Die Fabrik, der Krebs, ein Protein und seine Struktur

Proteinstrukturfabrik schafft Basis für neuartige Therapie von Leberkrebs. Wer Proteine erforscht, braucht ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen denn die Riesenmoleküle haben eine hochkomplexe dreidimensionale Struktur, durch die ihre Funktion bestimmt wird. Die Struktur eines Proteins, das an den Krankheitsprozessen beim Leberkrebs beteiligt ist, wurde jetzt in der Berliner Proteinstrukturfabrik entschlüsselt. Die Forscher hoffen, das Protein mit neuen Medikamenten auszuschalten, um so den Krebs bekämpfen zu können.

Proteinforscher sprechen in Rätseln: "Die Struktur des Gankyrins besteht aus fünf L-förmigen strukturellen Einheiten, die sich aus einer ß-Drehung, gefolgt von zwei antiparallelen a-Helices und einer langen Schleife, die zu der Drehung der nächsten Wiederholung führt, zusammensetzen." Was zunächst kryptisch klingt, könnte den Kampf gegen Leberkrebs entscheidend voranbringen. Mit diesem Satz beginnt eine Beschreibung der Struktur des Proteins Gankyrin, das beim Leberkrebs eine wichtige Rolle spielt. Es wird von Leberkrebszellen in großer Menge produziert, lässt sie verstärkt wuchern und Tochtergeschwulste entstehen, so genannte Metastasen. Forscher der vom Bundesminsterium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Berliner Proteinstrukturfabrik haben die räumliche Struktur des Gankyrin kürzlich entschlüsselt und veröffentlicht. Sie verstehen jetzt besser, wie Gankyrin die Zellen dazu bringt, sich ungehemmt und aggressiv zu vermehren. Und sie können erkennen, an welchen Stellen Medikamente angreifen müssen, um das Protein (Gankyrin) zu inaktivieren oder zu zerstören. "Solche Arzneimittel wären wahrscheinlich eine gute Waffe im Kampf gegen den Leberkrebs", sagt Dr. Patrick Umbach, Geschäftsführer der Proteinstrukturfabrik. Erwarteter Vorteil: Die Mittel würden viel gezielter ins Krankheitsgeschehen eingreifen als herkömmliche Medikamente für die Chemotherapie. Dadurch wären sie wirksamer und besser verträglich.

30 Strukturen pro Jahr
Gankyrin ist eines von zigtausenden Proteinen des menschlichen Körpers. Die Forscher der Proteinstrukturfabrik einer der weltweit führenden Institutionen der Proteomik wollen die Struktur möglichst vieler menschlicher Proteine aufklären. Proteine steuern praktisch alle Lebensvorgänge und gelten als Schlüssel zu neuen Therapieformen. Die Analyse des menschlichen Proteoms ist eine noch größere Herausforderung als die Entschlüsselung des Erbguts, des Genoms, das den Bauplan für all die Proteine liefert. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die dreidimensionale Struktur der Proteine zu verstehen. Doch die Strukturaufklärung ist aufwändig und langwierig. Umbach: "Proteine bestehen aus hunderten bis tausenden von Aminosäuren. Die Aminosäureketten lagern sich zu definierten Strukturen zusammen." Erst durch die spezielle räumliche Anordnung werden sie biologisch aktiv und können zum Beispiel als Hormone Informationen weitergeben oder als Rezeptoren Substanzen in die Zellen schleusen.

Wie man Proteinstrukturen bestimmt, ist schon lange bekannt. Die Aufgabe der Wissenschaftler liegt nun darin, den Prozess zu automatisieren und zu beschleunigen. Sie beschränken sich dabei auf Proteine, die vermutlich bei bestimmten Krankheiten eine Rolle spielen. Um die Proteine analysieren zu können, lässt man sie in großer Menge von Mikroorganismen, meistens Darmbakterien oder Hefepilzen, produzieren. Die Mikroorganismen werden dazu in so genannten Bioreaktoren gezüchtet und vermehrt (s. S. 8). Anschließend untersuchen die Forscher die Struktur der Proteine mit speziellen Röntgenverfahren. Hierzu müssen die Proteine kristallisiert werden. In der Proteinstrukturfabrik laufen diese komplizierten Vorgänge weitgehend automatisiert ab. Umbach: "Wir gehen davon aus, dass wir die Strukturen von etwa 30 Proteinen pro Jahr aufklären können." Was sich wenig anhört, ist tatsächlich eine enorme Beschleunigung. Früher dauerte die Strukturaufklärung eines einzigen Proteins mehrere Jahre.

Ansprechpartner:
Dr. Patrick Umbach
Proteinstrukturfabrik
Geschäftsführung
Heubnerweg 6
14059 Berlin
Tel.: 030 / 3 26 39-28 01
Fax: 030 / 3 26 39-28 33
E-Mail: psf@fu-berlin.de