Februar 2019

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Längere Lebensdauer für Spendernieren

Acht bis zehn Jahre warten Patienten in der Regel auf eine Spenderniere. Doch nach der Transplantation hören die Sorgen nicht auf. Die meisten Spenderorgane versagen nach durchschnittlich 15 Jahren. Das will ein europäischer Forschungsverbund ändern.

Blutreinigung mittels Dialyse

Während sie auf ein Spenderorgan warten, sind die Patientinnen und Patienten auf die Dialyse angewiesen. Diese ersetzt die Nierenfunktionen allerdings nur teilweise.

Zeljko Bozic/Thinkstock

In Deutschland warten etwa 8.000 Menschen auf eine Nierentransplantation, die meisten von ihnen viele Jahre lang vergeblich. Gesundheitspolitiker denken derzeit über neue Möglichkeiten nach, die Spenderbereitschaft der Deutschen zu erhöhen. Ein europäisches Forschungsteam packt das Problem von einer anderen Seite an. Der Nieren-Experte Wilfried Gwinner von der Medizinischen Hochschule Hannover und seine Kolleginnen und Kollegen wollen die Lebensdauer bereits transplantierter Organe verlängern und damit den Bedarf an Spenderorganen reduzieren. Dabei werden sie im Rahmen des europäischen Förderprogramms „ERACoSysMed“ vom Bundesforschungsministerium unterstützt.

Selbst nach einer erfolgreichen Transplantation liegt die Lebensdauer von Spendernieren derzeit bei durchschnittlich 15 Jahren. Bei vielen Patienten kommt es im Laufe der ersten Jahre bereits zu Abstoßungsreaktionen, da das körpereigene Immunsystem gegen das fremde Gewebe ankämpft und die Spenderniere schädigt. „Diesen Prozess kann man oft nur vorübergehend stoppen. Die Abstoßungen werden zu spät erkannt oder nicht ausreichend behandelt. So verschlechtert sich die Funktion des Transplantats zunehmend, bis es schließlich versagt“, erklärt Gwinner. Für die betroffenen Patienten bedeutet das: Sie landen erneut auf der Warteliste für ein Spenderorgan und sind zwischenzeitlich auf Dialyse angewiesen. Diese ersetzt die Nierenfunktion nur teilweise und kann somit dauerhaft zu gesundheitlichen Problemen führen.

Computermodelle identifizieren molekulare Muster

Eine engmaschige Überwachung der Patienten und die frühe Diagnose der Nierenschäden sind daher essentiell. Erste Anzeichen liefert der Kreatinin-Wert im Blut, der anzeigt, wenn mit der Niere etwas nicht in Ordnung ist. Hierfür gibt es neben den Abstoßungsreaktionen zahlreiche weitere Auslöser wie Infektionen, Bluthochdruck oder Nebenwirkungen von Medikamenten. Um die genaue Ursache zu klären, wird dem Patienten eine Gewebe-Probe des Transplantats entnommen und mikroskopisch untersucht. „Diese liefert aber nur eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose zur Ursache der Schädigung, da im Gewebe oft keine ausreichend charakteristischen Anzeichen für einen bestimmten Krankheitsprozess zu erkennen sind“, sagt Gwinner.

Die Forscherinnen und Forscher wollen eine verlässlichere Diagnosemethode finden, um Risiken früher zu erkennen und Nierenschäden zielgerichteter therapieren zu können. Hierfür analysiert das europäische Team die Daten der Krankheitsverläufe von mehr als 2000 Patientinnen und Patienten zusammen mit bereits vorliegenden Ergebnissen von molekularen Analysen in Blut und Urin. „Wir gehen davon aus, dass jeder Krankheitsprozess spezifische molekulare Fußabdrücke hinterlässt“, so Gwinner. Das Forschungsteam entwickelt Computermodelle, die die Flut der Patienten-Daten auswerten. Ziel ist es, molekulare Muster für bestimmte Nierenschäden zu identifizieren. Auf dieser Basis entsteht ein Testsystem, das Medizinern künftig als Entscheidungshilfe dienen soll.

Nierenschäden frühzeitig erkennen

In der Praxis könnte das so aussehen: Der Arzt speist die Daten eines Betroffenen in das Testsystem ein und erhält eine Therapie-Empfehlung, die genau auf den Patienten zugeschnitten ist. „Bisher ist die Behandlung von Menschen mit Nieren-Transplantaten immer eine Gradwanderung“, sagt Gwinner. Um die körpereigene Abwehr in Schach zu halten, nehmen sie dauerhaft so genannte Immunsuppressiva ein. Diese Medikamente sollen die Immunreaktionen dämpfen, begünstigen jedoch andererseits gefährliche Infektionen, die der Niere ebenfalls schaden können. „Im Idealfall trägt unser Testsystem dazu bei, sowohl Nierenschäden frühzeitig zu erkennen, als auch auf Grundlage von Prognosen die richtige Medikamenten-Dosierung für jeden einzelnen Patienten zu finden“, sagt Gwinner.

Schon jetzt begegnet er als Mediziner bisweilen Patienten, die mit einem Transplantat mehr als 40 Jahre gut leben. „Wenn wir das für viele der Betroffenen erreichen könnten, wäre dies ein toller Erfolg für unsere Arbeit.“

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Wilfried Gwinner
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Str. 1
30625 Hannover
gwinner.wilfried@mh-hannover.de