Jung und trotzdem Diabetiker? Auf der Suche nach den Ursachen

Studie untersucht Häufigkeit und Auslöser von Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

Immer häufiger erkranken schon Kinder und Jugendliche an der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus, meist an Typ-1-Diabetes. Aber auch Typ-2-Diabetes, der bislang als typische Erkrankung von Erwachsenen angesehen wurde, tritt zunehmend bei Kindern auf. Was ist der Grund dafür und wie wirken sich der ansteigende Trend zum Übergewicht und sozioökonomische Faktoren auf die Entstehung von Diabetes im Kinder- und Jugendalter aus? Diese und weitere Fragen soll eine bayerische Studie des Kompetenznetzes Diabetes mellitus beantworten. Hierzu werden noch weitere Ärzte und Patienten gesucht, die sich an der Studie beteiligen.

Diabetes mellitus ist keineswegs nur eine Erkrankung von Erwachsenen: Immer mehr Kinder und Jugendliche sind bereits von der sogenannten Zuckerkrankheit betroffen. Allein in Bayern lautet jedes Jahr bei rund 300 Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren die Diagnose: Diabetes mellitus. Tendenz steigend. Meist handelt es sich um einen Diabetes vom Typ 1, zunehmend werden aber auch Fälle von kindlichem Typ-2-Diabetes bekannt, dem sogenannten Altersdiabetes. Auch treten bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger Mischformen von Typ-1- und Typ-2-Diabetes auf. „Bisher ist weitgehend unbekannt, wie häufig die einzelnen Formen des Diabetes bei Kindern und Jugendlichen sind. Auch wissen wir noch zu wenig über die Auslöser der Erkrankung“, sagt Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler von der Forschergruppe Diabetes der Technischen Universität München. Das soll sich ändern. Denn im Rahmen des Kompetenznetzes Diabetes mellitus wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die DiMelli-Studie gestartet. „DiMelli ist eine Studie, in der möglichst alle Kinder und Jugendlichen in Bayern unter 20 Jahren, bei denen ein Diabetes mellitus neu diagnostiziert wurde, erfasst werden sollen“, so Professor Ziegler, Sprecherin des Kompetenznetzes Diabetes. DiMelli ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) und der Forschergruppe Diabetes der Technischen Universität München.

Aufruf an Ärztinnen und Ärzte in Bayern

Ziel der DiMelli-Studie – für die Christa Stewens, die bayerische Sozialministerin a.D. die Schirmherrschaft übernommen hat – ist es, aktuelle Entwicklungen und Ursachen von Diabetes bei Kindern und Jugendlichen zu ermitteln: Wie häufig sind Neuerkrankungen im Kindes- und Jugendalter? Welchen Einfluss haben Übergewicht, Bluthochdruck, sozioökonomische Faktoren und die genetische Veranlagung auf die Entstehung von Diabetes? „Durch diese Erkenntnisse möchten wir neue Strategien entwickeln und so die Zahl der Diabetes-Patienten langfristig senken“, sagt Professor Ziegler. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, sei es wichtig, dass möglichst alle Neuerkrankten unter 20 Jahren, die von bayerischen Ärzten behandelt werden, bei der Studie eingeschrieben werden. „Daher rufen wir alle niedergelassenen Ärzte und Klinikärzte in Bayern auf, ihre jungen Diabetes-Patienten in die Studie aufzunehmen und so zu einem besseren Verständnis der Volkskrankheit Diabetes beizutragen.“ Eine Aufnahme in die Studie sollte möglichst direkt nach der Diagnose erfolgen – spätestens jedoch nach sechs Monaten.

Spurensuche im Blut

Was ist mit einer Teilnahme an der Studie verbunden? „Die Ärzte füllen gemeinsam mit ihren Patienten einen Fragebogen zum jungen Diabetiker, der Familie und der bisherigen medizinischen Behandlung aus. Anschließend wird den Studienteilnehmern einmalig Blut abgenommen“, so Dr. Axel Munte von der KVB und Leiter der Studie. Mit der Blutprobe werden anschließend verschiedene Tests durchgeführt. Zum Beispiel der Nachweis von Antikörpern gegen die sogenannten Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse. Inselzellen, genauer ein Teil der Inselzellen, die Betazellen, sind für die Bildung des Botenstoffs Insulin verantwortlich. Und Insulin reguliert den Blutzuckerspiegel. „Findet man Antikörper gegen Inselzellen im Blut, ist das ein sehr spezifisches Zeichen für einen Typ-1-Diabetes. Denn das Immunsystem des betroffenen Patienten beginnt, die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zu zerstören. Dieser Prozess wird durch die Inselautoantikörper angezeigt. Die Regulation des Blutzuckerspiegels gerät außer Kontrolle“, beschreibt Professor Ziegler. Weiterhin wird auch nach Hinweisen auf Autoimmunerkrankungen gesucht, die bei Diabetes häufig auftreten, etwa bestimmte Erkrankungen der Schilddrüse oder eine Zöliakie. Die Zöliakie ist eine Unverträglichkeit des Dünndarms gegen das Getreideeiweiß Gluten. „Außerdem nutzen wir die Blutprobe der jungen Diabetikerinnen und Diabetiker, um Veränderungen in den Genen zu identifizieren, die mit Diabetes in Zusammenhang stehen“, sagt Professor Ziegler. Der behandelnde Arzt erhält die jeweiligen Befunde. „So profitieren auch die Patienten von einer Teilnahme an der Studie. Denn der behandelnde Arzt kann eine optimale Therapie festlegen“, betont die Expertin.

Erstmals werden Blutproben in einer Biobank gesammelt

DiMelli ist das erste Diabetesregister in Deutschland, das neben der Erfassung von Informationen und Blutwerten gleichzeitig auch Blutproben der Patienten sammelt. „Denn der nicht verwendete Teil der Blutproben wird für spätere Untersuchungen aufbewahrt. So können wir auch zukünftig Untersuchungen zur Entstehung von Diabetes durchführen, die uns heute vielleicht noch gar nicht bekannt sind“, beschreibt Professor Ziegler. Seit April 2009 wurden bereits 173 Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus aus Bayern in die Studie aufgenommen. Professor Ziegler beschreibt erste Ergebnisse: „Bei 169 Kindern konnten Inselautoantikörper im Blut und somit ein Typ-1-Diabetes nachgewiesen werden. Bei zwei Kindern ist das Vorliegen eines Typ-2-Diabetes wahrscheinlich. Bei einigen Kindern wurden eine Schilddrüsenerkrankung oder eine Zöliakie diagnostiziert, die zuvor nicht bekannt war.“

Diabetes mellitus – die Zuckerkrankheit

Diabetes ist ein Sammelbegriff für Erkrankungen, bei denen die Aufnahme von Glukose (Traubenzucker) in die Zellen gestört ist. Ursache ist ein Botenstoff, das Insulin, das bei Diabetikern entweder nicht gebildet wird oder wirkungslos ist. Bei Gesunden wird dieses Hormon in den sogenannten Betazellen der Bauchspeicheldrüse produziert. Es öffnet die Membranen von Leber-, Fett- und Muskelzellen für Glukosemoleküle. Steigt der Glukosespiegel im Blut, gibt Insulin den Zellen das Signal, den Zucker aufzunehmen. So wird für ausreichend Energie gesorgt und der Blutzuckerspiegel konstant gehalten. Bei Diabetikern ist die Regulation des Blutzuckerspiegels auf unterschiedliche Weise gestört.

Quelle: BMBF-Broschüre „Stoffwechselforschung“

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler
Klinikum rechts der Isar
Forschergruppe Diabetes der TU München
Kölner Platz 1
80804 München
Tel.: 089 3187-2547
Fax: 089 3081-733
E-Mail: anziegler@lrz.uni-muenchen.de