"Wir brauchen uns nicht zu verstecken!" Ostdeutsche Hochschulmedizin verbessert die Leistungsfähigkeit ihrer klinischen Forschung

Der Medizinischen Fakultät Leipzig gelang es bisher zu selten, im Wettbewerb der Universitäten untereinander und insbesondere zwischen Ost und West, die besten Bewerber auf Professuren für sich zu gewinnen. Eine Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für die neuen Bundesländer erleichtert jetzt die Rekrutierung exzellenter Wissenschaftler.

Die Frustration war groß, wenn nach langen Verhandlungen und Ausschöpfung aller Möglichkeiten wieder ein Kandidat den Ruf auf eine Professur an der medizinischen Fakultät der Universität Leipzig ablehnte. Denn für den Ausbau von konkurrenzfähigen medizinischen Forschungsschwerpunkten im Osten Deutschlands sind herausragende Wissenschaftler von eminenter Bedeutung. Die Universitäten in den neuen Bundesländer sind nach wie vor strukturell benachteiligt: Die Ausstattung mit wissenschaftlichem Personal und die Forschungsbudgets bleiben hinter denen der alten Länder zurück, gleichzeitig fallen die Gehälter niedriger aus, oft ist vorhandenes Personal nach ungeschriebenen Gesetzen der Besitzstandswahrung bestimmten Abteilungen fest zugeordnet und viele Wissenschaftlerstellen sind noch aus der Zeit vor der Wende dauerhaft besetzt. Das behindert die Anpassung an neue Forschungsschwerpunkte und macht die Standorte für hochkarätige Wissenschaftler unattraktiv.
Um diese Defizite auszugleichen, bot das BMBF 1999 eine Fördermaßnahme für die klinische Forschung in den neuen Bundesländern an, die dritte seit 1991. Während die ersten beiden im Wesentlichen der Etablierung moderner Forschungsmethoden und dem modellhaften Aufbau eigenständiger Strukturen für die klinische Forschung dienten, hat die dritte spezifische Aufbauförderung des BMBF die Herausbildung eines leistungsfähigen Forschungsprofils sowie die Entwicklung fakultätsinterner Leistungsbewertung und Belohnung zum Ziel. In der ersten Förderphase von drei Jahren erhalten die acht ostdeutschen medizinischen Fakultäten insgesamt rund 40 Millionen Euro. Für eine zweite Förderphase von weiteren drei Jahren sind rund 30 Millionen Euro geplant.

Wo wollen wir mit unserer klinischen Forschung hin?
Dieses Angebot löste bei den medizinischen Fakultäten intensive Diskussionen aus. Professor Arnold, Prodekan in Leipzig: "Erst mit der dritten Förderinitiative des BMBF fand innerhalb unserer Fakultät ein Sinneswandel statt. Wir fragten uns: Wo stehen wir mit unserer klinischen Forschung? Wo wollen wir hin? Und vor allem: Wie kommen wir da hin?" In Leipzig bestand eine gute Ausgangsposition für die Debatte um neue Forschungsstrukturen und -schwerpunkte. Die Fakultät konnte auf Erfahrungen zurückgreifen, die sie beim Aufbau ihres Interdisziplinären Zentrums für klinische Forschung und ihres Koordinierungszentrums für klinische Studien erworben hatte. Trotzdem kristallisierte sich das neue Forschungsprofil der Fakultät erst in mehreren Schritten heraus - aber auch medizinische Fachbereiche in den alten Bundesländern tun sich schwer mit diesem Prozess. Äußerst hilfreich war dabei die intensive Auseinandersetzung mit einem kritischen externen Gutachterkreis, den das BMBF berufen hatte. Schließlich wurden zwei große Forschungsbereiche festgelegt, die nun mit insgesamt vier Professuren gestärkt werden sollen: "Fehlsteuerung von zellulären Signalnetzwerken" und "Psychosoziale Versorgungs-formen".

Leistung statt Gießkanne
Das BMBF trägt vor allem durch eine attraktive personelle Ausstattung der Professuren zur positiven Entwicklung bei. Pro Lehrstuhl werden drei so genannte Post-Doc-Stellen und eine Stelle für die technische Assistenz finanziert. Die Fakultät Leipzig widmet für das Vorhaben drei ihrer Lehrstühle zu Forschungsprofessuren um. Zwei davon finanziert sie selbst, eine das BMBF, und die vierte Stelle wird als Stiftungsprofessur eingerichtet. In der ersten Förderphase von drei Jahren unterstützt das BMBF die Strukturmaßnahmen in Leipzig mit rund 5,5 Millionen Euro. Die Vergabe der Gelder ist mit der Bedingung verknüpft, bis zu 30 Prozent des Landeszuschusses für Forschung und Lehre nicht mehr wie bisher gießkannenartig, sondern leistungsabhängig innerhalb der Fakultät zu verteilen. Dazu müssen die innere Leistungsbewertung ausgebaut und engagierte Arbeit sowie exzellente Forschung belohnt werden.

Solchermaßen profiliert, leistungsbetont und mit erhöhter Transparenz für Finanzmittel und Leistungsbewertung fühlt sich der medizinische Fachbereich in Leipzig gut gerüstet für den Wettbewerb um hochrangige Bewerber. Professor Arnold: "Wir brauchen uns nicht zu verstecken! Unsere medizinische Fakultät ist auf dem besten Weg, sich ihren Platz unter den großen Fakultäten Deutschlands zurückzuerobern und sich international zu profilieren." Die jüngsten Ereignisse scheinen ihm Recht zu geben: Für die vier ausgeschriebenen Forschungsprofessuren bewarben sich mehrere international anerkannte Experten. Über die guten Entwicklungen gerät auch so mancher Beobachter aus den alten Bundesländern ins Grübeln. Denn die Hochschulmedizin steht nicht nur an den ostdeutschen Fakultäten vor extremen Herausforderungen als Motor für innovative klinische Forschung und bei der Ausbildung qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchses. Die medizinischen Fakultäten der neuen Bundesländer können mit ihrer inzwischen ausgeprägten Reformbereitschaft erfolgreiche Wege für eine Verbesserung der klinischen Forschung in ganz Deutschland aufzeigen.

Ansprechpartner:
Dr. Stephanie Schaerer
DLR-Projektträger Gesundheitsforschung
Tel.: 0228/38 21 - 117
E-Mail: stephanie.schaerer@dlr.de

Weitere Informationen:
Strukturförderung in den neuen Bundesländern