Richtlinien zur Förderung von Forschungsprojekten zur Gewinnung pluri- bzw. multipotenter Stammzellen

vom 02.04.2009 - Abgabetermin: 01.07.2009

Erschienen im Bundesanzeiger Nr. 51 vom 02.04.2009


1. Zuwendungszweck, Rechtsgrundlage

1.1 Zuwendungszweck


Die Erforschung der Entwicklungspotenziale von Stammzellen hat sich zu einer dynamischen Disziplin mit großer Bedeutung für die Grundlagenforschung und für anwendungsorientierte Fragestellungen entwickelt. Je näher die Ergebnisse der Forschung der klinischen Anwendung kommen, umso dringlicher wird die Verfügbarkeit von Zellen, die in der regenerativen Medizin einsetzbar sind. Dazu zählen multi- oder pluripotente Stammzellen. Dabei werden sowohl heterolog transplantierbare als auch patientenspezifische Stammzellen diskutiert.

Angesichts ihrer hohen Entwicklungspotenziale finden dabei embryonale Stammzelllinien große Beachtung. Allerdings ist die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz nicht zulässig, da sie die Zerstörung von in vitro generierten menschlichen Embryonen voraussetzt.

Es besteht sowohl für die Forschung als auch für eine mögliche Anwendung der Forschungsergebnisse ein erhebliches Interesse an der Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung von multi- bzw. pluripotenten menschlichen Zellen, die mit dem im Embryonenschutzgesetz normierten Schutz menschlicher Embryonen kompatibel sind. Dies ist grundsätzlich denkbar über die Nutzung von beim Menschen natürlich vorkommenden multi- oder pluripotenten Zellen oder die Dedifferenzierung bzw. Reprogrammierung von menschlichen Zellen. In den letzten Jahren sind Ergebnisse publiziert worden, die die grundsätzliche Machbarkeit derartiger Ansätze im Sinne eines proof of principle belegen. Die Forschungsarbeiten stehen allerdings insgesamt erst am Anfang. Vor diesem Hintergrund fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2008 Forschungsprojekte zur Gewinnung pluri- bzw. multipotenter Stammzellen.
Das BMBF beabsichtigt die Förderung auf diesem Gebiet auszubauen. Hierdurch soll gezielt die Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung von Stammzellen mit hohem Differenzierungspotenzial und von Methoden zur Reprogrammierung menschlicher Zellen unterstützt werden, um Ausgangsmaterial für die Entwicklung neuer regenerativer Therapieansätze verfügbar zu machen. Die zu entwickelnden Zellen und Verfahren müssen die Verwendung und die Klonierung von menschlichen Embryonen im Sinne des Embryonenschutzgesetzes vermeiden. Ziel ist es, ethisch vertretbare und rechtlich zulässige Mechanismen und Methoden zu identifizieren, die dann ggf. zur Reprogrammierung, Dedifferenzierung oder gezielten Transdifferenzierung menschlicher Zellen genutzt werden können.

1.2 Rechtsgrundlagen

Vorhaben können nach Maßgabe dieser Richtlinien, der BMBF-Standardrichtlinien für Zuwendungen auf Ausgaben- bzw. Kostenbasis und der Verwaltungsvorschriften zu § 44 Bundeshaushaltsordnung (BHO) durch Zuwendungen gefördert werden. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht nicht. Der Zuwendungsgeber entscheidet auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

2. Gegenstand der Förderung

Gefördert werden Einzelvorhaben oder Forschungsverbünde mit maximal fünf Partnern, die die Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung von multi-/pluripotenten humanen Stammzellen bzw. zur Reprogrammierung oder gezielten Transdifferenzierung adulter Zellen zum Ziel haben. Fokus ist dabei die innovative Erarbeitung der Grundlagen (Methodenentwicklung, Grundcharakterisierung der Zellen und molekularen und zellulären Mechanismen). Vorhaben die bereits eine Differenzierung existierender Zelllinien für eine konkrete Anwendung avisieren, werden auf andere BMBF Fördermaßnahmen im Gesundheitsforschungsprogramm und im Biotechnologieprogramm verwiesen (siehe auch www.gesundheitsforschung-bmbf.de).

Forschungsanträge können u. a. folgende Ausrichtung besitzen:

a) Isolierung von natürlich vorkommenden menschlichen multi-/pluripotenten Zellen und Charakterisierung ihres Differenzierungspotenzials. Ziel ist die Identifizierung von möglichen neuen Stammzell-Quellen und der Nachweis der Multi-/Pluripotenz.

b) Entwicklung von Verfahren zur Reprogrammierung adulter menschlicher Zellen, die die zelluläre Integrität nicht beeinträchtigen. Ziel ist es, das Differenzierungspotenzial der Zellen zu erweitern oder gezielt abzuändern. Dies kann Arbeiten zu Mechanismen der Dedifferenzierung zu multi-/pluripotenten Stammzellen oder der Transdifferenzierung von Zellen einschließen.

- mit Kulturverfahren unter Zugabe von Wachstumsfaktoren oder anderen Botenstoffen
- mit gentechnischen, anderen molekularbiologischen, epigenetischen oder wirkstoffvermittelten Verfahren

c) Entwicklung sonstiger Verfahren zur Herstellung multi-/pluripotenter Stammzellen, insbesondere durch Verfahren der Reprogrammierung wie z. B. Zellfusion und Kerntransfer, sowie durch Kombinationen dieser und anderer Verfahren. Ziel ist die Methodenentwicklung, die im Säugetiermodell erfolgen muss.

Angesichts des langfristigen Ziels, Ausgangsmaterial für die regenerative Medizin verfügbar zu haben, werden Ansätze zur Etablierung von Stammzelllinien favorisiert, deren therapeutisches Potenzial nicht bezweifelt werden muss.

In dieser Fördermaßnahme werden nicht gefördert:

- Untersuchungen mit Nicht-Säugern
- Vorhaben, die ausschließlich der Aufklärung zellulärer Differenzierungsmechanismen somatischer Zellen dienen
- Vorhaben zur Fein-Charakterisierung bereits gut etablierter humaner Zelllinien
- Herstellung von Chimären bzw. Hybriden zwischen tierischen und menschlichen Zellen bzw. Zellbestandteilen

3. Zuwendungsempfänger

Antragsberechtigt sind staatliche und nicht-staatliche Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft mit FuE-Kapazität in Deutschland wie z. B. Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU; die Definition für KMU der Europäischen Gemeinschaft ist hier einzusehen). Unternehmen der Großindustrie sowie Unternehmen, die zu mehr als 50% im Besitz von Großindustrie sind, können nur unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden. Forschungseinrichtungen, die gemeinsam von Bund und Ländern grundfinanziert werden, kann nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Projektförderung für ihren Aufwand bewilligt werden.

4. Zuwendungsvoraussetzungen

Die Antragsteller müssen durch einschlägige wissenschaftliche Vorarbeiten ausgewiesen sein. Die geplanten Vorhaben, insbesondere zur Methodenentwicklung, können explorativen Charakter haben. Sie müssen jedoch durch bereits vorliegende Daten schlüssig begründet sein und auf gesichertem naturwissenschaftlichem Wissen aufbauen. Die zur Durchführung erforderliche Infrastruktur und Expertise werden vorausgesetzt. Vor allem im Falle von Verbundvorhaben ist eine hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit erforderlich. Im Hinblick auf die Förderung von Verbünden wird eine gemeinschaftliche Antragstellung der Interessenten vorausgesetzt. Die Partner eines Verbundvorhabens haben ihre Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung zu regeln. Vor der Förderentscheidung muss eine grundsätzliche Übereinkunft über bestimmte vom BMBF vorgegebene Kriterien nachgewiesen werden. Einzelheiten können einem BMBF-Merkblatt - Vordruck 0110 - entnommen werden.

Antragsteller sollen sich - auch im eigenen Interesse- im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens mit dem EU-Forschungsrahmenprogramm vertraut machen. Sie sollen prüfen, ob das beabsichtigte Vorhaben spezifische europäische Komponenten aufweist und damit eine ausschließliche EU-Förderung möglich ist. Weiterhin ist zu prüfen, inwieweit im Umfeld des national beabsichtigten Vorhabens ergänzend ein Förderantrag bei der EU gestellt werden kann. Das Ergebnis der Prüfungen soll im nationalen Förderantrag kurz dargestellt werden. Informationen zur EU-Förderung können hier abgerufen werden.

5. Art, Umfang und Höhe der Zuwendung

Die Zuwendungen können im Wege der Projektförderung für einen Zeitraum von in der Regel bis zu 3 Jahren als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewährt werden.
Beantragt werden können Personal-, Sach- und Reisemittel sowie ausnahmsweise projektbezogene Investitionen, die nicht der Grundausstattung des Antragstellers zuzurechnen sind. Ausgaben für das Einholen von Ethikvoten an der eigenen Hochschule werden der Grundausstattung zugerechnet und können nicht gefördert werden.
Die zur Anmeldung eines Patents erforderlichen Ausgaben/Kosten während der Laufzeit des Vorhabens sind im Rahmen der BMBF-Standardrichtlinien grundsätzlich zuwendungsfähig.

Kooperationen mit thematisch verwandten Forschungsvorhaben im (europäischen) Ausland sind möglich, wobei der internationale Partner grundsätzlich über eine eigene nationale Förderung für seinen Projektanteil verfügen muss. Zusätzlich anfallende Mittel für wissenschaftliche Kommunikation, z. B. für die Durchführung von Workshops und Arbeitstreffen, Gastaufenthalte von Nachwuchswissenschaftlern (Doktoranden, Post-Docs) aus dem Verbund an externen Forschungseinrichtungen und Kliniken sowie die Einladung von Gastwissenschaftlern sind grundsätzlich zuwendungsfähig, wenn dadurch synergistische Effekte erwartet werden können.

Bemessungsgrundlage für Hochschulen, Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen und vergleichbare Institutionen sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Ausgaben (bei Helmholtz-Zentren und der Fraunhofer-Gesellschaft - FhG - die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten), die individuell bis zu 100% gefördert werden können.

Bemessungsgrundlage für Zuwendungen an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sind die zuwendungsfähigen projektbezogenen Kosten, die in der Regel - je nach Anwendungsnähe des Vorhabens - bis zu 50% anteilfinanziert werden können. Nach BMBF-Grundsätzen wird eine angemessene Eigenbeteiligung - grundsätzlich mindestens 50% der entstehenden zuwendungsfähigen Kosten - vorausgesetzt.

Die Bemessung der jeweiligen Förderquote muss den Gemeinschaftsrahmen der EU-Kommission für staatliche FuE-Beihilfen berücksichtigen. Dieser Gemeinschaftsrahmen lässt für Verbundprojekte von Antragstellern aus Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) eine differenzierte Bonusregelung zu, die ggf. zu einer höheren Förderquote führen kann.

6. Sonstige Zuwendungsbestimmungen

Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Ausgabenbasis werden die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) und die Besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen des BMBF zur Projektförderung auf Ausgabenbasis (BNBest-BMBF98).
Bestandteil eines Zuwendungsbescheides auf Kostenbasis werden grundsätzlich die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für FuE-Vorhaben (NKBF98).

7. Verfahren

7.1 Einschaltung eines Projektträgers


Mit der Abwicklung der Fördermaßnahme hat das BMBF seinen

Projektträger im DLR für das BMBF
- Gesundheitsforschung -
Heinrich-Konen-Straße 1
53227 Bonn
Tel.: 0228 3821-210 (Sekretariat)
Fax: 0228 3821-257
E-Mail: gesundheitsforschung@dlr.de
Internet: www.pt-dlr.de

beauftragt.

Ansprechpartner sind Dr. Kälin (Tel: 0228 3821-251), Dr. Künne (Tel: 0228 3821-204) und Dr. Schindel (Tel: 0228 3821-776). Es wird empfohlen zur Antragsberatung mit dem Projektträger Kontakt aufzunehmen. Weitere Informationen und Erläuterungen sind dort erhältlich.

7.2 Förderverfahren

Das Förderverfahren ist zweistufig, es findet aber nur ein fachlicher Begutachtungsschritt unter Beteiligung externer Experten statt.

7.2.1 Vorlage und Auswahl von Vorhabenbeschreibungen

In der ersten Stufe sind dem Projektträger im DLR zunächst Vorhabenbeschreibungen einzureichen. Diese sollen alle notwendigen Informationen enthalten, um dem Gutachterkreis eine abschließende fachliche Stellungnahme zu erlauben. Bei Verbundprojekten sind die Vorhabenbeschreibungen in Abstimmung mit dem vorgesehenen Verbundkoordinator vorzulegen. Im Hinblick auf das internationale Begutachtungsverfahren wird die Einreichung der Vorhabenbeschreibungen in englischer Sprache empfohlen.

Die Anforderungen an die Vorhabenbeschreibungen sind in einem Leitfaden für Antragsteller niedergelegt. Die Antragstellung erfolgt elektronisch über das Internet-Portal. Im Portal ist die Vorhabenbeschreibung im PDF-Format hochzuladen. Darüber hinaus wird hier aus den Eingaben in ein Internetformular eine Vorhabenübersicht generiert. Vorhabenübersicht und die hochgeladene Vorhabenbeschreibung werden gemeinsam begutachtet. Damit die elektronische Version der Vorhabenübersicht und der Vorhabenbeschreibung Bestandskraft erlangen, müssen beide Dokumente nach erfolgter elektronischer Antragstellung in Papierform mit der Unterschrift des Verbundkoordinators (Verbundanträge) bzw. des Projektleiters (Einzelanträge) beim Projektträger eingereicht werden.

Die Vorhabenübersicht und die Vorhabenbeschreibung können

bis spätestens 01. Juli 2009

beim Projektträger elektronisch eingereicht werden. Die Vorlagefrist gilt nicht als Ausschlussfrist. Verspätet eingehende Vorhabenbeschreibungen können aber möglicherweise nicht mehr berücksichtigt werden. Bei verspäteter Einreichung wird dringend die vorherige Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Projektträger empfohlen. Eine Vorlage per Email oder FAX ist nicht möglich.

Aus der Vorlage einer Vorhabenbeschreibung kann kein Rechtsanspruch abgeleitet werden.
Die eingegangenen Vorhabenbeschreibungen werden unter Beteiligung eines unabhängigen (international besetzten) Gutachterkreises u.a. nach folgenden Kriterien bewertet.

- Beitrag zu den unter "Zuwendungszweck" genannten Zielen der Bekanntmachung
- bei Zellen und Zelllinien: Potenzial für die klinische Anwendung
- bei Verfahren: Potenzial zur Übertragung ins Humansystem, Potenzial für die klinische Anwendung
- Innovative wissenschaftliche Fragestellung vor dem Hintergrund des internationalen Forschungsstandes
- Wissenschaftliche Qualität und Erfolgsaussichten des Vorhabens
- Vorhandene einschlägige Vorarbeiten / Vorleistungen der Antragsteller
- Bei Verbundvorhaben: Kohärenz und Interaktionen der Teilprojekte

Auf der Grundlage der Bewertung werden dann die für eine Förderung geeigneten Vorhaben ausgewählt. Das Auswahlergebnis wird den Interessenten schriftlich mitgeteilt.

7.2.2 Vorlage förmlicher Förderanträge und Entscheidungsverfahren

Bei positiver Bewertung eines beantragten (Verbund-)Vorhabens werden die Interessenten in einer zweiten Verfahrensstufe unter Angabe eines Termins aufgefordert, (bei Verbundvorhaben in Abstimmung mit dem vorgesehenen Verbundkoordinator) einen förmlichen Förderantrag vorzulegen, über den nach abschließender Prüfung entschieden wird.

Vordrucke für die einzureichenden Formanträge sowie Richtlinien, Merkblätter, Hinweise und Nebenbestimmungen können hier abgerufen oder unmittelbar beim Projektträger angefordert werden. Zur Erstellung von förmlichen Förderanträgen wird die Nutzung des elektronischen Antragssystems „easy“ dringend empfohlen.“

Für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die ggf. erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung gelten die Verwaltungsvorschriften zu § 44 BHO sowie §§ 48 bis 49a Verwaltungsverfahrensgesetz, soweit nicht in diesen Förderrichtlinien Abweichungen zugelassen sind.

8. Inkrafttreten

Diese Förderrichtlinien treten mit dem Tag der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Berlin, den 20.03.2009

Bundesministerium für Bildung und Forschung
im Auftrag
Dr. Gabriele Hausdorf