Leistungsdruck und Trennung der Eltern - warum Kinder Kopfschmerzen bekommen

Marion Heinrich betreut an der Universität Göttingen eine groß angelegte Studie zu Kopfschmerzen bei Kindern.
 

Frau Heinrich, immer mehr Kinder haben Kopfschmerzen. Woran liegt das?
Wir haben noch keine endgültige Hypothese, vermuten aber, dass die veränderten Lebensbedingungen eine wichtige Rolle spielen. Kinder bewegen sich heute weniger als früher, sehen häufiger fern und stehen in der Schule unter großem Leistungsdruck. Außerdem sind mehr Kinder als in der Vergangenheit so genannten kritischen Lebensereignissen ausgesetzt, zum Beispiel einer Trennung der Eltern. Unsere bisherigen Studien und auch andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass solche Ereignisse die Gefahr erhöhen. Darüber hinaus ist bekannt, dass das Risiko für Kopfschmerzen bei Kindern mit zunehmendem Alter ansteigt. Von unserer Untersuchung erhoffen wir uns neue Erkenntnisse über die Risikofaktoren. Ziel ist es dabei auch, Vorbeugungsprogramme zu entwickeln.

Sind Kopfschmerzen bei Kindern gefährlich?
In über 90 Prozent der Fälle sind Kopfschmerzen bei Kindern so genannte primäre Kopfschmerzen. Ihnen liegt also keine schwere Erkrankung zugrunde, und sie sind keine Gefahr für Leib und Leben. Aber Kopfschmerzen können Lebensqualität und Lebensfreude massiv beeinträchtigen. Wenn ein Kind wegen der Beschwerden wiederholt in der Schule fehlt, kann sich das negativ auf die Leistungen auswirken. Kinder mit Kopfschmerzen sind im Schnitt außerdem ängstlicher als andere Kinder und leiden öfter unter depressiver Stimmung. Daneben scheint ein erhöhtes Risiko für weitere körperliche und psychische Beschwerden im Erwachsenenalter zu bestehen, etwa für Rückenschmerzen. Die Langzeitfolgen müssen aber weiter erforscht werden.

Wie ist die Prognose? Einmal Kopfschmerzen immer Kopfschmerzen?
So einfach kann man das nicht sagen. Allerdings leiden bis zu 60 Prozent der betroffenen Kinder auch im Erwachsenenalter unter Kopfschmerzen. Bei einem Teil von ihnen verschlechtern sich die Beschwerden deutlich. Deshalb ist es wichtig, schon bei Kindern Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Was raten Sie Eltern, deren Kind immer wieder Kopfschmerzen hat?
Auf jeden Fall muss ein Arzt untersuchen, ob eine ernste Erkrankung dahinter steckt. Wenn das ausgeschlossen ist, bieten sich Kopfschmerz-Bewältigungsgruppen an, zum Beispiel "Stopp den Kopfschmerz". Dort lernen die Kinder Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation. Außerdem geht es darum zu erkennen, was die Kopfschmerzen auslöst und um Techniken der Problemlösung. Durch die Teilnahme lässt sich die Häufigkeit der Kopfschmerzen senken. Die Gabe von Medikamenten muss mit dem Arzt genau abgesprochen werden. Für Kinder mit Migräne ist zum Teil eine Anfallsbekämpfung mit Medikamenten sinnvoll und notwendig. Für Kinder mit Spannungskopfschmerz sind aber nicht-medikamentöse Strategien wie die Kopfschmerz-Bewältigungsgruppen deutlich besser geeignet.

Kontaktadresse "Stopp den Kopfschmerz":
Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Klinische Psychologie
und Psychotherapie
Prof. Dr. B. Kröner-Herwig
Tel.: 0551/39-35 82