Bewegung als Investition in die Gesundheit - Sozial und körperlich fit dank BIG

Bewegungsmangel ist ein Gesundheitsrisiko. Besonders Frauen aus einem sozial benachteiligten Umfeld treiben in der Regel zu wenig Sport. Das Projekt „Bewegung als Investition in Gesundheit“ (BIG), unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), fördert die körperliche Aktivität dieser Frauen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu ihrer Gesundheit.

Doch die Teilnehmerinnen profitieren auch anderweitig: Sie entwickeln Selbstvertrauen, knüpfen soziale Kontakte und lernen politische Prozesse auf kommunaler Ebene kennen. Das Sportprogramm fördert so die soziale Integration der Frauen. Das Modellprojekt aus Erlangen wird wegen seines Erfolgs derzeit auf weitere Regionen in Deutschland übertragen.


Ausreichend Bewegung ist für die Gesundheit des Menschen immens wichtig: Sie reduziert das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Krebs, verlängert die Lebensdauer und steigert Lebensqualität und Selbstvertrauen. Doch nicht alle Menschen in Deutschland sind ausreichend körperlich aktiv. Vor allem Frauen mit geringem Einkommen, alleinerziehende oder arbeitslose Frauen sowie Frauen mit Migrationshintergrund bewegen sich zu wenig: 65 Prozent dieser Frauen zwischen 30 und 60 Jahren sind sportlich nicht aktiv. Für diese Frauen entwickelte das Institut für Sportwissenschaft und Sport (ISS) der Universität Erlangen-Nürnberg in Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis den BIG-Ansatz für Bewegungsförderung. BIG steht für Bewegung als Investition in Gesundheit. Das Projekt versteht sich jedoch nicht nur als reines Bewegungsprogramm, sondern fördert über die direkte Einbindung der Frauen in die Organisation des Sportangebots gezielt ihre soziale Integration. Die Entwicklung und Umsetzung des Programms wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Partizipation und Kooperation
Sozial benachteiligte Frauen sind für Sozialprojekte meist schwer zu erreichen. Bei BIG werden daher zunächst Menschen wie zum Beispiel Kindergärtnerinnen, Sozialarbeiterinnen oder Vertreter und Vertreterinnen der Kirchengemeinden, die an sozialen Knotenpunkten arbeiten, als Fürsprecher für das Projekt gewonnen. Sie stellen den ersten persönlichen Kontakt zu den Frauen her und motivieren sie zum Mitmachen. Von Beginn an sind die benachteiligten Frauen in die Planung und Umsetzung von BIG eingebunden. Das stärkt ihre Identifikation mit dem Projekt und führt dazu, dass sie sich langfristig engagieren. Sie können ihre eigenen Interessen einbringen und stehen selbst in kontinuierlichem Austausch mit Gesundheitsexperten und örtlichen Entscheidungsträgern. Partizipation und Kooperation – das sind die Erfolgsfaktoren des Projekts. Auf Basis der sogenannten kooperativen Planung, einem wissenschaftlichen Planungsansatz, erarbeiten Experten, Entscheider und Frauen gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Förderung von Sport und Bewegung. Beim Modellprojekt in Erlangen wurden zum Beispiel Frauenbadezeiten im örtlichen Schwimmbad, wohnortnahe Pilateskurse mit Kinderbetreuung oder ein erleichterter Zugang zu einem Fitnessstudio vorgeschlagen und umgesetzt. Dabei wird bei allen Angeboten darauf geachtet, dass auch muslimische Frauen daran teilnehmen können. Zur Umsetzung und Betreuung dieser Maßnahmen werden Projektbüros gegründet, die von den Frauen selbst geleitet werden. Aufgabe der Projektbüroleiterinnen und ihrer Mitarbeiterinnen ist es unter anderem, in Kooperationen mit der Stadt und Sportvereinen Übungsräume bereitzustellen, das Projekt bei weiteren Frauen bekannt zu machen und als Anlaufstelle für alle Interessierten aufzutreten.

Soziale Kompetenz und körperliche Aktivität
Dieser partizipative und kooperative Ansatz ist sehr erfolgreich. Je stärker die Frauen in die Planung und Umsetzung des Bewegungsförderungsprogramms eingebunden sind, desto positiver entwickelt sich ihre soziale Kompetenz: „Diese Frauen müssen plötzlich mit Leuten von der Volkshochschule oder der Stadt kommunizieren und ihre Wünsche und Interessen ausdrücken – Dinge, die sie sich vorher nie getraut haben“, so Prof. Dr. Alfred Rütten, wissenschaftlicher Projektleiter von BIG. „Sie lernen mit anderen Menschen umzugehen, verstehen politische Entscheidungsprozesse besser und ihr Selbstbewusstsein steigt. Das ist ein Prozess, den wir in der Wissenschaft Empowerment nennen.“ Zugleich erfahren die beteiligten Experten, wie Angebote entsprechend der Bedürfnisse gemeinsam mit den Frauen realisiert und Barrieren für Bewegungsaufnahme und -weiterführung abgebaut werden können. Auch in puncto Bewegung zeigen sich Erfolge: Die teilnehmenden Frauen erfahren zum ersten Mal, dass sie ohne Bewertungsdruck, den sie noch aus der Schulzeit kennen, auf ihrem eigenen Leistungsniveau Sport treiben können und haben Spaß an der Bewegung. Mit diesen positiven Erlebnissen ist der Grundstein für kontinuierliche körperliche Aktivität gelegt. Eine Teilnehmerin schildert ihre Erfahrungen so: „Früher habe ich überhaupt keinen Sport getrieben. Null. Null Sport, keine Bewegung, gar nichts. Jetzt fahre ich Fahrrad oder laufe, wenn ich irgendwohin muss. Ich bin jetzt dem Sport gegenüber nicht mehr so abgeneigt.“ Die körperliche Aktivität führt dazu, dass sich die Gesundheit der Teilnehmerinnen stark verbessert. So ist zum Beispiel ihr Blutdruck nachweislich gesunken. Das Zusammensein mit anderen Frauen fördert darüber hinaus ihre Integration in die Gesellschaft und bietet ihnen neue Möglichkeiten zur Lebensgestaltung.

Weiterentwicklungen
Seit 2005 läuft BIG als Modellprojekt in Erlangen. Im Jahr 2008 hat das ISS die Gesamtprojektleitung an das Sportamt der Stadt Erlangen übertragen und steht BIG seither als wissenschaftlicher Projektleiter zur Seite. Durch die finanzielle und organisatorische Unterstützung der Stadt ist der Fortbestand von BIG und der Projektbüros gesichert. Damit bleibt das Sportangebot bestehen und ermöglicht den Frauen auch in Zukunft, Sport zu treiben.
Momentan wird BIG ebenfalls in anderen Regionen Deutschlands umgesetzt: In Bayern wird das Projekt unter dem Namen BIGff fortgeführt, in Bottrop (Nordrhein-Westfalen) und im Landkreis Uecker-Randow (Mecklenburg-Vorpommern) unter dem Namen BIGGER. BIGGER wird seit Juli 2008 ebenfalls vom BMBF gefördert. Darüber hinaus fungiert es als Modellprojekt im Rahmen des Nationalen Aktionsplans „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Das Programm „Bewegung als Investition in Gesundheit“ hat sich als flächendeckend übertragbares und nachhaltiges Konzept zur Bewegungs- und Gesundheitsförderung bewährt.

Weitere Informationen:
www.big-projekt.de

Wie das Projekt funktioniert
- Persönliche Ansprache der Frauen
- Einbindung der Frauen in Entwicklung

Planung und Umsetzung
- Angebote nach Bedürfnissen der Frauen
- Vernetzung mit Sportvereinen und Politik
- Langfristiges Engagement

Was das Projekt bringt
- Soziale Integration
- Soziale Kompetenz
- Sportliche Aktivität

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Alfred Rütten
Institut für Sportwissenschaft und Sport
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Gebbertstraße 123b
91058 Erlangen
Tel.: 09131 8525000
Fax: 09131 8525002
E-Mail: alfred.ruetten@sport.uni-erlangen.de