Raus aus der Klinik – rein in den Alltag - Erfolgreiche Rehabilitation endet nicht an der Kliniktür

Ganz akut – nach einem Unfall, einem Herzinfarkt oder einer Operation – aber auch bei chronischen Krankheiten wie anhaltenden Rückenschmerzen werden Patienten in die Reha geschickt. Gezielte Therapien, viel Bewegung und eine Luftveränderung tun den meisten gut. Aber prompt ist man wieder zu Hause, lässt die Motivation nach, das Gelernte auch im Alltag anzuwenden. Das muss nicht sein! (Newsletter 60 / November 2012)

LogoEin paar Wochen Reha sind meist nicht genug, um die Folgen einer Krankheit langfristig in den Griff zu bekommen. Das haben Untersuchungen gezeigt. Denn oftmals halten die positiven Effekte einer medizinischen Rehabilitation nicht an. Ein Grund: Die guten Vorsätze, die man sich in der Reha gesetzt hat, sind schnell vergessen oder können zu Hause nicht umgesetzt werden. „Langfristig kann eine Rehabilitationsmaßnahme aber nur erfolgreich sein, wenn die Betroffenen das Gelernte über einen längeren Zeitraum hinweg fortsetzen, also aktiv in ihren Alltag einbauen. Eine stationäre oder ambulante Rehabilitation legt hierfür nur den Grundstein“, sagt Dr. Ruth Deck vom Institut für Sozialmedizin an der Universität Lübeck. Der Wissenschaftlerin war deshalb klar: „Damit eine Reha wirklich hilft und sich auszahlt, müssen die Patientinnen und Patienten auch danach am Ball bleiben. Und hierfür brauchen sie Unterstützung.“ Gesagt, getan. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Reha-Kliniken entwickelte Dr. Deck zusammen mit ihrem Team ein neues Nachsorgekonzept. Zunächst für Patientinnen und Patienten mit chronischem Rückenschmerz. Es trägt den Namen „Neues Credo“ und hat sich bereits bewährt.

Liebes Tagebuch, …

Bildquelle: Institut für Sozialmedizin, Universität zu LübeckDiese Tagebücher führen die Reha-Patienten auch zu Hause.Ein zentrales Element der Nachsorgestrategie sind Tagebücher. Schon während der Reha dokumentieren die Patientinnen und Patienten darin ihre gesamten sportlichen Aktivitäten, schreiben auf, woran sie Spaß hatten, und legen fest, welche Sportart sie auch zu Hause treiben möchten. Es geht darum herauszufinden: Was tut mir gut? Was macht mir Spaß? Und was möchte ich auch tatsächlich nach der Reha weitermachen? Zu Hause angekommen, führen die Rehabilitanden mindestens ein Jahr lang das Tagebuch weiter. „In dieser Zeit geht es darum“, erklärt Dr. Deck, „aufzuschreiben, ob sie Ziele, die sie sich in der Reha gesteckt haben, erreichen konnten, und woran es möglicherweise hapert.“ Die Tagebücher schicken die Patienten regelmäßig an die Reha-Klinik zurück. Klappt etwas nicht wie geplant, melden sich die Mitarbeiter der Reha-Klinik beiden Betroffenen und besprechen die Probleme. „Unserer Erfahrung nach empfinden die Rehabilitanden diese Art der Kontrolle nicht als Belastung, sondern eher als Wertschätzung.“

Aktiv werden – aktiv bleiben

Bildquelle: iStockphotoDie Idee, sowohl die Patientinnen und Patienten als auch die Reha-Einrichtungen über die tatsächliche Zeit der Reha hinaus aktiv in die Verantwortung zu nehmen, funktioniert. In einer Studie haben die Wissenschaftlerinnen aus Lübeck mit Unterstützung der Deutschen Rentenversicherung Bund und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) das „Neue Credo“ in drei orthopädischen Reha-Kliniken in Schleswig-Holstein bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen getestet. Verglichen wurde das neue Konzept mit einer konventionellen Reha an drei anderenKliniken. Schon während ihres Aufenthalts in der Klinik bereiteten sich diejenigen, die an dem neuen Nachsorgemodell teilnahmen, intensiver auf die Zeit nach ihrer Reha vor. Ein Jahr später trieben sie tatsächlich deutlich mehr Sport als die Kontrollgruppe, gingen also zum Beispiel regelmäßig in den Sportverein oder ins Fitnessstudio. „Und das tut natürlich auch dem Rücken gut und hilft dabei, die Schmerzen auf Dauer in den Griff zu bekommen“, so Dr. Deck. Auch der Wiedereinstieg in den Beruf gelang den Teilnehmerinnen und Teilnehmern beim „Neuen Credo“ besser. „Mit unserem neuen Modell profitierten die Rückenschmerzpatienten also nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig von ihrer Rehabilitation“, sagt Dr. Deck. „Denn sie schaffen es zum großen Teil, das in der Reha Gelernte tatsächlich langfristig in ihren Alltag zu integrieren.“


Lösungen von heute für die Versorgung von morgen

Damit unsere medizinische Versorgung langfristig noch besser wird und gleichzeitig bezahlbar bleibt, müssen sich Wissenschaftler und Ärzte, Krankenkassen und Rentenversicherung austauschen und gemeinsam Lösungen finden, um so einen schnelleren Transfer der Erkenntnisse in die Regelversorgung zu ermöglichen. Genau das war Ziel eines Workshops zum Förderschwerpunkt „Versorgungsnahe Forschung – Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ im Juni 2012. Thema waren konkrete Erkenntnisse über die medizinische und rehabilitative Versorgung chronisch kranker Menschen und deren Nutzen in der Praxis.

Wie können Betroffene besser über ihre Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten informiert werden? Wie können sie aktiv in den Behandlungsprozess einbezogen werden? Und wie können Patientinnen und Patienten auch nach einem Krankenhaus- oder Reha-Klinik- Aufenthalt motiviert werden, ihre Therapien über einen längeren Zeitraum fortzusetzen? Diese und mehr Fragen wurden anhand ausgewählter praxisnaher Forschungsergebnisse mit Vertretern der Kranken- und Rentenversicherungen als potentielle Kostenträger diskutiert. Auch Dr. Ruth Deck stellte dort das neue Nachsorgekonzept vor. An dem Förderschwerpunkt „Versorgungsnahe Forschung“ sind die Bundesministerien für Bildung und Forschung, für Gesundheit sowie für Arbeit und Soziales, die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen auf Bundesebene und der Verband der privaten Krankenversicherung beteiligt.


Ansprechpartnerin:
Dr. Ruth Deck
Institut für Sozialmedizin
Universität zu Lübeck
Ratzeburger Allee 160
23538 Lübeck
Tel.: 0451 500-5847
Fax: 0451 500-5872
E-Mail: ruth.deck@uksh.de