26.10.2020

| Aktuelle Meldung

Gesetzgebung im Gesundheitsnotstand

Bei den Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 steht auch der Gesetzgeber vor enormen Herausforderungen. Juristinnen und Juristen der Universität Passau untersuchen Möglichkeiten und Grenzen eines einheitlichen rechtlichen Regelwerks.

Gesetzbuch mit Richterhammer - Infektionsschutzgesetz

Juristinnen und Juristen der Universität Passau untersuchen Möglichkeiten für ein bundesweit einheitliches Regelwerk für den Fall eines Gesundheitsnotstandes.

Zerbor/Adobe

Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Empfehlungen – die aktuelle Corona-Pandemie ist für Bund und Länder auch in rechtlicher Hinsicht eine Herausforderung, auf die sie in Rekordzeit reagieren mussten. Die Vielzahl der neu beschlossenen Vorschriften offenbarten die Stärken, zugleich aber auch die Schwächen des föderalen politischen Systems in Deutschland. Rechtsexpertinnen und -experten der Universität Passau wollen nun Optionen für ein zusammenhängendes Regelwerk aufzeigen und Vorschläge für einen umfassenden Rechtsrahmen für den Fall eines Gesundheitsnotstands wie der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten Pandemie entwickeln.

Die Frage einer Notstandsgesetzgebung wird in der juristischen Fachwelt in längeren zeitlichen Abständen immer wieder diskutiert. Ein einheitliches kohärentes Regelwerk, speziell für den Gesundheitsnotstand, existiert bisher aber weder auf Bundes- noch auf Landesebene. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nehmen Juristinnen und Juristen im Team von Professor Dr. Hans-Georg Dederer im Projekt LegEmerge die Rolle des parlamentarischen Gesetzgebers auf beiden Ebenen unter die Lupe.

Sie beschäftigen sich unter anderem mit folgenden Fragen:

  • Welche Regelungen muss der parlamentarische Gesetzgeber selbst treffen?
  • In welchem Umfang darf dabei die Exekutive ermächtigt werden, durch (Not-)Verordnungen parlamentsgesetzliche Vorschriften zu ändern, zu ergänzen, zu suspendieren oder aufzuheben?

In diesem Zusammenhang werden sowohl die Vor- als auch die Nachteile von (mehr) Zentralisierung einerseits und (mehr) Föderalisierung andererseits untersucht.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts liegt auf den mit den staatlichen Pandemiemaßnahmen einhergehenden Beschränkungen der individuellen Grundrechte. Die staatlichen Maßnahmen sollen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit schützen, greifen dadurch aber zugleich in eine Vielzahl anderer Grundrechte ein.

  • Lassen sich diese Eingriffe rechtfertigen, sind sie insbesondere verhältnismäßig?
  • Welchen Grad an Bestimmtheit und Regelungsdichte muss die gesetzliche Eingriffsgrundlage haben?
  • Welche Rolle spielt dabei das Vorsorgeprinzip?
  • Welchen Spielraum hat der Staat bei der Schaffung eines rechtlichen Rahmens in einem solchen Fall?

Dies wird durch das Projekt auch vertieft an einem besonders sensiblen Thema untersucht werden, der Triage-Problematik. Von Triage sprechen Fachleute, wenn in einer Notstandssituation im Fall einer Überlastung der medizinischen Versorgung unter Zeitdruck entschieden werden muss, wer eine lebensrettende Behandlung (weiterhin) erhält oder nicht.

Den Verantwortlichen in Regierungen und gesetzgebenden Körperschaften auf Bundes- und Landesebene wollen die Forschenden mit ihren Empfehlungen eine Entscheidungshilfe an die Hand geben. Zudem sollen die Erkenntnisse aus LegEmerge in Fachzeitschriften veröffentlicht werden.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung öffnete zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie das Rapid Response Modul der „Richtlinie zur Förderung eines Nationalen Forschungsnetzes zoonotische Infektionskrankheiten“ für einen Förderaufruf zur Erforschung von Covid-19. Ab dem 3. März 2020 konnten Forschende Anträge stellen, um zum Verständnis des Virus und dessen Ausbreitung beizutragen sowie um therapeutische und diagnostische Ansätze gegen Covid-19 zu entwickeln und um ethische, rechtliche und sozio-ökonomische Implikationen (ELSA) im Zusammenhang mit der Pandemie zu erforschen.

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