Reine Herzenssache: Wie gut werden Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern medizinisch versorgt?

Unser Herz schlägt bis zu 150.000-mal pro Tag. Da kann es schon einmal aus dem Takt kommen. Das ist zunächst nicht weiter schlimm. Ist es aber häufig oder sogar ständig aus dem Rhythmus, kann das gefährlich werden. Die häufigste Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern. Das Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET) bündelt die bundesweite Expertise zu diesem Krankheitsbild. (Newsletter 71 / Dezember 2014)

LogoEin neues Projekt des AFNET e.V. zielt nun darauf, die aktuelle medizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern in Deutschland umfassend darzustellen. Ziel ist es, Stärken und Schwachstellen in der Versorgung zu erkennen. Im Vorhof jedes Herzens sitzen die Taktgeber des Herzschlags: Es sind spezialisierte Herzmuskelzellen, die die Fähigkeit haben, elektrische Erregung zu erzeugen und weiterzuleiten. Sie dienen als „Herzschrittmacher“. Ist die Erregung oder die Weiterleitung in den Herzvorhöfen gestört, kann das Herz aus dem Takt geraten. Es schlägt nicht mehr in einem gleichmäßigen Rhythmus, sondern unregelmäßig. In der Medizin spricht man von Vorhofflimmern. Geschätzte zwei Millionen Menschen leiden in Deutschland an Vorhofflimmern. Damit ist das Vorhofflimmern die häufigste Herzrhythmusstörung. Dabei merkt vermutlich nur ein Drittel der Betroffe nen tatsächlich, dass ihr Herz manchmal aus dem Rhythmus kommt: Dann schlägt es unregelmäßig – meist zu schnell –, es stolpert.

Eine Krankheit, die gefährliche Folgen haben kann

Die größere Mehrheit nimmt den unregelmäßigen Herzschlag aber gar nicht wahr. Sie leidet eher an den Folgen: Müdigkeit, Schlafstörungen, Atemnot und plötzliche Leistungseinbußen. Alles zusammen eher unspezifische Krankheitszeichen, die zunächst nicht auf ein bestimmtes Krankheitsbild deuten. Umso wichtiger ist es, von diesen Beschwerden auf die richtige Ursache zu schließen und diese zu behandeln. Denn Vorhofflimmern ist zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, kann aber gefährliche Folgen haben. So können sich Blutgerinnsel in den Vorhöfen bilden und in den Blutkreislauf bis in das Gehirn gelangen. Verschließt das Gerinnsel ein Hirngefäß, kommt es zum Schlaganfall. Schätzungsweise jeder fünfte Schlaganfall kommt auf diese Weise zustande.

Klinisches Register ermöglicht Bestandsaufnahme

Bildquelle: Kompetenznetz VorhofflimmernVorhofflimmern kann nur mithilfe eines Elektrokardiogramms, kurz EKG, sicher erkannt werden.Dank der Forschung konnten in den letzten Jahren neue Arzneimittel und Behandlungsmöglichkeiten entwickelt und die Gefahren des Vorhofflimmerns vermindert werden. Aber wie ist der tatsächliche Stand der medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern in Deutschland? „Die letzte Studie, die diese Frage beantwortet hat, ist mittlerweile mehr als zehn Jahre alt. Wir brauchen dringend aktuelle Daten“, sagt Professor Dr. Michael Näbauer von der Universität München. Gemeinsam mit europäischen Partnern hat deshalb das Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET steht für Atrial Fibrillation NETwork) im Jahr 2014 ein neues klinisches Register gestartet. Europaweit wird hier in einem Forschungsprogramm, dem EURObservational Research Programme (EORP), eine Bestandsaufnahme zur Behandlung von Vorhofflimmern durchgeführt, auch in Deutschland. Allerdings beschränken sich die im europäischen EORP erhobenen Daten auf kardiologische Studienzentren. In Deutschland wird jedoch ein großer Teil der Patienten in der Allgemeinmedizin oder in internistischen Abteilungen behandelt, die nicht auf Kardiologie spezialisiert sind. „Uns ist es aber wichtig, dass wir wirklich Daten aus allen Versorgungsebenen erhalten. Also von der allgemeinen Hausarztpraxis bis hin zum spezialisierten Zentrum. Nur so erfahren wir, inwieweit neue Medikamente und Behandlungen in der alltäglichen Praxis eingesetzt werden“ sagt Näbauer. Er leitet gemeinsam mit Professor Dr. Günter Breithardt den deutschen Teil des europäischen klinischen Registers. „Deshalb werden in Deutschland auch weitaus mehr Daten an unterschiedlichen Stellen erhoben“, ergänzt er. Das AFNET-EORP-Register für Vorhofflimmern wird vom Kompetenznetz Vorhofflimmern e. V. in Zusammenarbeit mit der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) durchgeführt. Als weitere finanzielle Unterstützer konnten große Pharmafirmen gewonnen werden.

Bildquelle: Kompetenznetz Vorhofflimmern
Die Ursachen von Vorhofflimmern sind vielfältig. Ein Ultraschallbild des Herzens kann hier Klarheit verschaffen.

Umfangreiche Datenerhebungen in den nächsten drei Jahren

Am 14. Mai 2014 wurde im Klinikum Großhadern der Universität München der erste Patient in das Register aufgenommen. Bundesweit wird nun bei insgesamt 3.500 Patientinnen und Patienten dokumentiert, wie die Krankheit erkannt und behandelt wird. „Mit dem neuen Register bekommen wir ein ganzheitliches und aktuelles Bild des medizinischen Versorgungsalltags von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern. Nur so können wir Stärken und Schwachstellen aufdecken. Und nur wenn wir die Schwachstellen unseres Versorgungssystems kennen, können wir zukünftig versuchen, diese zu beheben“, erklärt Näbauer. Die Beobachtungsphase des Registers dauert drei Jahre.


Kompetenznetz Vorhofflimmern
Seit 2003 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Kompetenznetz Vorhofflimmern. In diesem Kompetenznetz arbeitet medizinisches und wissenschaftliches Personal fachübergreifend aus Kliniken, Forschungseinrichtungen und Rehabilitationskliniken zusammen, um die Erkrankung Vorhofflimmern besser zu verstehen, sie frühzeitig zu erkennen und Betroffene besser zu versorgen. In 2010 hat sich der Verein Kompetenznetz Vorhofflimmern e. V. (AFNET e. V.) gegründet. Er soll es ermöglichen, die Arbeiten des Netzwerkes auch im Anschluss an die Bundesförderung, die Ende 2014 ausläuft, weiterzuführen. Seit Kurzem steht fest: Ab 2015 wird das Kompetenznetz vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung gefördert.


Was ist ein klinisches Register?
In einem klinischen Register werden Merkmale und Charakteristika von Patientinnen und Patienten mit spezifischen Erkrankungen dokumentiert. Welche Daten erhoben werden, hängt dabei maßgeblich von der Zielsetzung des Registers ab. Alle Daten werden dabei gemäß den aktuellen Bestimmungen geschützt. Außerdem prüfen zuständige Ethikkommissionen vorab jedes Register, ob die geplante Datenerhebung mit den gültigen ethischrechtlichen Bedingungen übereinstimmt. Bei einer Bestandsaufnahme zur Versorgung ist darüber hinaus wichtig, dass Untersuchungs- und Versorgungsdaten auf allen Ebenen erfasst werden. Das heißt in Kliniken genauso wie beim Haus- und Facharzt. Nur so erlangt man ein Bild von der tatsächlichen Versorgungssituation. Alle Beteiligten verpflichten sich, die Symptome, den Schweregrad der Erkrankung, die durchgeführte Diagnostik sowie die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu dokumentieren. Klinische Register sind immer beobachtend, das heißt, sie greifen nicht in die Entscheidung des behandelnden Arztes bezüglich Diagnostik und Therapie ein. Klinische Register sind damit ein wichtiger Teil der Qualitätssicherung in der Medizin.

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