14.05.2024

| Aktuelle Meldung

KI vermisst die Landkarte des Gehirns

Jungen Forschenden besondere Sichtbarkeit zu verleihen, ist das Ziel des „MTZ Award for Systems Medicine“. Preisträgerin Dr. Anne-Marie Rickmann berichtet im Interview, wie ihre Arbeit zu einer besseren Versorgung von Demenz-Kranken beitragen wird.

Ein Mann und zwei Frauen mit Preisurkunde

Sie haben den „MTZ-Award for Systems Medicine 2024“ gewonnen: Dr. Simon Syga, Dr. Anne-Marie Rickmann und Dr. Ina Biermayer (v. l.). Der Preis für herausragende Doktorarbeiten wird von der privaten MTZ-Stiftung vergeben und steht unter der Schirmherrschaft von Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger.

Susan Eckerle/ Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS)

Frau Dr. Rickmann, was war das Thema Ihrer Doktorarbeit?

Als Informatikerin entwickle ich KI-Tools, die die Analyse medizinischer Bilddaten wie MRT- oder CT-Aufnahmen verbessern sollen und damit zu einer besseren Diagnose und Überwachung von Krankheiten beitragen können. In meiner Doktorarbeit habe ich mich auf neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz konzentriert. Mein Fokus lag dabei auf der so genannten Bildsegmentierung von MRT-Aufnahmen des Gehirns. Jede Aufnahme kann man sich wie eine Landkarte des Gehirns vorstellen. Die Künstliche Intelligenz hilft dabei, diese Landkarte zu lesen, um so die unterschiedlichen Gehirn-Strukturen präziser und schneller voneinander unterscheiden zu können.

Wie profitieren Patientinnen und Patienten davon?

Mit Hilfe der KI-gestützten Bildsegmentierung kann man zum Beispiel Veränderungen der Großhirn-rinde erkennen und lokalisieren. Diese Schicht befindet sich an der Oberfläche des Gehirns und wird bei einer Demenz-Erkrankung zunehmend dünner. Entscheidend ist dabei auch, in welchen Regionen des Gehirns sich die Großhirnrinde verändert hat. Das gibt Aufschluss über die Art der Demenz und damit auch über die erforderlichen Therapieformen. Man kann die Bildsegmentierung zudem nutzen, um vor Operationen am Gehirn noch genauer die Lage eines Tumors zu lokalisieren.

Wie könnte das in der medizinischen Praxis konkret aussehen?

Wenn wir beim Thema Demenz bleiben, kann man sich das so vorstellen: Beim Patienten wird zunächst eine MRT-Aufnahme des Gehirns gemacht. Im Anschluss könnte das KI-Tool auf Basis der Bilddaten automatisch die Gehirnstruktur analysieren, eine Dickemessung der Gehirnrinde vornehmen und die Ergebnisse mit den Bilddaten von gesunden Patienten vergleichen. So erhalten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zentrale Hinweise für die Diagnose und den weiteren Therapieverlauf. Und das Beste daran: Auf die Ergebnisse müsste man nicht mehrere Stunden oder gar Tage warten. Die KI-Analyse verläuft vielmehr nahezu in Echtzeit.

Was bedeutet der MTZ-Award für Sie?

Ich habe viereinhalb Jahre an meinem Promotionsthema geforscht. Der Preis ist natürlich eine tolle Anerkennung für meine Arbeit. Aber auch für das ganze Forschungsteam der TU München, in das ich während meiner Doktorarbeit eingebunden war und das das Thema nun weiterverfolgt. Ich arbeite inzwischen als Postdoc an der „Yale School of Medicine“. Dort wende ich die Methode der Bildsegmentierung in der Kardiologie an. Hier arbeite ich auch mit Videosequenzen etwa von Ultraschalluntersuchungen. Das ist nochmal eine zusätzliche Herausforderung. Da kommt neben der räumlichen auch die zeitliche Dimension hinzu, weil das Herz ja ständig in Bewegung ist.

Nach dem Abitur haben Sie zunächst eine Ausbildung als Krankenpflegerin gemacht. Spielt das heute noch eine Rolle für Ihre Arbeit?

Von meinen praktischen Erfahrungen profitiere ich bis heute, gerade weil ich auch als Wissenschaftlerin viel mit Ärztinnen und Ärzten zusammenarbeite. Ich kenne den Alltag im Krankenhaus und spreche deren Sprache. Ich habe zudem langjährige Erfahrungen mit Patientinnen und Patienten gesammelt. Ich weiß, wie massiv eine Demenz- oder eine Herz-Erkrankung einen Menschen und dessen Lebensqualität einschränkt. Dass ich mit meiner Forschungsarbeit zu einer besseren Versorgung kranker Menschen beitragen kann, motiviert mich sehr.

Förderung innovativer Softwaretools

In der Patientenversorgung und der klinischen Forschung wächst die Menge an elektronisch verfügbaren Daten rasant. Intelligente Algorithmen können in diesen riesigen Datensätzen versteckte Muster aufspüren. Sie helfen dabei, Zusammenhänge zu erkennen sowie verbesserte Ansätze für die Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten zu finden. Mit der Förderinitiative „„Computational Life Sciences - CompLS“ treibt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung innovativer Softwaretools für die Lebenswissenschaften voran. Einer der Schwerpunkte ist die Nutzung von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der Biomedizin. Seit 2018 hat das BMBF rund 52 Millionen Euro für mehr als 70 Forschungsprojekte bereitgestellt.

Die Promotion von Dr. Anne-Marie Rickmann war Bestandteil des Forschungsprojekts „DeepMentia“, das das BMBF im Rahmen von „CompLS“ unterstützt hat.

Weitere Informationen:
KI-Tool verbessert Demenz-Diagnose
Website der MTZ-Stiftung