19.04.2022

| Aktuelle Meldung

Alternative Strategien gegen antibiotikaresistente Krankheitserreger

Die Forschenden der Nachwuchsgruppe „DISPATch_MRGN“ suchen nach geeigneten Wirkstoffen, um zwei der wichtigsten multiresistenten Krankheitserreger besser bekämpfen zu können.

Hand hält Petrischale

Bakterien, die gleich gegen mehrere Antibiotika resistent sind, breiten sich weltweit bei Mensch und Tier aus – und stellen eine große Gefahr dar.

Eremit08/Adobe Stock

Allein in Deutschland erkranken jährlich knapp 55.000 Menschen an Infektionen mit Bakterien, die gleich gegen mehrere Antibiotika resistent sind. Diese Multiresistenzen sind allerdings nicht der alleinige Faktor, der die Ausbreitung dieser Erreger begünstigt. Auch die Virulenz, also ihre infektiöse Eigenschaft, trägt beispielsweise dazu bei. Diese wird unter anderem dadurch bestimmt, wie effektiv die Bakterien an andere Zellen anheften und in sie eindringen. Aber auch dadurch, wie gut sie im Wirt überleben können.

Ein weiterer Faktor, der den Erfolg von antibiotikaresistenten Bakterien begünstigt, ist deren Fähigkeit sogenannte Biofilme zu bilden. Diese bestehen aus einem Sekret, das die Mikroorganismen selbst bilden. So entsteht eine Matrix, die sie gegen äußerliche Einflüsse schützt. „Besonders erfolgreiche Bakterienstämme vereinen Multiresistenz mit vielen Virulenz- und Fitnesseigenschaften, die in der Summe dazu führen, dass sie sich schnell ausbreiten und Erkrankungen auslösen gegen die wir teilweise kein geeignetes Gegenmittel mehr haben“, erläutert Prof. Katharina Schaufler von der Universität Greifswald. Die Wissenschaftlerin sucht mit ihrem Forschungsprojekt „DISPATch_MRGN“ nach alternativen Therapieansätzen gegen multiresistente Stämme der beiden Bakteriengattungen Escherichia (E.) coli und Klebsiella (K.) pneumoniae.

Resistente Krankheitserreger kommen bei Menschen und Tieren sowie in der Umwelt vor. Ihre Entstehung und Ausbreitung zu bekämpfen ist daher ein wichtiger Bestandteil des One-Health-Konzepts, bei dem Human-, Veterinär- und Umweltmedizin eng zusammenarbeiten.

Escherichia (E.) coli ist ein stäbchenförmiges Bakterium, das im menschlichen Darm vorkommt. Es spielt hier eine wichtige Rolle im Stoffwechsel, indem es unter anderem Vitamin K produziert. Pathogene Stämme des Bakteriums sind für den Menschen gefährlich und gehören zu den häufigsten Auslösern von Infektionskrankheiten.

Auch das Bakterium Klebsiella (K.) pneumoniae findet man im menschlichen Darm. In anderen Körperregion kann es jedoch als Krankheitserreger auftreten, im Krankenhaus ist es häufig die Ursache von Lungenentzündungen, die in der Fachsprache als nosokomiale Pneumonien bezeichnet werden.

Beide Bakteriengattungen werden in der Prioritätenliste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „kritische Krankheitserreger“ genannt.

Neue Angriffsstellen für eine wirkungsvolle Gegenwehr

Für ihre Arbeiten nutzen die sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits veröffentliche Daten von multiresistenten E. coli- und K. pneumoniae-Stämmen. „Unser Ziel ist es, bei den pathogenen Bakterienstämmen Angriffsstellen zu identifizieren, welche beispielsweise für die bakterielle Virulenz und die Fähigkeit zur Bildung von Biofilmen wichtig sind. Haben wir diese identifiziert, können wir nach entsprechenden Wirkstoffen suchen, die über diese Angriffsstellen das Bakterium weniger virulent und damit weniger infektiös machen“, so Schaufler. Dabei richtet sich das Augenmerk der Forschenden insbesondere auf Ansatzstellen, die lediglich den Krankheitserreger unschädlich machen, die für den Menschen nützlichen Bakterienstämme im Darm aber nicht angreifen.

Geeignete Zielstrukturen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe von bioinformatischen Auswertungen in Datenbanken aufspüren und ihre Wirksamkeit in Laborversuchen überprüfen. Schon bei diesen frühen Schritten der Wirkstoffstoffforschung sollen industrielle Standardverfahren angewendet werden. Dies erleichtert eine mögliche spätere Zusammenarbeit mit pharmazeutischen Firmen und beschleunigt die klinische Überprüfung von erfolgversprechenden Kandidaten, damit potenzielle Wirkstoffe den Patientinnen und Patienten möglichst schnell helfen können.

Zusätzlich untersuchen die Forschenden aus Greifswald, inwiefern Wirkstoffe, die bereits für andere Therapien zugelassen sind, auch gegen die multiresistenten Bakterienstämme wirken. Dieser als „Repurposing“ bezeichnete Ansatz kann schon einige erfolgreiche Beispiele vorweisen. So konnte ein Wirkstoff, der zunächst zur Krebsbekämpfung vorgesehen war, später erfolgreich als Medikament gegen HIV eingesetzt werden. „Führt dieser Ansatz zum Erfolg, spart uns das viel Zeit und enorme Kosten. Denn für diese Wirkstoffe liegen wichtige Nachweise beispielsweise zur Sicherheit und Verträglichkeit bereits vor und müssen demnach nicht mehr allumfassend erbracht werden“, fasst Schaufler zusammen.

Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „DISPATch_MRGN – Die Entwaffnung von Pathogenen als alternative Strategie zur Bekämpfung von antibiotikaresistenten gramnegativen Keimen“ von 2020 – 2025 mit rund zwei Millionen Euro. Ziel dieser Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken.