Dicke der Großhirnrinde bei Rauchern vermindert - Noch ist unklar, ob diese Veränderung Folge oder Ursache der Nikotinsucht ist

Bei Rauchern ist eine bestimmte Region der Großhirnrinde dünner als bei Personen, die niemals in ihrem Leben geraucht haben. Diese Hirnregion, der sogenannte mediale orbitofrontale Kortex, ist für die Impulskontrolle, Belohnungsverarbeitung und das Treffen von Entscheidungen wichtig. Ob die veränderte Gehirnstruktur Folge oder Ursache der Nikotinsucht ist, ist bislang unklar.

Nikotin beeinflusst die Entwicklung des Gehirns und schädigt Nervenzellen – soviel ist bekannt. Doch verändert eine Nikotinsucht auch die Struktur des Gehirns? Dieser Frage sind Wissenschaftler des Nationalen Genomforschungsnetzes NGFN-Plus um Prof. Dr. Jürgen Gallinat von der Berliner Charité nachgegangen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftskollegen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin und mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wurde die Hirnstruktur von 22 Rauchern und 21 Niemals-Rauchern ohne Vorerkrankungen im Magnetresonanztomographen untersucht. Die hoch aufgelösten und dreidimensionalen Bilder der Gehirne wurden anschließend genau analysiert. Das Ergebnis: Bei Rauchern ist tatsächlich im Vergleich zu Personen, die niemals in ihrem Leben geraucht haben, eine Region des cerebralen Kortex, also der Großhirnrinde, verkleinert. „Beim Vergleich der zwei Untersuchungsgruppen haben wir festgestellt, dass der mediale orbitofrontale Kortex, eine bestimmte Region in der Großhirnrinde, bei Rauchern im Durchschnitt dünner ist als bei Niemals-Rauchern“, erklärt Professor Gallinat. Tatsächlich ist diese Hirnregion umso dünner, je höher der tägliche Zigarettenkonsum der Raucherinnen und Raucher ist. „Mit anderen Worten: Je mehr Zigaretten man pro Tag raucht und je länger die ,Raucherkarriere‘ ist, desto dünner ist der mediale orbitofrontale Kortex“, so Professor Gallinat.

Ursache und Wirkung sind noch unklar
Der mediale orbitofrontale Kortex ist eine Hirnregion, die für die Impulskontrolle, Belohnungsverarbeitung und das Treffen von Entscheidungen wichtig ist und die schon in der Vergangenheit mit Suchtverhalten in Verbindung gebracht wurde. „Die Frage, ob die veränderte Gehirnstruktur Folge oder Ursache der Nikotinsucht ist, also ob das Rauchen dazu führt, dass der mediale orbitofrontale Kortex dünner wird, oder ob diese Veränderung schon bestand, bevor die Personen zu rauchen begonnen haben, können wir derzeit nicht beantworten“, sagt Professor Gallinat. Letzteres könnte bedeuten, dass Menschen, die von Natur aus eine dünnere Kortexregion haben, eher zum Rauchen neigen und somit eine genetisch bedingte Anlage für eine Nikotinsucht tragen. Um die Frage nach Ursache und Wirkung zu klären, sind weitere Untersuchungen nötig. Professor Gallinat: „Zunächst planen wir eine Studie, um herauszufinden, ob sich die Hirnstruktur von Rauchern wieder normalisieren kann, wenn sie mit dem Rauchen aufhören oder ob die Veränderungen dauerhaft sind.“

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jürgen Gallinat
Psychiatrische Universitätsklinik der Charité
im St. Hedwig-Krankenhaus
Forschungsbereich Bildgebung
Große Hamburger Straße 5–11
10115 Berlin
Tel.: 030 2311–2904
Fax: 030 2311–2750
E-Mail: juergen.gallinat@charite.de