April 2015

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Neues Antibiotikum gegen multiresistente Keime

Antibiotika retten vielen Millionen Menschen das Leben. Doch das Schwert droht abzustumpfen – immer mehr Bakterien werden resistent. Ein neues Antibiotikum aus einem Bodenbakterium könnte sich als „immun“ gegen Resistenzen erweisen.

Logo: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)

Multiresistente Bakterien können tödlich sein. Gegen sie hilft oft keines der gängigen Antibiotika. Besonders in Krankenhäusern werden sie immer häufiger zum Problem. Sei es auf Säuglings- oder Intensivstationen oder bei ganz gewöhnlichen Routineoperationen – multiresistente Keime und ihre gefährlichen Folgen begegnen uns regelmäßig in den Schlagzeilen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt: Würden die Anstrengungen in der Antibiotikaforschung nicht verstärkt, könnte bereits 2030 eine „Postantibiotikaära“ eintreten − also ein Zeitalter, in dem uns Antibiotika nur noch bedingt oder gar nicht mehr gegen Bakterien helfen werden.

Antibiotika aus der Natur

Produziert das Antibiotikum Teixobactin: das Bodenbakterium Elefhtheria terrae.

Produziert das Antibiotikum Teixobactin: das Bodenbakterium Elefhtheria terrae.

William Fowley, Northeastern University

Aber was sollte getan werden? „Zum einen sollte der Umgang mit Antibiotika verändert werden“, sagt Professorin Dr. Tanja Schneider vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Bonn. Zu häufig würden diese Mittel derzeit eingesetzt – auch wenn es gar nicht nötig ist. Zum anderen müssen neue Wirkstoffe her, um den bereits resistenten Keimen etwas entgegensetzen zu können. Doch das ist gar nicht so einfach. Schneider erklärt warum: „Viele der angewendeten Antibiotika werden von Mikroorganismen produziert. Sie dienen den Mikroorganismen selbst als Mittel im Konkurrenzkampf gegen Artgenossen. Um diese Substanzen für uns nutzbar zu machen, müssen die produzierenden Mikroorganismen zunächst im Labor kultivierbar sein. Derzeit gelingt uns das nur mit etwa einem Prozent aller Mikroorganismen in unserer Umwelt.“ Das könnte bedeuten: Viele der natürlich produzierten Antibiotika wurden noch gar nicht entdeckt, weil die entsprechenden „Produzenten“ bislang nicht im Labor gezüchtet und untersucht werden konnten.

Neuer Wirkstoff aus Bodenbakterien

Was für die einen nur nach Schlamm aussehen mag, ist für die Forschung eine Quelle an interessanten Mikroorganismen. Mithilfe des iChip können so mögliche Produzenten neuer Antibiotika isoliert werden.

Was für die einen nur nach Schlamm aussehen mag, ist für die Forschung eine Quelle an interessanten Mikroorganismen. Mithilfe des iChip können so mögliche Produzenten neuer Antibiotika isoliert werden.

Slava Epstein, Northeastern University, Boston

Diesem Problem widmet sich jetzt ein international besetztes Forschungsteam. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte DZIF am Standort Bonn arbeitet hierbei mit zwei Partnern in den USA zusammen: der Northeastern University in Boston sowie der Firma Novobiotic Pharmaceuticals. Diese haben ein neues Verfahren namens iChip entwickelt und erfolgreich angewendet. Das Besondere: Mit dem iChip können die Forscherinnen und Forscher Mikroorganismen, die bislang nicht kultiviert werden konnten, in ihrem natürlichen Habitat – also beispielsweise im Boden – züchten. „Besonders interessant ist für uns derzeit ein Bodenbakterium namens Elefhtheria terrae. Es produziert ein neues Antibiotikum, genannt Teixobactin“, erklärt Schneider.

Das Bodenbakterium wurde von der Arbeitsgruppe um Professor Dr. Kim Lewis von einer Wiese im US-Bundesstaat Maine isoliert und kultiviert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bonn konnten nun den Wirkmechanismus des Teixobactins aufklären. Schneider erläutert: „Teixobactin greift in den Aufbau der Bakterienzellwand ein, also ihre äußere Hülle. So arbeiten viele andere Antibiotika auch. Das Besondere an Teixobactin ist aber, dass es den Aufbau der Zellwand gleich an mehreren Schlüsselstellen beeinflusst. Es erschwert so bakterielle Anpassungsstrategien. Durch diese zusätzlichen Hürden ist die Wahrscheinlichkeit also viel geringer, dass ein Bakterium resistent gegen Teixobactin wird.“

Klinische Erprobung geplant

Viele der natürlich produzierten Antibiotika wurden noch gar nicht entdeckt, weil die Mikroorganismen, die sie produzieren, bislang nicht im Labor gezüchtet und untersucht werden konnten.

Viele der natürlich produzierten Antibiotika wurden noch gar nicht entdeckt, weil die Mikroorganismen, die sie produzieren, bislang nicht im Labor gezüchtet und untersucht werden konnten.

Thinkstock_KatarzynaBialasiewicz

Erste Experimente bekräftigen diese Theorie bereits. „Bislang konnten in verschiedenen Versuchsansätzen keine Resistenzen gegenüber Teixobactin festgestellt werden“, betont Schneider. Das neue Antibiotikum hat bereits in Mäusen erfolgreich erste Tests durchlaufen. Doch lässt es sich auch beim Menschen einsetzen? Das werden klinische Studien zeigen müssen, die zukünftig in Angriff genommen werden sollen. „Ein Antibiotikum mit neuem Wirkmechanismus wäre jedenfalls ein Durchbruch für die Forschung und für die medizinische Versorgung“, stellt die Bonner Forscherin überzeugt fest. Hier ist jetzt der Partner aus der Pharmabranche am Zug. Währenddessen wird sich das Team um Schneider, die eine Nachwuchsforschungsgruppe am DZIF leitet, wieder neuen Wirkstoffkandidaten widmen. „Schließlich gilt es, im Wettlauf mit der Zeit nicht ins Hintertreffen zu geraten.“

Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung ist eines von sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die vom Bundesforschungsministerium gefördert werden. Im DZIF arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 32 Forschungseinrichtungen an sieben Standorten zusammen, um die Erforschung von Infektionserkrankungen weiter voranzubringen.

iChip: Minireaktor analysiert Mikroorganismen

Man schätzt, dass 99 Prozent aller Mikroorganismen unserer Umwelt bislang nicht im Labor kultiviert werden konnten. Damit konnten sie auch nicht dahingehend untersucht werden, ob sie mögliche neue Antibiotika bilden. Die Isolierung und Kultivierung neuer Mikroorganismen ist daher ein wichtiger Schritt in der Antibiotikaforschung. Die iChip („isolation Chip“) Technologie setzt hier neue Impulse. iChip ist ein „Mini-Reaktor“, der aus einer großen Anzahl einzelner Isolationskammern besteht. Der iChip wird mit einem heterogenen Gemisch aus Mikroorganismen beimpft, also zum Beispiel mit einer Bodenprobe, in der viele Bakterien vorkommen. In den sehr kleinen Kammern des Chips werden dabei im Idealfall einzelne Bakterien isoliert, die sich dann vermehren. So entstehen aus dem Gemisch aus Mikroorganismen schließlich Einzelkulturen, die dann analysiert werden können. Mehr als 10.000 unterschiedliche Mikroorganismen konnten so bereits untersucht werden.

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Tanja Schneider
Institut für Pharmazeutische Mikrobiologie
Universitätsklinikum Bonn
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF)
Meckenheimer Allee 168
53115 Bonn
0228 73-5688
tanja@mibi03.meb.uni-bonn.de