Alzheimer: Mögliche Ursache gefunden - Störung im Lipidstoffwechsel begünstigt die Entstehung von Alzheimer-Proteinen

Proteinablagerungen im Gehirn, bestehend aus Beta-Amyloid Peptiden, sind eine der auffälligsten Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten. Diese amyloiden Plaques und auch kleinere Aggregate von Beta-Amyloid Peptiden werden als eine Ursache für Alzheimer diskutiert. Wissenschaftler haben nun möglicherweise einen neuen Auslöser für diese charakteristischen Veränderungen im Gehirn gefunden: eine Störung im Lipidstoffwechsel. Denn zu viele Lipide in der Zellmembran von Neuronen können die Bildung von Alzheimer-Peptiden begünstigen. (Newsletter Nr. 52 / Juli 2011)

Im Gehirn von Patienten mit Alzheimer-Demenz lagern sich zwischen den Neuronen amyloide Plaques ab. Diese charakteristischen Anhäufungen des Proteinfragments Beta-Amyloid werden auch zur endgültigen Diagnose nach dem Tod der Betroffenen in Gewebeschnitten nachgewiesen. Das Alzheimer- Protein Beta-Amyloid entsteht durch die Spaltung von Vorläuferproteinen - ist dieser genau regulierte Prozess gestört, wird vermehrt Beta-Amyloid produziert.

In gesunden Nervenzellen wird beispielsweise das C-terminale Peptid - eine wichtige Zwischenstufe bei der Entstehung von Beta-Amyloid - stets effektiv abgebaut und somit die Bildung von Alzheimer-Plaques verhindert. Diese Säuberung der Nervenzellen von Zwischenstufen des Beta-Amyloids geschieht über einen Prozess, der Autophagozytose genannt wird. "Bei der Autophagozytose baut die Zelle eigene Bestandteile aber auch Eindringlinge von außen wie etwa Viren oder Bakterien ab", beschreibt Prof. Dr. Jochen Walter von der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Bonn. Ist die Autophagozytose in Nervenzellen gestört, häuft sich Beta-Amyloid an.

Eine Ursache für die Störung der Autophagozytose und somit für die vermehrte Entstehung von Beta-Amyloid ist eine Veränderung im Lipidstoffwechsel der Nervenzellen. Das haben Wissenschaftler des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Degenerative Demenzen mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) herausgefunden. "Wenn bestimmte Bestandteile der Zellmembran, die sogenannten Sphingolipide, übermäßig vorhanden sind, blockieren sie den natürlichen Prozess der Autophagozytose", so Professor Walter. Die Folge: Eiweiße, darunter auch das C-terminale Peptid, können nicht mehr effektiv per Autophagozytose abgebaut werden und das gefährliche Beta-Amyloid sammelt sich an. Zugleich aktivieren zu viele Sphingolipide ein bestimmtes Enzym, die y-Sekretase, deren Funktion darin besteht, das gefährliche Beta-Amyloid vom C-terminalen Peptid abzuspalten. Sphingolipide begünstigen somit die Entstehung von Alzheimer-Proteinen auf zwei Wegen. "Wir schließen daraus, dass den charakteristischen Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten möglicherweise eine Störung im Lipidstoffwechsel zugrunde liegt", sagt Professor Walter.

Zu viele Lipide stören den Abbau

Sphingolipide sind in Nervenzellen an der Übertragung von Signalen und der Interaktion einzelner Zellen beteiligt. Sie sind wichtige Bestandteile der Zellmembran, aber auch von Membranvesikeln, die für den Prozess der Autophagozytose notwendig sind. Doch zu viele Sphingolipide stören den kontrollierten Einweißabbau in der Zelle, so das Ergebnis von Zellkulturexperimenten. "Zum einen haben wir Nervenzellen quasi mit Sphingolipiden gefüttert. Zum anderen haben wir Zellen von Patienten untersucht, die aufgrund eines genetischen Defektes übermäßig viele Lipide in der Zellmembran einlagern", erklärt Professor Walter. Patienten mit einer solchen Lipidspeicherkrankheit zeigen Symptome, die auch für Alzheimer-Patienten typisch sind. In beiden Untersuchungen wurde deutlich: Zu viele Sphingolipide stören den Proteinabbau der Zellen. "Die Sphingolipide reduzieren vor allem den Abbau des C-terminalen Peptids, sodass sich mehr schädliches Beta-Amyloid anhäufen kann", so Professor Walter. Wie genau die Sphingolipide den Prozess der Autophagozytose beeinflussen, ist bislang unklar: "Theoretisch ist es möglich, dass die Sphingolipide allein aus Platzgründen beim Abbauprozess im Weg sind oder aber, dass sie die Aktivität bestimmter Enzyme verändern."

Neuer Ansatz für Therapie und Früherkennung

Diese Erkenntnisse der Neurowissenschaftler könnten zukünftig doppelt genutzt werden - zur Prävention und zur Früherkennung von Alzheimer. So könnten die übermäßigen Sphingolipide als Ansatzpunkt für neue präventive Maßnahmen dienen. Professor Walter: "Wenn wir beispielsweise den Abbau von überzähligen Sphingolipiden in Nervenzellen gezielt stimulieren könnten, könnte dies gegebenenfalls die Entstehung schädlicher Beta-Amyloid Peptide verhindern." Aber die Ergebnisse bieten vielleicht auch die Möglichkeit für eine Früherkennung von Alzheimer. Denn fallen Alzheimer-Patienten erstmals durch ihre Vergesslichkeit auf, hat sich ihr Gehirn meist schon über Jahre hinweg verändert. Deshalb werden verschiedene Biomarker gesucht, um Personen im Frühstadium einer Alzheimer-Demenz beziehungsweise mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer zu identifizieren. "Veränderungen im Lipidstoffwechsel und eine erhöhte Lipidkonzentration in Membranen könnten möglicherweise frühzeitig auf eine Alzheimer-Erkrankung hinweisen", sagt Professor Walter. Für beide Ansätze sind allerdings noch umfangreichere Studien nötig.

Alzheimer: Das fortschreitende Vergessen

Die Alzheimer-Krankheit ist nach ihrem Erstbeschreiber, dem deutschen Psychiater Alois Alzheimer, benannt. Die Alzheimer-Demenz ist eine Krankheit des Gehirns, bei der langsam fortschreitend und zunächst unbemerkt Nervenzellen absterben und Kontakte zwischen Nervenzellen gestört werden. Weltweit leiden mehr als 26 Millionen Menschen an Alzheimer, betroffen sind in der Regel Menschen ab dem 65. Lebensjahr. Die Krankheit ist gekennzeichnet durch Gedächtnis- und Orientierungsstörungen sowie durch Beeinträchtigungen des Denk- und Urteilsvermögens. Wenn Alzheimer-Patienten erstmals durch ihre Vergesslichkeit auffallen, hat sich ihr Gehirn meist schon über Jahre hinweg verändert. Bislang gibt es für diese neurodegenerative Erkrankung keine Heilung. In Deutschland leben etwa 1,2 Millionen Demenzkranke, zwei Drittel von ihnen leiden unter Alzheimer.