neuroleptika in ihrer Wirksamkeit unterscheiden. Darüber hinaus wurden in der Analyse auch Unterschiede bei den Nebenwirkungen berücksichtigt, die zwar grundsätzlich bekannt sind, bisher aber nicht systematisch dokumentiert wurden. Diese Metaanalyse untersucht die Wirksamkeit aller atypischen Antipsychotika in randomisierten Studien, die zwei oder mehr dieser Substanzen direkt miteinander vergleichen. Damit ist sie die erste ihrer Art. Dr. Leucht stellt dazu fest: „Gute systematische Reviews sind unersetzlich und eine hervorragende Methode des Erkenntnisgewinns. Gerade aufgrund der aktuellen Informationsflut aus der Forschung sind Metaanalysen unabdingbar.“

Die Auswertung der Metaanalyse bei den Atypika ergab, dass Olanzapin wirksamer als Aripiprazol, Quetiapin, Risperidon und Ziprasidon war und Risperidon wirksamer als Quetiapin und Ziprasidon war. Clozapin war wirksamer als Zotepin und bei einer Dosierung > 400 mg/Tag auch wirksamer als Risperidon. Das unerwartete Ergebnis, dass Clozapin nicht wirksamer als alle anderen Antipsychotika der zweiten Generation war, erklären die Autoren vor allem durch relativ niedrige Clozapindosierungen in den Studien. Die Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit ergeben sich vor allem aus einer Verbesserung der Positiv-Symptomatik, also bei Symptomen wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen, und weniger bei der Negativ-Symptomatik, also hinsichtlich Antriebsmangel, Apathie, sozialem Rückzug oder Gefühlsverflachung.

Breite Datenbasis für valide Ergebnisse
Für die Metaanalyse wurden neun systematische Reviews aus dem Cochrane Register für Schizophrenie und aus Medline mit randomisierten und verblindeten Studien zusammengestellt, in denen mindestens zwei von neun atypischen Antipsychotika direkt miteinander verglichen wurden. In die Analyse wurden 293 Publikationen zu 78 Studien mit 167 Behandlungsarmen und insgesamt 13.558 Studienteilnehmern eingeschlossen. Alle Daten wurden von mindestens drei Experten unabhängig voneinander beurteilt. Hauptkriterium war die Veränderungsrate im PANSS-Gesamtscore (Positive and Negative Syndrome Scale). Daneben wurde die Rate der Behandlungsabbrüche wegen mangelnder Wirksamkeit berücksichtigt.

Nach Ansicht der Wissenschaftler müssen bei der Interpretation der Ergebnisse jedoch die methodischen Grenzen von Metaanalysen beachtet werden. Bei einer auf einen individuellen Patienten zugeschnittenen Behandlung müssen die vergleichsweise geringfügigen Unterschiede der Wirksamkeit gegen die oft größeren Unterschiede bei den Nebenwirkungen abgewogen werden. Zudem sollten auch die Kosten einer Behandlung beachtet werden.

Ansprechpartner:
Privatdozent Dr. Stefan Leucht
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
TU München
Ismaninger Straße 22
81675 München
Tel.: 089 4140-4249
Fax: 089 4140-4888
E-Mail: stefan.leucht@lrz.tu-muenchen.de

 

Metaanalysen und systematische Reviews
Ein systematischer Review ist ein schriftlicher Bericht über das Ergebnis einer Sekundärforschung. In diesem werden zu einer eindeutigen These alle verfügbaren Primärstudien systematisch und nach expliziten Methoden identifiziert, selektiert, kritisch bewertet, die Resultate ermittelt und deskriptiv oder mit statistischen Methoden quantitativ (Metaanalyse) zusammengefasst. Eine Metaanalyse ist eine statistische Methode, mittels der die Ergebnisse verschiedener Studien, die sich mit derselben Thematik befassen, quantitativ zu einem Endergebnis zusammengefasst werden. Somit wird die Aussagekraft verglichen mit Einzelstudien deutlich gesteigert.

Positiv-/Negativsymptomatik bei Schizophrenie
Als Positivsymptome bezeichnet man Denk- und Wahrnehmungsstörungen, die als Übersteigerungen des normalen Erlebens auftreten. Schizophrenien mit positiven Symptomen beginnen oft plötzlich und es gibt keine nach außen auffälligen Merkmale. Charakteristische Positivsymptome sind formale und inhaltliche Denkstörungen, Ich-Störungen, Sinnestäuschungen und zudem motorische Unruhe. Bei inhaltlichen Denkstörungen treten typischerweise Wahnvorstellungen auf. Diese äußern sich häufig in akustischen Halluzinationen: Erkrankte hören Stimmen.

Als Negativsymptome hingegen bezeichnet man die Einschränkungen des normalen Erlebens. Schizophrenien, die mit Negativsymptomatik einhergehen, beginnen oft schleichend. Mit zunehmender Krankheitsdauer verstärken sich üblicherweise die Negativsymptome. Dazu zählen dynamische Entleerung, kognitive Defizite sowie motorische Defizite, etwa eine Reduzierung von Mimik und Gestik. Als initiale Symptome einer Schizophrenie treten sehr oft Schlafstörungen, nicht selten auch depressive Symptome auf.