16.12.2021

Aktuelle Meldung

Ein neuer Ansatz gegen multiresistente Bakterien

Bakterien besitzen einen molekularen Mechanismus, mit dem sie sich auf natürliche Weise gegenseitig vernichten können. Forschende aus Kiel wollen diesen Mechanismus zukünftig zur Behandlung von Infektionen mit multiresistenten Keimen nutzen.

Zwei Hände in Gummihandschuhen halten eine Petrischale

Multiresistente Krankheitserreger gehören zu den großen Gefahren in der Medizin. Es besteht daher großer Bedarf an innovativen Methoden, um Infektionen mit diesen Erregern auch zukünftig wirkungsvoll behandeln zu können.

Eremit08/Adobe Stock

Sehr viele Bakterienstämme sind heute bereits gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig immun, sodass diese wertvollen Medikamente ihre Wirksamkeit zusehends einbüßen. Multiresistenten Bakterien sind weitverbreitet und werden insbesondere dann zu einem großen Problem, wenn sie beispielsweise in einer Krankenhausumgebung auf bereits geschwächte Personen treffen.

„Anstatt einen Wirkstoff zu verwenden, der diese Bakterien abtötet, wie es bei herkömmlichen Antibiotika der Fall ist, wollen wir die Bakterien dazu bringen, sich gegenseitig zu vernichten. Gelingt uns dies, können wir zukünftig auch Patientinnen und Patienten wirkungsvoll behandeln, die sich mit multiresistenten Keimen infiziert haben “, erläutert Nachwuchsgruppenleiter Dr. Daniel Unterweger die Zielsetzung seines Projektes „BactoKill – Bakterien-Bakterien Interaktionen zur Bekämpfung multiresistenter Keime“.

Im Fokus dieses Forschungsprojektes steht das bakterielle Typ-VI-Sekretionssystem (T6SS). Über dieses molekulare System töten sich Bakterien unter bestimmten Umständen gegenseitig. Dafür schleust ein Bakterium über T6SS giftige Proteine, sogenannte Effektoren, in ein benachbartes Bakterium, das – sofern es nicht über bestimmte T6SS-Immunitätsproteine verfügt – daraufhin abstirbt.

Ein gefährlicher Bakterienstamm als Prototyp

In den Fokus ihrer Arbeiten haben die Forschenden der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel und des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön das Bakterium Pseudomonas aeruginosa gerückt. Die Weltgesundheitsorganisation hat es auf die Liste der Bakterienstämme mit dem höchsten Handlungsbedarf gesetzt, denn Infektionen mit P. aeruginosa sind beispielsweise für Menschen mit Verbrennungswunden oder Mukoviszidose lebensbedrohlich. Dass der T6SS-Mechanismus auch bei diesen Bakterien vorkommt, konnte bereits zu einem früheren Zeitpunkt nachgewiesen werden. 

Rund zehn Prozent aller Infektionen, die im Krankenhaus oder bei ambulanten Behandlungen entstehen, werden durch Pseudomonas aeruginosa verursacht. Das Bakterium zählt damit zu den häufigsten Erregern von Krankenhausinfektionen. Bei Menschen, deren Immunsystem geschwächt ist, können die Bakterien sehr unterschiedliche Körperbereiche besiedeln und bei schweren Verläufen zu einer Sepsis führen. Die Mehrheit der Pseudomonas weist Antibiotikaresistenzen auf, zudem können sie einen Schutzfilm ausbilden, der sie vor Antibiotika und Immunreaktionen schützt.

Um T6SS für die Therapie nutzbar zu machen, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem einen bakteriellen „Polizeistamm“ herstellen. Mithilfe des T6SS-Mechanismus soll dieser multiresistente Bakterien wirkungsvoll bekämpfen. Da er selbst aber keine Resistenzen aufweist, kann er im Anschluss durch Antibiotika einfach wieder beseitigt werden.

„Wenn wir erfolgreich sind, haben wir mit Abschluss des Projektes einen Prototypen zur Behandlung von Infektionen des multiresistenten Bakteriums P. aeruginosa. Mit Blick darauf, dass immer mehr Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren, wäre das ein enormer Zugewinn zur Bekämpfung multiresistenter Bakterien“, so Unterweger.

Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „BactoKill“ mit fast 2,4 Millionen Euro. Ziel dieser Fördermaßnahme ist es, den Karriereweg qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung und ihre Berufung in die Hochschullehre gezielt zu fördern.