Wichtige Herzmedikamente zu selten verordnet

Patienten mit Herzinsuffizienz („Herzschwäche“) erhalten von ihren Ärzten zu selten so genannte ACE-Hemmer. Das haben Forscher aus Göttingen festgestellt. Die Medikamente gehören bei diesem Krankheitsbild eigentlich zur Standardtherapie.

Patienten mit Herzinsuffizienz („Herzschwäche“) erhalten von ihren Ärzten zu selten so genannte ACE-Hemmer. Das haben Forscher aus Göttingen festgestellt. Die Medikamente gehören bei diesem Krankheitsbild gemäß nationaler und internationaler Leitlinien eigentlich zur Standardtherapie. Sie können das Leben verlängern.

Wer an Herzinsuffizienz leidet, sollte mit einem so genannten ACE-Hemmer behandelt werden. Diese Therapieempfehlung der medizinischen Fachgesellschaften steht in jedem Fortbildungsartikel zum Thema und ist eigentlich allen Ärzten bekannt. Die Medikamente entlasten das angegriffene Pumporgan und können die Verschlechterung der Krankheit verlangsamen. Trotzdem verschreiben Ärzte jedem dritten bis jedem vierten betroffenen Patienten die Arzneimittel nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Studie. Wissenschaftler der Abteilung für Allgemeinmedizin an der Universität Göttingen hatten etwa 450 Personen mit Herzinsuffizienz ein Jahr lang beobachtet. Jeder fünfte Patient war zu Studienbeginn im Krankenhaus behandelt worden, die Therapie der übrigen Herzkranken hatte allein in der Hand des Hausarztes gelegen. Die Forscher untersuchten in beiden Gruppen die Verordnung der gegen Herzinsuffizienz eingesetzten Medikamente. Ergebnis: 60 Prozent der ausschließlich vom Hausarzt betreuten Patienten nahmen ACE-Hemmer ein. Bei den Klinikpatienten waren es zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus zunächst 75 Prozent, nach einem Jahr Weiterbehandlung durch die Hausärzte ebenfalls 60 Prozent.

Skepsis gegen Leitlinien international verbreitet
Warum Ärzte mit ACE-Hemmern so zurückhaltend umgehen, wissen die Forscher nicht. „Die meisten Hausärzten kennen die Empfehlungen der Leitlinien. Allerdings sagen viele, dass es ihnen oft schwer fällt zu beurteilen, ob ein Patient an einer Herzinsuffizienz leidet. Deshalb seien sie eher vorsichtig mit Medikamenten”, erklärt Dr. Janka Koschack, die an dem Projekt mitarbeitete. „Dann sollte aber nach der Entlassung aus der Klinik, die eine gesicherte Diagnose gestellt hat, die Verordnungsrate dauerhaft höher liegen.“ Interessanterweise werden andere gängige Medikamentengruppen gegen Herzinsuffizienz wesentlich konsequenter verordnet. Kosten oder mögliche Nebenwirkungen sind nach Koschacks Ansicht nicht für diese Unterschiede verantwortlich: „ACE-Hemmer kosten nicht viel mehr als andere bei Herzinsuffizienz eingesetzte Mittel und sind meistens gut verträglich.“ Dass Leitlinien oft nicht umgesetzt werden, ist keine neue Erkenntnis. Das Phänomen wird auch bei anderen Krankheitsbildern, bei Ärzten aller Fachrichtungen und sowohl in Kliniken als auch im niedergelassenen Bereich beobachtet. Und nicht nur deutsche Ärzte scheinen Leitlinien-Skeptiker zu sein – ihre internationalen Kollegen verhalten sich ähnlich. Die Göttinger Forscher wollen jetzt durch genauere Befragungen von Allgemeinmedizinern mehr Klarheit schaffen. Für den hausärztlichen Bereich vermutet Professor Michael M. Kochen, Leiter der Abteilung Allgemeinmedizin an der Universität Göttingen, dass Leitlinien die Probleme im Praxisalltag oft nicht ausreichend berücksichtigen (s. auch Interview mit Prof. Kochen). 


Daten der Praxis-EDV bald breiter nutzbar
Die Göttinger Studie ist Teil des Projektes MedViP (Medizinische Versorgung in der Praxis). Ziel ist es, die mithilfe der Praxis-EDV in Hausarztpraxen routinemäßig erhobenen medizinischen Daten zu nutzen, um die Patientenversorgung zu verbessern. Bisher werden diese Daten hauptsächlich für die Abrechnung der Arztpraxen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen verwendet. Im Rahmen von MedVip entwickeln die Wissenschaftler neue Techniken zur Datenverarbeitung. Mit deren Hilfe sollen die Informationen geschützt und anonymisiert auch unter medizinischen Gesichtspunkten ausgewertet werden können, um zum Beispiel die Qualität der Behandlung zu beurteilen. Das ist keine leichte Aufgabe: „Es gibt ziemlich viele Praxisprogramme auf dem Markt, die sich teilweise erheblich voneinander unterscheiden“, so Dr. Koschack. „Eine technisch saubere Lösung zu finden, die sich in jede Software integrieren lässt, ist sehr aufwändig.“ 

Ansprechpartnerin:
Dr. rer. nat. Janka Koschack, Dipl.-Psych.
Abteilung für Allgemeinmedizin
Georg-August-Universität
Humboldtallee 38
37073 Göttingen
Tel.: 05 51/39-1 42 25
Fax: 05 51/39-1 42 22
E-Mail: jkoscha@gwdg.de