Juni 2019

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Rund um die Uhr betreut: Vorhofflimmern rechtzeitig erkennen dank Smartwatch

Elektronische Armbanduhren, sogenannte Smartwatches, helfen Menschen mit einem hohen Risiko für Vorhofflimmern und senken das Risiko für einen Schlaganfall. Das zeigt eine Studie aus dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK).

DZHK-Logo

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Expertinnen und Experten erwarten, dass es in den nächsten 40 Jahren bei über 55-Jährigen noch häufiger auftreten wird. Kommt das Herz aus dem Takt, können sich Blutgerinnsel bilden – das Risiko für einen Schlaganfall steigt. Wenn Betroffene Blutgerinnungshemmer, sogenannte Antikoagulantien, einnehmen, reduziert sich ihr Risiko jedoch um bis zu 70 Prozent. Problematisch dabei ist, dass Vorhofflimmern häufig unentdeckt und damit unbehandelt bleibt, da es oft nur anfallartig auftritt und keine Beschwerden verursacht.

Wenn Ärzte den Herzrhythmus von Patienten lange und intensiv überwachen, können sie das Vorhofflimmern frühzeitig erkennen. Dies geht bislang nur mit tragbaren Elektrokardiogrammgeräten. Smartwatches mit einer App, die den Herzrhythmus aufzeichnet, könnten laut der Studie von Professor Marcus Dörr, stellvertretender Standortsprecher am DZHK-Standort Greifswald, und seinen Schweizer Kollegen eine günstige und bequeme Alternative sein. Im Rahmen der Studie bekamen 508 Personen mit und ohne Vorhofflimmern eine handelsübliche Smartwatch. Diese zeichnete in festgelegten Abständen den Herzrhythmus auf. Ein Algorithmus analysierte, ob der Rhythmus auf Vorhofflimmern hindeutete. Als Vergleich dienten Messungen mit einem mobilen Elektrokardiogramm (EKG)-Gerät, bei dem die Studienteilnehmer je zwei Finger der rechten und linken Hand auf eine Elektrode legen mussten. Diese EKGs wurden anschließend von Ärzten ausgewertet, denen keine weiteren Informationen über die Teilnehmer vorlagen. Dabei zeigte sich, dass eine Smartwatch Vorhofflimmern mindestens genauso gut und akkurat detektieren kann wie das mobile EKG. „Besonders wichtig war, dass durch die App nicht zu viele falsch positive Befunde erhoben wurden. Also Vorhofflimmern angezeigt wurde, wenn tatsächlich keines vorlag“, so Dörr. Denn dies würde unnötige Untersuchungen und Kosten nach sich ziehen.

Smartwatch

Rund um die Uhr betreut: Smartwatches helfen Menschen mit hohem Risiko für Vorhofflimmern.

PREVENTICUS GmbH, Jena

Signalstörungen durch Bewegung

Allerdings gab es noch Probleme mit der Qualität des Signals. Meistens traten diese Störungen auf, wenn die Träger sich bewegten. Dann konnte die Smartwatch den Herzrhythmus nicht immer korrekt erfassen. In der Studie konnten die Wissenschaftler aufgrund schlechter Signalqualität 20 Prozent der Daten nicht auswerten. „Eine mögliche Lösung könnte sein, neben der Verbesserung des Algorithmus den Herzrhythmus nachts mehrfach automatisiert aufzuzeichnen, wenn man sich weniger bewegt“, erläutert der DZHK-Wissenschaftler. Die Studie zeigte außerdem, dass eine wiederholte einminütige Aufzeichnung ausreicht, um Herzrhythmusstörungen zuverlässig zu entdecken. Durch ein verlängertes Aufzeichnungsintervall von drei oder fünf Minuten konnten keine besseren Ergebnisse erzielt werden.

Smartwatch könnte diagnostische Lücke füllen

Bevor die Smartwatch jedoch tatsächlich für ein Screening bei Risikopatienten eingesetzt werden kann, sind noch klinische Studien mit größeren Patientengruppen nötig. Eine entsprechende EU-finanzierte Studie hat bereits begonnen.

Momentan bekommen Patienten mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern ein Langzeit-EKG, das den Herzrhythmus für bis zu 72 Stunden aufzeichnet. Wird in dieser Zeitspanne nichts entdeckt, kann man nach den Leitlinien theoretisch damit aufhören, den Herzrhythmus zu überwachen. Ist das Risiko sehr hoch, können in ausgewählten Fällen kleine implantierbare Ereignisrekorder operativ hinter das Brustbein eingesetzt werden.

Eine teure und invasive Methode. Auch andere, externe Geräte zur Rhythmusüberwachung sind kostspielig und werden von den Krankenkassen nicht bezahlt. Eine Smartwatch ist hier vergleichsweise günstig und kann theoretisch von jedermann erworben werden. Sie könnte daher zukünftig die Lücke zwischen dem Langzeit-EKG und einem implantierten Gerät schließen.

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)

Im Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung, kurz DZHK, bündeln 28 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen an sieben Standorten in ganz Deutschland ihre Kräfte, indem sie eine gemeinsame Forschungsstrategie verfolgen. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierte DZHK bietet ihnen einen Rahmen, um Forschungsideen gemeinsam, besser und schneller als bisher umsetzen zu können. Wichtigstes Ziel des DZHK ist es, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell für alle Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen und Therapien sowie die Diagnostik und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern. Neben dem DZHK gibt es fünf weitere Deutsche Zentren, welche die größten Volkskrankheiten erforschen.
Mehr Informationen: www.dzhk.de

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Marcus Dörr
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin B
Universitätsmedizin Greifswald
Ferdinand-Sauerbruch-Straße
17475 Greifswald
mdoerr@uni-greifswald.de

Pressekontakt:
Christine Vollgraf
Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK)
Pressestelle
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13347 Berlin
christine.vollgraf@dzhk.de