15.08.2022

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Infektionsbekämpfung: Antikörper statt Antibiotika

Immer mehr Krankheitserreger entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika. Daher werden alternative Wirkstoffe dringend benötigt. Ein Forschungsteam vom Universitätsklinikum Köln will nun Medikamente auf der Grundlage körpereigener Antikörper entwickeln.

Wissenschaftler schaut sich Nährmedien in Kulturschalen an.

Um Infektionserreger zu bekämpfen, produziert das Immunsystem eine Vielzahl von unterschiedlichen Antikörpern. Eine Forschungsgruppe aus Köln will auf der Basis dieser Antikörper Wirkstoffe entwickeln und so eine Alternative zu den immer häufiger unwirksamen Antibiotika schaffen.

NGFN / BMBF

Antibiotikaresistenzen nehmen seit Jahren kontinuierlich zu und zählen zu den größten Herausforderungen für die globale Gesundheit unserer Zeit. Dabei widerstehen die Bakterien häufig nicht nur einem, sondern gleich mehreren Antibiotika – sie sind multiresistent. Um Infektionen mit solchen Erregern auch in Zukunft erfolgreich bekämpfen zu können, müssen dringend auch alternative Therapieoptionen erschlossen werden. Eine vielversprechende Option sind sogenannte neutralisierende Antikörper. Antikörper sind natürliche körpereigene Proteine des Immunsystems, mit welchen sich der Organismus gegen Krankheitserreger wehrt – und zwar nicht nur gegen Bakterien, sondern auch gegen Viren und Parasiten.

Erste Therapieerfolge mit Antikörpern

Bakterien verfügen über zahlreiche krankmachende Eigenschaften, in der Fachsprache werden sie Virulenzfaktoren genannt. Während Antibiotika den Stoffwechsel von Bakterien schädigen, verbinden sich die körpereigenen Antikörper mit den Erregern und schwächen gezielt deren krankmachende Eigenschaften. Bei einigen Erkrankungen gibt es bereits Erfolge mit gezielt für die Therapie hergestellten Antikörpern: Giftstoffe, die das Bakterium Clostridium bei einer Infektion beispielsweise im Verdauungstrakt produziert, konnten durch im Labor hergestellte, spezifische Antikörper neutralisiert werden; bei HIV-Infektionen können medikamentös verabreichte Antikörper die Infektion eindämmen. Insgesamt aber wurde bislang nur wenig nach Antikörpern gegen bakterielle Virulenzfaktoren gesucht, um daraus Therapeutika zu entwickeln.

Daher will eine Gruppe von Nachwuchsforschenden am Universitätsklinikum Köln diesen Ansatz aufgreifen und am Beispiel des multiresistenten und weit verbreiteten Krankenhauskeims Pseudomonas aeruginosa anwenden. Dabei wollen sie neue Methoden erarbeiten, um hoch-spezifische und zugleich gut verträgliche Antikörper zu entwickeln und für die therapeutische Anwendung herzustellen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert ihre Arbeit mit rund 1,8 Millionen Euro.

Krankenhauskeime im Visier

Die Bakteriengattung Pseudomonas aeruginosa ist sehr weit verbreitet und kommt häufig in feuchten Umgebungen vor. Da sie vor allem in Kliniken und Pflegeeinrichtungen anzutreffen sind, werden sie oft auch als Krankenhauskeime bezeichnet. Ein Infektionsrisiko besteht insbesondere für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem und einschlägigen Vorerkrankungen. Die Bakterien verursachen akute Infektionen wie Blutvergiftungen, können Organe aber auch langfristig befallen und dann beispielsweise schwere chronische Lungenentzündungen auslösen. Da die Erreger besonders resistent gegenüber vielen unterschiedlichen Antibiotika sind, können die Erkrankungen oft nur schwer behandelt werden.

Die Forschungsgruppe will zunächst Antikörper identifizieren, die in der Lage sind, einen der unterschiedlichen Virulenzfaktoren zu hemmen. Dazu untersuchen sie Blutproben von chronisch mit dem Krankenhauskeim infizierten Patientinnen und Patienten mit bestimmten Tests. Ein Testverfahren zur Identifikation von toxischen Effekten der Erreger hat die Gruppe bereits entwickelt; jetzt werden Tests zur Bestimmung der Funktion weiterer Virulenzfaktoren erarbeitet. Sind diese Testverfahren entwickelt, können auch die dazugehörigen neutralisierenden Antikörper identifiziert werden.

Kernaufgabe: Geeignete Antikörper isolieren und produzieren

Die größte Herausforderung des Teams besteht darin, die jeweils wirksamen Antikörper in den Blutproben zu identifizieren und schließlich gezielt zu produzieren. In neuartigen Verfahren werden die Gensequenzen vervielfältigt, die in bestimmten Immunzellen für die Produktion der jeweiligen Antikörper verantwortlich sind. Diese Kopien dienen dann als Bauplan für die Produktion von Antikörpern in größeren Mengen. „Auf dieser Grundlage könnten Medikamente entwickelt werden, die invasive Infektionen mit sogenannten Krankenhauskeimen wirksam bekämpfen. Dies könnte insbesondere bei schwerkranken oder immungeschwächten Patientinnen und Patienten eine wirkungsvolle Therapie darstellen. Zudem könnten Antikörper aufgrund ihres langsamen Abbaus auch vorbeugend verabreicht werden, beispielsweise vor einer Chemotherapie, welche das Immunsystem schwächt“, erklärt der Projektleiter Dr. Alexander Simonis das Ziel der Forschungsarbeit.

Doch bevor es so weit ist, werden Simonis und sein Team in umfangreichen Tests überprüfen, ob die Produktion der Antikörper auch wirklich gelingt, ob sie immer noch wirksam die jeweiligen Virulenzfaktoren hemmen und ob ihre Anwendung auch verträglich ist. Dabei wollen es die Forschenden aber nicht belassen. Ihr Ziel ist, die verwendeten Techniken so anzupassen, dass sie nicht nur Antikörper gegen Pseudomonas aeruginosa, sondern auch gegen andere relevante bakterielle Erreger als Therapeutika entwickeln können. Damit wären Ärztinnen und Ärzte zukünftig in der Lage, möglichst vielen Patientinnen und Patienten bei Infektionen mit multiresistenten Bakterien zu helfen.  

Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „PANAPA – Entwicklung von neutralisierenden Antikörpern zur Behandlung von Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa“ von 2022 bis 2027 mit rund 1,8 Millionen Euro. Ziel der Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung zu fördern und damit die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken. Im Mai 2022 startete die zweite Förderphase der Maßnahme.