Wie der Computer dem Psychiater helfen kann

Qualitätsmanagement in der Behandlung der Schizophrenie Computer übernehmen neuerdings in der Arztpraxis die Funktion von medizinischen Beratern. An der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf werden die elektronischen Kollegen in die Lage versetzt, Psychiater bei der Behandlung schizophrener Patienten zu unterstützen – gemäß der aktuellen Therapie-Leitlinien.

"Frau Schuster hat seit vier Wochen zunehmende Halluzinationen. Es gibt folgende Therapiemöglichkeiten …!" Dr. Baumann stutzt und liest noch einmal, was da plötzlich auf seinem Computer-Bildschirm steht. Stimmt, Frau Schuster geht es tatsächlich von Woche zu Woche ein bisschen schlechter. Wahrscheinlich ist es doch besser, die Medikamente umzustellen. Baumann gehört zu den 15 niedergelassenen Nervenärzten, die sich in Düsseldorf vom Computer unterstützen lassen. Er beteiligt sich an einem Projekt der Abteilung für Psychiatrie der Universität Düsseldorf, in dem es darum geht, die ambulante Versorgung schizophrener Patienten zu verbessern. Die Forschungsarbeiten erfolgen in Kooperation mit der Universität Freiburg und der Technischen Universität München. Sie werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Kompetenznetzes Schizophrenie finanziell gefördert. "Wir untersuchen, ob schizophren Kranke davon profitieren, wenn medizinische Leitlinien und andere Elemente eines Qualitätsmanagements stärker als bisher in die ambulante Behandlung integriert werden", erläutert Dr. Birgit Janssen, die das Projekt betreut. Computer können hier wertvolle Dienste leisten. Denn für Ärzte wird es immer schwieriger, in der Fülle an medizinischen Informationen den Überblick zu behalten und diese Informationen auch zur rechten Zeit einzusetzen. Janssen und ihre Mitarbeiter entwickelten in Kooperation mit dem Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN) und mit finanzieller Unterstützung durch die Firma Janssen-Cilag eine Software, die Krankheitsverläufe von Schizophrenie-Patienten analysiert und Vorschläge zur Therapie macht.

Dank Qualitätsmanagement seltener in die Klinik
Die Arbeit mit der neuen Software ist für den niedergelassenen Psychiater weitgehend unkompliziert: Die Krankengeschichten der Patienten, die am Projekt teilnehmen, sind im Computer gespeichert. Kommt zum Beispiel Frau Schuster in die Praxis, so ruft der Arzt ihre Krankengeschichte auf und gibt alle neuen relevanten Patientendaten ein. Er kann zum Beispiel anklicken, welche Symptome sie zeigt, wie ausgeprägt diese sind und ob es Frau Schuster seit dem letzten Besuch besser oder schlechter geht. Der Computer vergleicht diese Daten mit den offiziellen Behandlungsleitlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und präsentiert dem Arzt anschließend die Leitlinie zum aktuellen Problem. So unterstützt die Software den Arzt dabei, seine Patienten immer nach dem aktuellen Stand des Wissens zu therapieren. Janssen und ihre Mitarbeiter konnten belegen, dass der Computer für die Ärzte tatsächlich ein Helfer ist und nicht nur ein elektronischer Besserwisser. Die 132 Patienten, die in den am Projekt beteiligten Praxen betreut wurden, hatten weniger Symptome und mussten seltener in die Klinik eingewiesen werden als 224 Patienten aus Vergleichspraxen in Freiburg und München ohne Qualitätsmanagement. Haben Psychiater ohne Computerunterstützung ihre Leitlinien also nicht gut genug im Kopf? "Wir glauben nicht, dass es daran liegt", antwortet Janssen. "Die teilnehmenden Ärzte sind Fachärzte, die sich ständig weiterbilden und die Leitlinien gut kennen. Wahrscheinlich bemerkt der Arzt aber durch die Rückmeldung des Computers schneller, wenn es dem Patienten schlechter geht und reagiert rechtzeitig." Doch der unmittelbare Hinweis des Computers auf die Leitlinien, während der Patient daneben sitzt, hat noch einen anderen Vorteil. "Aus anderen Ländern, zum Beispiel aus England, wissen wir, dass man sich Leitlinien besser merkt, wenn sie direkt mit dem Patientenkontakt verknüpft sind. Das führt eher zu einer leitlinienkonformen Behandlung als eine Leitlinien-Schulung oder ein Buch, das gleich ins Regal wandert."

Was verschreiben die Kollegen?
Als zusätzliches Element des Qualitätsmanagements wertet die Uniklinik Düsseldorf die anonymisierten anonymisierten Daten der teilnehmenden Psychiater noch einmal zentral aus und setzt sie zueinander in Beziehung. Der einzelne Arzt sieht dann, wo er im Vergleich zu den anderen Praxen steht, ob seine Patienten zum Beispiel öfter ins Krankenhaus müssen und ob er bei den gleichen Beschwerden die gleichen Medikamente verschreibt wie seine Kollegen. "Das motiviert die Ärzte", hat Janssen beobachtet. Dabei erfolgt auch der "Vergleich" der Praxen untereinander anonym – der Arzt kann nur die Daten seiner eigenen Praxis identifizieren. Er erkennt also nicht, welche Therapieerfolge oder –misserfolge Kollege X erzielt hat. Bisher lief das Projekt über 18 Monate. Wegen der guten Erfolge wurde mittlerweile eine Ausweitung bewilligt. Als nächster Schritt ist geplant, auch zehn bis zwölf psychiatrische Praxen in München mit der neuen Software auszurüsten und das Qualitätsmanagement auf die teilnehmenden Münchener und Freiburger Ärzte auszuweiten.

Im Krankenhaus Papier und Bleistift
Aber Qualitätsmanagement funktioniert nicht nur beim niedergelassenen Psychiater und nicht nur mit Computern. In einer weiteren Studie untersuchten Janssen und ihre Kollegen, ob auch Schizophrenie-Patienten in der Klinik vom Qualitätsmanagement profitieren. Sie initiierten in mehreren psychiatrischen Kliniken Qualitätszirkel, also regelmäßige Treffen der Ärzte und Therapeuten, um die Behandlung der Patienten zu besprechen. Die Krankheitssymptome, ihre Intensität, die Medikation und mögliche Nebenwirkungen werden kontinuierlich für jeden einzelnen Betroffenen anhand eines Fragebogens erfasst. Außerdem lassen sich auch hier die Daten der einzelnen Kliniken untereinander in Beziehung setzen. Im Gegensatz zu den Praxen wird im Krankenhaus aber mit Papier und Bleistift dokumentiert. "In der Klinik haben wir uns für diesen konventionellen Weg entschieden, weil es extrem schwierig gewesen wäre, unsere Software in die Computersysteme der Krankenhäuser zu integrieren", erklärt Janssen. Doch auch die altmodische Variante ist effektiv: In den teilnehmenden Abteilungen ging es den Patienten im Vergleich zu anderen Kliniken besser. Außerdem gelang es, die Häufigkeit von Nebenwirkungen einiger Psychopharmaka deutlich zu reduzieren, nachdem im Rahmen des Qualitätsmanagements der Einsatz dieser Medikamente hinterfragt und modifiziert worden war.

Ansprechpartner:
Dr. Birgit Janssen
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Rheinische Kliniken Düsseldorf
Bergische Landstraße 2
40629 Düsseldorf
Tel.: 0211/9 22-34 04
Fax: 0211/9 22-20 20
E-Mail: birgit.janssen@lvr.de