November 2017

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Multiresistente Keime schnell und einfach nachweisen

In Krankenhäusern sind multiresistente Keime weltweit eine zunehmende Bedrohung. Die neue Technologie der Firma SpinDiag kann Patientinnen und Patienten innerhalb von 30 Minuten auf gefährliche Erreger testen und somit deren Ausbreitung verhindern.

Jedes Jahr infizieren sich mehr als eine halbe Million Menschen in deutschen Kliniken mit Krankenhauskeimen. Besonders gefährlich wird es für die Betroffenen, wenn sie sich mit multiresistenten Keimen anstecken, bei denen Antibiotika nicht mehr helfen. Allein in Europa sterben jährlich rund 25.000 Menschen an solchen Infektionen. Die Freiburger Firma SpinDiag hat ein Testgerät entwickelt, mit dem sich alle klinisch relevanten antibiotikaresistenten Bakterien gleich bei der Aufnahme ins Krankenhaus schnell und einfach nachweisen lassen. So soll verhindert werden, dass Risikopatienten die gefährlichen Keime verbreiten und damit andere Erkrankte gefährden.

Ärztin entnimmt Patienten Speichelprobe mit einem Wattestäbchen.

Durch einen schnellen und unkomplizierten Test können Patientinnen und Patienten, die mit multiresistenten Keimen besiedelt sind, identifiziert und isoliert werden.

Wavebreakmedia Ltd/Thinkstock

Auch heute werden Patientinnen und Patienten im Krankenhaus bereits auf die Besiedelung mit antibiotikaresistenten Keimen getestet. Sie müssen dabei nicht selbst infiziert sein, können die Erreger aber etwa auf der Haut, im Mund oder in der Nase mit sich tragen. Dafür wird eine sogenannte Tupferprobe genommen und ins Labor geschickt. „Auf das Ergebnis muss der behandelnde Arzt bisher jedoch zwei bis drei Tage warten“, sagt Mark Keller, Produktvorstand und Mitgründer von SpinDiag. In dieser Zeit der Ungewissheit steht das Krankenhaus vor einem Dilemma: Es kann die Betroffenen entweder auf Verdacht teuer isolieren oder in einem normalen Zimmer unterbringen, wo sie mit anderen in Kontakt kommen und sich infizieren können. „Eine Isolierung aller Verdachtsfälle ist jedoch in vielen Kliniken logistisch nicht möglich“, erklärt Keller. Denn rund 40 Prozent der Neuaufnahmen im Krankenhaus gelten als potenzielle Träger von multiresistenten Keimen. Hierzu zählen etwa Menschen, die zuvor in anderen Kliniken behandelt wurden, die in landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung arbeiten, oder auch Dialysepatientinnen und -patienten.

„Weltweit einzigartige Technologie“

Das neue Testgerät von SpinDiag verspricht ein Ende dieses Problems. Die Freiburger haben ein „Labor zum Mitnehmen“ entwickelt, das in einen Schuhkarton passen würde. „Mit unserem System kann die Analyse der Proben direkt vor Ort erfolgen. Das Ergebnis liegt innerhalb von 30 Minuten vor“, sagt Daniel Mark, Geschäftsführer und Mitgründer von SpinDiag. Das Pflegepersonal nimmt wie bisher eine Tupferprobe, muss diese aber für eine schnelle Isolationsentscheidung nicht mehr ins Labor schicken, sondern kann sie direkt selbst untersuchen. Im Analysegerät, das an einen CD-Spieler erinnert, werden alle Prozesse der Genanalyse, die normalerweise ein Labor übernimmt, automatisiert. So kann man direkt feststellen, ob in der Probe bestimmte Genabschnitte multiresistenter Keime vorhanden sind. „Damit es sich für den Einsatz im Klinikalltag eignet, muss unser Gerät einfach zu bedienen sein und der Test schnell erfolgen“, erklärt Mark. Wird einer der gefährlichen Erreger entdeckt, so kann der Betroffene sofort isoliert behandelt werden.

„Unsere patentierte Technologie ist weltweit einzigartig“, sagt Keller. „Es gibt zwar noch andere automatisierte Testsysteme, diese sind allerdings auf deutlich weniger Krankheitserreger beschränkt. Unser System kann dagegen sogar noch erweitert werden, sobald mehr Resistenzen auftreten.“ Für ihre Entwicklung haben die Freiburger bereits mehrere Preise erhalten – unter anderem den Health-i-Award von Techniker Krankenkasse und Handelsblatt sowie den HealthTech Cluster Award des Medizintechnikherstellers B. Braun.

Von der Erfindung bis zum Einsatz im Klinikalltag

Bis eine neue Technologie im Klinikalltag zum Einsatz kommt, ist es ein langer Weg. Die Entwicklung des SpinDiag-Systems wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2007 in verschiedenen Förderprogrammen unterstützt. Die Erfinder aus dem Institut für Mikro- und Informationstechnik der Hahn-Schickard-Gesellschaft haben sich anfangs auf die Entwicklung einer Plattform-Technologie konzentriert und hatten noch keine klare Vorstellung, bei welcher Anwendung diese optimal genutzt werden kann. Hierfür hat die Teilnahme des Miterfinders Mark an der Innovationsakademie Biotechnologie im November 2013 einen entscheidenden Impuls geliefert.

Zu diesem zweitägigen Kreativ-Event lädt das BMBF interessierte Forscherinnen und Forscher, erfahrene Wirtschaftsexperten und kreative Köpfe ein, um neue Produkt- und Geschäftsideen zu entwickeln. Dort knüpfte Mark Kontakt zu einem Unternehmensberater, mit dem er im anschließenden Sondierungsprojekt mögliche Einsatzszenarien für die Technologie auf ihre wirtschaftliche Attraktivität hin abklopfte. Am Ende stand die Idee des Schnelltests für gefährliche Krankenhauskeime. Diese war so überzeugend, dass das BMBF die weiteren Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in einem Verbund der Hahn-Schickard-Gesellschaft mit der Universität Freiburg und drei Unternehmen mit rund 2,5 Millionen Euro fördert. Im Sommer 2017 wurde dann die SpinDiag GmbH ausgegründet, die die weitere Entwicklung und anschließende Vermarktung des Krankenhauskeim-Schnelltests übernimmt.

Im nächsten Schritt muss die Firma nun den Nutzen ihrer Testplattform in ausgewählten Krankenhäusern belegen. Dann kann das neue System zugelassen werden. „Wir rechnen damit, dass wir frühestens Ende 2019 auf den Markt gehen können“, sagt Keller. In diesem Jahr hat das Team von SpinDiag bereits ein Startkapital von 1,6 Millionen Euro von drei Privatinvestoren erhalten. Für die Zulassung soll eine weitere Finanzierungsrunde geöffnet werden. Wenn die neue Technologie einmal den Durchbruch geschafft hat, so hoffen die Wissenschaftler, kann sie auch für den Nachweis anderer humaner Infektionskrankheiten zum Einsatz kommen.

Ansprechpartner:
Dr. Daniel Mark
SpinDiag GmbH
Engesserstraße 4
79108 Freiburg
Daniel.Mark@spindiag.de