Schlafstörungen im Alter - Warum die Krankheit unterschätzt wird und was Betroffenen helfen kann

Ältere Menschen ab 60 Jahren leiden besonders häufig unter Schlafstörungen. Neben den Betroffenen und ihren Angehörigen müssen sich vor allem Pflegeeinrichtungen dieser Herausforderung stellen. Wissenschaftler des Projekts „Insomnia“ im Berliner Forschungsverbund „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter“ (AMA) haben mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Schlafstörungen bei älteren Menschen in Pflegeheimen untersucht.

Das Problem: Schlafstörungen werden oft fälschlicherweise als naturgegeben hingenommen. Doch sie können schwerwiegende Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität der Patienten haben. Die Wissenschaftler bieten nun einen Grundkurs an, in dem sie Pflegekräften und Therapeuten zeigen, welche Ursachen und Folgen Schlafstörungen haben und welche Maßnahmen Linderung verschaffen können.

Rund jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat mittelschwere bis schwere Schlafstörungen. Schätzungen zufolge leidet rund die Hälfte der Menschen ab 60 Jahren darunter. Vor allem Pflegeheime müssen sich verstärkt auf die Krankheit einstellen. Trotz der offensichtlichen Problematik ist dieses Thema jedoch sowohl in Pflegeeinrichtungen als auch in der Wissenschaft bisher wenig beachtet. Das Pflegepersonal ist mit der Krankheit Schlafstörungen noch zu wenig vertraut. Das fand eine Gruppe von Forschern des Berliner Forschungsverbunds „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter“ (AMA) heraus, die Schlafstörungen bei älteren Menschen in Pflegeheimen untersucht hat und dabei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms „Gesundheit im Alter“ unterstützt wird. In ausführlichen Befragungen haben die Forscher festgestellt, dass Schlafstörungen häufig als naturgegeben hingenommen werden. Auch fehlen Grundkenntnisse über Behandlungsmöglichkeiten und die negativen Folgen unbehandelter Schlafstörungen.

Schlafstörungen sind, sobald sie dauerhaft auftreten, eine ernst zu nehmende Krankheit, besonders bei Menschen mit chronischen Erkrankungen. Bei älteren Menschen sind sie meist nur eine unter vielen weiteren Krankheiten wie Depressionen oder Parkinson und werden daher häufig verharmlost und vernachlässigt. Schlafstörungen verstärken jedoch diese bestehenden Erkrankungen und können den Abbau der körperlichen Leistungsfähigkeit beschleunigen. Die Beweglichkeit der älteren Menschen lässt nach, sie sind weniger körperlich aktiv und stürzen häufiger, was weitere Beschwerden nach sich ziehen kann. Die Patienten nehmen seltener am sozialen Leben mit der Familie oder anderen Bewohnern teil und verlieren dadurch an Lebensqualität.

Zu wenig körperliche und geistige Aktivität

Häufige Ursachen für Schlafstörungen bei älteren Menschen sind mangelnde körperliche Bewegung und fehlende geistige Beschäftigung. Die Ergebnisse des Berliner Insomnia-Projekts zeigen, dass Heimbewohner mit Schlafstörungen selbst wenig Initiative entwickeln, um ihren Alltag zu gestalten. Im Vergleich zu Bewohnern, die nicht unter Schlafstörungen leiden, sind viele von ihnen kontaktarm und selten in der Lage, sich selbst zu beschäftigen. Das Pflegepersonal deutet das meist fälschlicherweise als Bedürfnis nach Ruhe und reagiert falsch: „Ältere Menschen mit Schlafstörungen werden von den Aktivitäts- und Bewegungsprogrammen eher ausgeschlossen als zusätzlich aufgefordert, daran teilzunehmen“, so Projektleiterin Prof. Dr. Garms-Homolová von der Alice Salomon Hochschule Berlin. „So entsteht ein Teufelskreis, der die Schlafprobleme der Betroffenen zusätzlich verstärkt.“

Probleme können auch bei der Medikation entstehen. In der Regel nehmen Heimbewohner bereits sehr viele Medikamente ein, dennoch sollte nicht auf eine angemessene Behandlung der Schlafstörungen verzichtet werden. Der Umfang der Medikation kann verringert und ihre Wirkung verbessert werden, wenn parallel natürliche Mittel eingesetzt werden: „Für ältere Menschen ist eine klare Trennung zwischen Tag und Nacht sehr wichtig. Das Pflegepersonal sollte in der Nacht für ausreichend Dunkelheit und Ruhe sorgen, um einen erholsamen Schlaf zu fördern. Gleichzeitig dürfen die Nächte nicht zu lang sein, denn das begünstigt ein krankhaftes zu langes Schlafen, die sogenannte Hypersomnie“, erklärt Prof. Dr. Garms-Homolová. „Am Tag hingegen sollten die Bewohner genügend Licht bekommen, am besten natürliches Tageslicht. Aktivitäten und Bewegung sind enorm wichtig, um für ausreichend Müdigkeit in der Nacht zu sorgen und das Schlafen am Tag zu verhindern. So kann der sogenannte nicht erholsame Schlaf verhindert werden.“

Genauere Kenntnisse über Schlafstörungen notwendig

Als Reaktion auf die Ergebnisse der Studie hat das Teilprojekt des Forschungsverbundes um Prof. Dr. Garms-Homolová und Prof. Uwe Flick nun einen Basiskurs zum Thema Schlafstörungen in der Langzeitversorgung entwickelt. Der Kurs soll Pflegekräften und Therapeuten ein Grundwissen über Schlafstörungen vermitteln und zeigen, wie sie im Alltag besser auf die Probleme der älteren Menschen eingehen können. Die Wissenschaftler haben auch eine Liste mit gängigen Diagnosemethoden zur Identifizierung von Schlafstörungen sowie eine Übersicht über Hausmittel, die bei Schlafstörungen helfen, zusammengestellt. Damit können die Ergebnisse des Forschungsprojekts sofort in den Pflegeeinrichtungen umgesetzt werden. In Planung ist auch ein Buch über Schlafstörungen, das dieses Wissen zusammenfasst.

Schlafstörungen

Arten von Schlafstörungen (Auswahl)

  • Insomnien: Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen, vorzeitiges Erwachen
  • Hypersomnie: übermäßiges Schlafen
  • Parasomnien: Schlafwandeln, Albträume, Zähneknirschen

Hilfe bei Schlafstörungen

  • Schlafrestriktion: Schlafphasen am Tag werden eingeschränkt, die Nacht und damit die Schlafenszeit darf nicht zu lang sein.
  • Zeitstrukturierung: Eine klare Trennung zwischen Tag und Nacht ist nötig.
  • Geistige Aktivität und körperliche Bewegung.
  • Lichttherapie.

Schlafrestriktion: Schlafphasen am Tag werden eingeschränkt, die Nacht und damit die Schlafenszeit darf nicht zu lang sein.- Zeitstrukturierung: Eine klare Trennung zwischen Tag und Nacht ist nötig.- Geistige Aktivität und körperliche Bewegung- Lichttherapie.

Der AMA-Forschungsverbund

Der Berliner Forschungsverbund „Autonomie trotz Multimorbidität im Alter“ (AMA) leistet einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation älterer Menschen mit Mehrfacherkrankungen, in der Fachsprache Multimorbidität genannt. Die Wissenschaftler erforschen, wie diese Menschen ihren Alltag bewältigen, wie sie ihre Selbstbestimmung erhalten und welche Angebote zum Beispiel in Form von Bewegungs- und Beschäftigungsprogrammen dabei förderlich sind.

Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Vjenka Garms-Homolová
Alice Salomon Hochschule Berlin
Alice-Salomon-Platz 5
12627 Berlin
Tel.: 030 80-904027
Fax: 030 80-27634
E-Mail: garms@ash-berlin.eu