29.03.2022

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Forschung und Industrie: Gemeinsam gegen eine seltene Erkrankung

Den Weg zu Arzneimittelstudien ebnen und zu besseren Therapien der unheilbaren „Machado-Joseph-Krankheit“ (SCA3) beitragen: Daran arbeitet das europäische Forschungskonsortium ESMI gemeinsam mit dem französischen Pharmakonzern Servier Laboratories.

Mann prüft Gangsicherheit einer Frau, die über eine im Boden eingezeichnete Linie geht

Eine SCA3-Ataxie äußert sich in Gangunsicherheit und anderen Störungen der Bewegungskoordination (Symbolbild).

DZNE / Frommann

Hinter dem Kürzel SCA3 verbirgt sich der Fachbegriff „Spinozerebelläre Ataxie Typ 3“. Diese Erkrankung, auch „Machado-Joseph-Krankheit“ genannt, ist die häufigste Form einer Reihe von genetisch bedingten, schwerwiegenden neurodegenerativen Erkrankungen, bei denen das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Muskeln und damit die Bewegungskoordination gestört ist. Dies äußert sich in Gangunsicherheit und einer Neigung zu Stürzen. Die Handschrift kann undeutlich werden, das Greifen und Halten von Gegenständen Schwierigkeiten bereiten. Zudem kann das Sprechen beeinträchtigt sein.

„SCA3 wird durch eine seit mehr als 25 Jahren bekannte Genmutation ausgelöst. Trotzdem gibt es immer noch keine Heilung für SCA3. Aktuelle Behandlungen können nur die Symptome lindern, aber das Fortschreiten der Erkrankung nicht aufhalten“, sagt Professor Thomas Klockgether, Direktor der Klinischen Forschung am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), bei dem auch die Federführung für das ESMI-Konsortium liegt. „Allerdings gibt es neuartige Therapiekonzepte. Mit der Initiative, die jetzt an den Start geht, wollen wir gemeinsam mit der Pharmaindustrie die Voraussetzungen für Behandlungsstudien und die Erprobung neuer Medikamente schaffen.“

Forschungsförderung mit nachhaltiger Wirkung

Die „European Spinocerebellar Ataxia type 3/Machado-Joseph disease Initiative“ (ESMI), eine vom DZNE koordinierte Allianz von Forschungseinrichtungen, hat deshalb eine Kooperationsvereinbarung mit dem im französischen Suresnes ansässigen Unternehmen Servier Laboratories unterzeichnet. Die Initiative stützt sich auf eine Studienkohorte, die sich über fünf verschiedene Länder verteilt. Die Kohorte umfasst mehr als 450 Personen; sie wurde ursprünglich mit Mitteln der öffentlichen Hand im Rahmen des EU Joint Programme – Neurodegenerative Disease Research (JPND) aufgebaut.

„Sowohl klinische Studien als auch Arzneimittelstudien erfordern große Kohorten. Bei SCA3 lässt sich dies nur durch internationale Zusammenarbeit erreichen, da es eine seltene Erkrankung ist“, sagt Klockgether. „Mit der JPND-Förderung ist es uns gelungen, eine gut charakterisierte Studienkohorte aufzubauen, standardisierte Protokolle für die klinische Untersuchung zu entwickeln und Erkenntnisse über Veränderungen des Gehirns und Biomarker zu gewinnen. Auf dieser Grundlage wollen wir nun das Verständnis der Krankheitsmechanismen und des Krankheitsverlaufs verbessern und Ergebnisparameter für Behandlungsstudien definieren.“

ESMI-Konsortium

Die Abkürzung ESMI steht für „Europäische Spinozerebelläre Ataxie Typ 3/Machado-Joseph-Krankheit Initiative“; hinter ihr verbirgt sich ein Forschungskonsortium, das nach neuen therapeutischen Ansätzen für diese bisher nicht behandelbare Krankheit sucht. Wichtigstes Ziel des Verbundes war die Aufstellung einer großen SCA3-Kohorte, die Teilnehmende aus fünf europäischen Kohorten in einer gemeinsamen Datenbank zusammenfasst. Die beiden deutschen Teilprojekte des ESMI-Konsortiums förderte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den Jahren von 2016 bis 2020 mit insgesamt rund 675.000 Euro. Die Förderung erfolgte im Rahmen der Maßnahme JPND COFUND. Diese soll die europaweite Forschung im Bereich altersbedingter, neurodegenerativer Erkrankungen bündeln und stärken.

Partnerschaft mit der Industrie als Türöffner zu neuen Therapieansätzen

„Die ESMI-Partnerschaft bietet eine hervorragende Gelegenheit, um wichtige Akteure zusammenzubringen, die sich dafür einsetzen, dass Menschen mit einer SCA3-Mutation neue Therapien erhalten. Durch die Zusammenarbeit hoffen wir, die Auswirkungen potenzieller Therapien auf das Fortschreiten der Erkrankung deutlich besser zu erfassen. Wir hoffen auch die Tür zu neuen Targets und Ansätzen für diese Patienten zu öffnen, die heute so wenige Möglichkeiten haben“, sagt David Theron, Leiter der Abteilung Development Neuroscience bei Servier Laboratories.

In den kommenden drei Jahren trägt Servier Laboratories die Kosten für die jährlichen Besuche der an der Kohorte Teilnehmenden in den beteiligten Studienzentren und wird auch an der Auswertung der klinischen Daten mitwirken. Das Unternehmen wird darüber hinaus dazu beitragen, Magnetresonanztomografie-Daten des Gehirns und Biofluid-Biomarker mit Hilfe innovativer Computerverfahren (künstliche Intelligenz) zu analysieren.

Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

Das DZNE erforscht sämtliche Aspekte neurodegenerativer Erkrankungen wie beispielsweise Alzheimer, Parkinson und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), um neue Ansätze der Prävention, Therapie und Patientenversorgung zu entwickeln. Mit seinen zehn Standorten bündelt es bundesweite Expertise innerhalb einer Forschungsorganisation. Das DZNE kooperiert eng mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene.

Das DZNE ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und gehört zu den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingerichtet wurden, um die Volkskrankheiten zu erforschen. Es wird vom BMBF und den Bundesländern gefördert, in denen die Standorte des DZNE angesiedelt sind. Weitere Informationen im Internet unter www.dzne.de sowie auf Facebook unter www.dzne.de/facebook

Ansprechpartner:
Dr. Marcus Neitzert
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
Stabsstelle Kommunikation
+49 228 43302-267
marcus.neitzert@dzne.de