Mit Süßholz gegen Diabetes - Naturstoff senkt den Blutzucker

Lakritze & Co. machen bekanntlich Kinder und Erwachsene froh. Doch die Süßholzwurzel, die als Rohstoff für Lakritze dient, kann noch mehr. Die Arzneipflanze des Jahres 2012 beruhigt den Magen und hilft gegen Atemwegserkrankungen. Ganz neu ist die Erkenntnis, dass Süßholzwurzeln auch Stoffe enthalten, die gegen Diabetes wirken: die Amorfrutine. Sie senken auf natürliche Weise den Blutzuckerspiegel, schützen die Leber vor Verfettung und wirken entzündungshemmend. (Newsletter 60 / November 2012)

Bildquelle: FotoliaUnscheinbar, aber voller Wirkungen: klein gehackte Süßholzwurzeln.Es war eine mühsame Suche. Die Nachwuchsforschergruppe um Dr. Sascha Sauer vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin durchforstete eine Sammlung von rund 8.000 Naturstoffen auf der Suche nach einer Substanz, die den Zucker- und Fettstoffwechsel positiv beeinflusst – und wurde fündig. „Wir haben mit Hilfe massenspektrometrischer Verfahren eine neue Gruppe von Naturstoffen mit antidiabetischer Wirkung identifiziert: die Amorfrutine“, sagt Dr. Sauer. Die natürlichen Antidiabetika kommen unter anderem in der Süßholzwurzel vor.

Ihre Wirkung haben die Amorfrutine im Labor bereits unter Beweis gestellt. „Bei Mäusen, die an Diabetes mellitus leiden, senken die Amorfrutine den Blutzuckerspiegel und verbessern die Insulin-Resistenz“, beschreibt Dr. Sauer. Doch Amorfrutine wirken auch präventiv. Sie verhindern bei stark übergewichtigen Mäusen die Entstehung einer Insulin-Resistenz, die Hauptursache eines Typ-2-Diabetes. Zudem beugen Amorfrutine einer Fettleber vor, die häufig infolge einer Fehlernährung entsteht, und wirken entzündungshemmend.

Wie wirken Amorfrutine?

„Auf molekularer Ebene beruhen die gesundheitsfördernden Effekte darauf, dass die Amorfrutin-Moleküle gezielt an den Transkriptionsfaktor PPARγ im Zellkern andocken“, erklärt Dr. Sauer. Transkriptionsfaktoren sind molekulare Schalter, die Gene an- und abschalten können. Von PPARγ ist bekannt, das er eine wichtige Rolle im Fett- und Zuckerstoffwechsel der Zelle spielt. „Die Bindung der Amorfrutine an PPARγ aktiviert verschiedene Gene“, so Dr. Sauer, „die wiederum die Konzentration bestimmter Fettsäuren sowie von Glukose im Blut senken.“ Der so verringerte Fettsäureund Blutzuckerspiegel verhindert, dass eine Fettleber oder eine Insulinresistenz entstehen. Die Forschungsarbeiten zu den Amorfrutinen wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des „Nachwuchswettbewerbs Molekulare Grundlagen der humanen Ernährung“ und des „Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN-Plus)“ gefördert.

Lakritze allein hilft nicht

Bildquelle: FotoliaLakritze schmeckt gut, enthält aber nicht genug Amorfrutine, um antidiabetisch zu wirken. In angereicherter Form könnten Amorfrutine allerdings präventiv als antidiabetische Nahrungsergänzungsmittel oder milde Heilmittel eingesetzt werden.„Zwar gibt es auf dem Markt bereits Medikamente, die auch den Transkriptionsfaktor PPARγ beeinflussen und somit ähnlich wie die Amorfrutine wirken“, sagt Dr. Sauer. „Unsere Untersuchungen haben allerdings ergeben, dass Amorfrutine selektiver wirken als die bisherigen Medikamente.“ Die Wissenschaftler vermuten auch, dass Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme oder Herz-Kreislauf-Probleme, die von den bisherigen Medikamenten ausgelöst werden, bei Amorfrutinen möglicherweise nicht auftreten. Um dies genau zu beurteilen, müssen die Amorfrutine als nächstes in klinischen Studien getestet werden.

Soviel ist aber schon klar: „Es nützt nichts, bei Diabetes Süßholztee zu trinken oder präventiv Lakritze zu essen“, erklärt der Wissenschaftler. „Denn im Tee oder in der Lakritze liegen die Amorfrutine in einer viel zu geringen Konzentration vor, als dass sie wirken könnten“. Um die Amorfrutine in ausreichender Konzentration aus der Pflanze zu gewinnen, haben die Forscher daher spezielle Extraktionsverfahren entwickelt. „Die so angereicherten natürlichen Extrakte aus Amorfrutinen könnten zur Prävention der Insulinresistenz und anderer Stoffwechselerkrankungen in Risikogruppen eingesetzt werden“, so Dr. Sauer.

Die Amorfrutine verdanken ihren Namen im Übrigen keiner Liebesgeschichte. „Die chemisch einfach gebauten Substanzen kommen nicht nur in der Süßholzwurzel Glycyrrhiza vor, sondern auch in den Früchten des Strauches Amorpha fruticosa. Nach dieser in den USA, Kanada und Mexiko beheimateten Pflanze wurden die neuen Antidiabetika benannt“, erklärt Dr. Sauer.

Ansprechpartner:
Dr. Sascha Sauer
Forschungsgruppe Nutrigenomik und Genregulation
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik
Ihnestrasse 63-73
14195 Berlin
Tel.: 030 8413-1691
Fax: 030 8413-1207
E-Mail: sauer@molgen.mpg.de