Von maßgeschneiderter Hilfe für Alleinerziehende

Interview mit Professor Dr. Matthias Franz, Projektleiter von PALME, der „Präventiven Gruppenintervention für alleinerziehende Mütter, geleitet von ErzieherInnen“, am Klinischen Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Herr Professor Franz, unter Ihrer Leitung entstand PALME, ein Gruppenprogramm für alleinerziehende Mütter. Was für ein Prinzip steckt dahinter?
Der Grundsatz von PALME lautet „bindungsorientiertes, emotionales Lernen“, gekoppelt mit einem verhaltensorientierten Ansatz. Dabei verfolgen wir das Ziel, den emotionalen Austausch zwischen Müttern und Kindern zu stärken und eine feinfühlige Beziehungsaufnahme zwischen den beiden zu fördern. Je besser sich eine Mutter in ihr Kind einfühlen kann, umso positiver wirkt sich das auf Mutter und Kind sowie deren Miteinander aus. Ist die emotionale Zuwendungsfähigkeit von Müttern für längere Zeit eingeschränkt, hat dies häufig einen negativen Einfluss auf die seelische Entwicklung des Kindes, auf seine sozialen und schulischen Fähigkeiten. Aus vorangegangenen Untersuchungen wissen wir, dass alleinerziehende Mütter mit vielen sozialen, psychischen und auch gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben, die auch an den Kindern nicht spurlos vorbeigehen.


Wie ist das Gruppenprogramm aufgebaut?
Die insgesamt 20 Wochenstunden verteilen sich auf vier aufeinander aufbauende Module, die alle nach dem gleichen Prinzip strukturiert sind. Jede 90-minütige Gruppensitzung beginnt mit einem Infoteil, der beispielsweise entwicklungspsychologische Fragestellungen oder auch Rechtsfragen beinhaltet. Danach beginnt das eigentliche Gruppenprogramm zum Erleben eigener Gefühle und denen des Kindes, meist gekoppelt mit praktischen Übungen. Und zum Schluss gibt es Hausaufgaben in Form von kindgerechten Feinfühligkeitsübungen, die die Mütter zu Hause mit ihren Kindern durchführen sollen. Beide malen beispielsweise ein Bild vom Anderen und sprechen dann über ihre Gedanken und Wahrnehmungen beim gegenseitigen Betrachten der Bilder. Die Ergebnisse dieser Übungen kommen dann in der darauffolgenden Sitzung zur Sprache.

Was passiert in den einzelnen Modulen?
Im ersten Modul geht es um die emotionale Selbstwahrnehmung der Mütter. Dabei ist es besonders wichtig, dass sie belastende Gefühlssituationen wie Selbstzweifel oder Schuldgefühle artikulieren – nur das macht sie offen für Änderungen. Selbstvorwürfe und Schuldgedanken gehören zu den Faktoren, die bei vielen Müttetern eine Depression aufrechterhalten. Nach dieser Selbsterfahrung steht im zweiten Modul das Erleben des Kindes im Mittelpunkt, in das sich die Mütter besser einfühlen lernen. Das verläuft oft sehr emotional, da dabei auch die eigene Geschichte und eventuell erfahrene Verluste hochkommen. Im dritten Modul dreht sich alles um die ganze Familie, also auch um den Vater des Kindes und die eigenen Elternbilder. Es soll den Müttern helfen, den Paarkonflikt mit dem Ex-Mann auf der einen Seite zu lassen, und auf der anderen die Elternverantwortung mit ihm zuzulassen. Rollenspiele verdeutlichen den Frauen dabei, wie sehr die Kinder auch an ihren Vätern hängen und wie wichtig es ist, das Kind nicht in die oft sehr traurigen Beziehungsprobleme hineinzuziehen. Modul vier steht unter dem Thema Verhaltensoptimierung, Selbstsicherheit und Alltagsbewältigung. Verhaltensbezogene Übungen greifen dabei Situationen auf, die in den drei Modulen zuvor erlebt wurden. Auch ein Entspannungs- und Genusstraining gehören dazu – die Mütter lernen, für sich und auch mit dem Kind gemeinsam zu genießen.

Wie kommen die Frauen in solch ein Gruppenprogramm und bleiben sie dabei?
In den Städten, in denen wir PALME bereits anbieten können, sprechen die Leiterinnen von Kindertagesstätten (KITAS) die Alleinerziehenden direkt an und informieren sie über das Angebot. Hier ist es vielen Müttern am ehesten möglich, Vertrauen zu fassen und Angebote anzunehmen. Die Gruppensitzungen selbst finden an einem neutralen Ort statt, beispielsweise in Gemeindezentren. Für eine spielerische Kinderbetreuung währenddessen ist gesorgt, in einer geplanten späteren Aufbauversion wollen wir die Betreuung der Kinder weiter intensivieren und inhaltlich in das PALME-Projekt integrieren. Trotz unseres Betreuungsangebots bricht rund ein Drittel der Frauen das Gruppenprogramm aufgrund ihrer labilen Lebenssituation ab, meist mit großemBedauern. Probleme mit dem „Ex“, Krankheit des Kindes oder ein neuer Job gehören zu den häufigsten Gründen. Die zeitliche Planung über einen längeren Zeitraum ist für viele Alleinerziehende angesichts zahlreicher Belastungen oft nur schwer möglich. Andererseits: Aus einem Kurs hat sich danach sogar eine Selbsthilfegruppe gebildet.

Was qualifiziert die Gruppenleitung, mit manchmal auch schwierigen Situationen im Kurs umzugehen?
Die Gruppen werden grundsätzlich von ausgebildeten und berufserfahrenen Erzieherinnen und Erziehern geleitet, die zusätzliche Qualifikationen mitbringen müssen, wie entwicklungspsychologische Kenntnisse oder Moderations- und Leitungserfahrung. Anhand von Fragebogen wählen wir dann besonders geeignete Personen aus und schulen sie in einem dreitägigen Intensivtraining. In diesem Mix aus Theorie und praktischen Übungen geht es schwerpunktmäßig um Fragen zur Entwicklungspsychologie, zur Gruppendynamik und zur Gesprächsführung. Besonders intensiv wird das 400-seitige PALME-Manual vorgestellt. Fünf Supervisionssitzungen während des Programms runden das Seminar ab. Dank dieser Vorbereitung leisten die Erzieherinnen und Erzieher in den Kursen hervorragende Arbeit. Sie haben bei den Teilnehmerinnen eine hohe Akzeptanz und verfügen über eine große Kompetenz und Stabilität.

Wie geht es weiter mit PALME?
Wir haben inzwischen auch viele überregionale Anfragen und sind dabei, nach und nach die Erzieherteams in verschiedenen Orten zu schulen. Es steht zur Diskussion, PALME in Nordrhein-Westfalen auch für die Qualifizierung von KITAS zu „Familienzentren“ zu nutzen. Wir denken derzeit darüber nach, künftig auch die Ex-Partner der Mütter in das PALME-Projekt einzubeziehen.