29.05.2019

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Multiple Sklerose: Kann der Verlauf künftig vorhergesagt werden?

Forschende des Kompetenznetzes Multiple Sklerose haben einen Biomarker im Nervenwasser von MS-Patientinnen und Patienten identifiziert, der Rückschlüsse auf das Fortschreiten der Krankheit zulässt.

Frau geht an Rollator von einer Therapeutin unterstützt.

Multiple Sklerose lässt sich bislang nicht heilen, aber behandeln. Ein wichtiges Therapieziel ist es, das Auftreten und Fortschreiten von körperlichen Einschränkungen zu verzögern.

iStock/FredFroese

Multiple Sklerose ist eine Erkrankung des Nervensystems. Sie trifft häufig Menschen im jungen und mittleren Erwachsenenalter. Die ersten Symptome sind meist Sehstörungen und leichte Empfindungsstörungen. Wie die Erkrankung fortschreitet, ist allerdings kaum vorhersehbar. Diese Unsicherheit belastet die Betroffenen zusätzlich und erschwert die Entscheidung zwischen verschieden Therapieoptionen. Deshalb ist es sehr wichtig anhand früh messbarer biologischer Parameter Rückschlüsse auf den Krankheitsverlauf treffen zu können.

Im Rahmen des Krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun einen solchen Parameter, einen sogenannten Biomarker, identifiziert. Sie konnten nachweisen, dass bei MS-Patientinnen und Patienten mit hohen Immunglobulin G-Werten im Nervenwasser krankheitsbedingte Einschränkungen schneller voranschreiten als bei Erkrankten mit normalen Werten.

Nervenwasser, beispielsweise aus dem Rückenmarkskanal, wird den Patienten für die Diagnose der Multiplen Sklerose standardmäßig entnommen. Dabei kann auch die Konzentration von Immunglobulin G untersucht werden. Bei erhöhter Antikörperkonzentration traten die Verschlechterungen zu einem früheren Zeitpunkt auf schritten schneller voran. „Unsere Daten zeigen, dass ein Standard-Laborparameter aus dem Nervenwasser auch für die Abschätzung des längerfristigen Verlaufs von Bedeutung ist. Die Kenntnis solcher Parameter hilft uns, die Prognose des Patienten besser einzuschätzen und damit eine bessere Grundlage für fundierte Therapieentscheidungen zu haben“, erklärt Professor Bernhard Hemmer die Ergebnisse der Studie. Bernhard Hemmer ist Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Er steht zudem dem KKNMS vor.

Große Patientenkohorte zur Erforschung der MS

Für ihre Untersuchungen griffen die Forschenden auf die Nationale Patientenkohorte des KKNMS zurück. An diesem nehmen seit 2010 knapp 1.400 Patientinnen und Patienten aus 18 Studienzentren in Deutschland teil. Ihre Daten und Bioproben werden zum Zeitpunkt ihres jeweiligen Studieneintritts, ein Jahr später und dann alle zwei Jahre erhoben. Die Daten und Proben, die in den zwei Biobanken des KKNMS dauerhaft eingelagert sind, können auch von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genutzt werden, die nicht zum Netzwerk gehören.

Kompetenznetze in der Medizin

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscherinnen und Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Das KKNMS wird seit 2009 vom BMBF finanziell unterstützt und befindet sich momentan in seiner dritten und letzten Förderperiode.

Der 30. Mai 2019 ist Welt-MS-Tag. Dieser steht  in diesem Jahr unter dem Motto „Keiner sieht’s – eine(r) spürt’s“. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) will damit den Blick der Öffentlichkeit auf die unsichtbare Seite der Erkrankung lenken. Beispielsweise auf Symptome wie Seh- und Sprachstörungen oder einen schwankenden Gang, die in der Regel von der Öffentlichkeit nicht mit Multiple Sklerose in Verbindung gebracht werden.